Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Todesstoss

Der Todesstoss

Titel: Der Todesstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
linkes Ohr abgerissen
und dessen Nase von Narben zerfurcht war, der andere von
vollkommen undefinierbarer Rasse und Farbe und klapperdürr.
Andrej machte eine abfällige Bemerkung, aber Thobias
schüttelte heftig den Kopf.
»Lasst Euch nicht vom ersten Eindruck täuschen, Andrej. Die
beiden sind ausgezeichnete Spürhunde.« Thobias deutete auf
den Dunkelhaarigen, der Andrej mit einer Mischung aus Furcht
und Misstrauen - aber auch mit unverhohlener Neugier -
musterte. »Günther hat sie eigenhändig abgerichtet.
Er ist ein sehr guter Spurenleser.«
»Ist er …?«, begann Andrej, aber Thobias ließ ihn nicht zu
Ende sprechen, sondern unterbrach ihn kopfschüttelnd.
»Nein. Aber er wird tun, was wir von ihm erwarten. Das ist
doch so, Günther, nicht wahr?«
Der Angesprochene nickte; widerwillig, wie Andrej schien,
und ohne den Blick auch nur für einen Herzschlag von seinem
Gesicht zu wenden.
Mittlerweile überwog allerdings die Neugier in seinen Augen.
»Weiß er…?«
»Er weiß, was er wissen muss.« Diesmal war es Ludowig, der
Andrej ins Wort fiel. »Vor allem über Euch.«
Andrej war klug genug, nicht darauf einzugehen. Stattdessen
wandte er sich mit ernstem Gesicht an Günther, hielt seinem
Blick eine kleine Weile stand und drehte sich, nach einem
begrüßenden Nicken, direkt zu den Hunden um.
Langsam ließ er sich in die Hocke sinken und streckte die
rechte Hand aus. Der Schäferhund heulte schrill auf und rannte
ein paar Schritte davon, während der Mischung die Zähne
bleckte und ein tiefes, drohendes Knurren hören ließ. Andrej
zog die Hand nicht zurück, hütete sich aber, den Arm noch
weiter auszustrecken. Er spürte die Mischung aus Angst und
Angriffslust, die die Tiere verströmten, und war zu gleichen
Teilen erstaunt wie überrascht. Gewöhnlich schloss er sehr
schnell Freundschaft mit Tieren, gerade mit Hunden. Im
gleichen Maße, in dem er sich von den Menschen abgewandt
hatte, hatte er gelernt, die Sprache der Tiere zu verstehen.
»Macht Euch nichts daraus, Andrej«, sagte Thobias hinter
ihm. »Die Hunde sind nicht an Fremde gewöhnt. Günther wird
sie führen.«
Andrej sah über die Schulter zu Thobias zurück. Der junge
Geistliche war in einiger Entfernung stehen geblieben. Er
lächelte, aber seine Haltung drückte Anspannung und Furcht
aus. Kühe und Pferde waren ganz offensichtlich nicht die
einzigen Tiere, mit denen er nicht besonders gut auskam.
Andrej zuckte mit den Schultern, stand auf und begegnete
Günthers Blick, als er sich herumdrehte. Der Blick drückte
Verwirrung aus.
»Es wird Zeit«, sagte Thobias nun. »Ich muss gehen. Günther
wird Euch heute Abend bis zum Pass zurückbringen. Ich will,
dass Ihr bis Sonnenuntergang zurück im Kloster seid.«
Er sparte es sich hinzuzufügen: Oder Euer Freund wird dafür
büßen, aber es war auch nicht nötig, das zu sagen.
Andrej war verwirrt. Bisher hatte der Geistliche alles in seiner
Macht Stehende getan, um Andrejs Vertrauen, wenn nicht gar
seine Freundschaft zu erringen, und plötzlich benahm er sich
wie sein Feind. Warum?
»Dann sollten wir keine Zeit mehr verlieren«, sagte er kühl.
»Günther, in der Höhle sind Fußspuren. Sie sind mehrere Tage
alt. Glaubt Ihr, dass Eure Hunde die Fährte dennoch aufnehmen
können?«
Ohne seine Frage zu beantworten, drehte sich der
Hundeführer herum und verschwand zusammen mit seinen
beiden Tieren in der Dunkelheit jenseits des Spaltes. Andrej
wollte ihm noch eine Warnung vor den Felszacken zurufen, die
von der Decke hingen, aber in diesem Moment hörte er bereits
einen dumpfen Knall, gefolgt von einem unterdrückten Fluch.
Thobias entfernte sich ohne ein weiteres Wort des Abschieds
und ohne einen besorgten Blick zur Almhütte zu werfen. Auch
Ludowig beließ es bei einem abschließenden Blick voller Groll,
bevor er seinem Sohn folgte.
Andrej schüttelte den Kopf, aber er machte sich nicht die
Mühe, sich weitere Gedanken über das sonderbare Verhalten
der beiden zu machen. Ein junger Gelehrter und ein verbitterter
alter Landpfarrer … er konnte kaum von ihnen verlangen, dass
sie angesichts des drohenden Unterganges so ruhig blieben wie
er.
Günther kam zurück, begleitet von seinen beiden Hunden, die
schwanzwedelnd um seine Beine strichen. Auf seiner Stirn
prangte ein roter Fleck, der binnen kürzester Zeit zu einer
prachtvollen Beule anschwellen würde.
»Was ich Euch noch sagen wollte«, grinste Andrej, »seid
vorsichtig in der Höhle. Die Decke ist sehr

Weitere Kostenlose Bücher