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Der Todesstoss

Der Todesstoss

Titel: Der Todesstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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befürchtete, dass der
Pirat den nächsten Morgen nicht mehr erleben könnte. Dass
Abu Dun noch in der Lage gewesen war, sich klar und in
zusammenhängenden Sätzen auszudrücken, täuschte ihn nicht
über den bedrohlichen Zustand hinweg, in dem er sich befand.
Abu Duns Stärke, die ihnen schon so oft das Leben gerettet
hatte, konnte ihm in dieser Situation durchaus zum Verhängnis
werden, denn wie viele wirklich starke Männer neigte er dazu,
seine Grenzen zu missachten. Wenn der Zusammenbruch kam,
dann kam er mit aller Gewalt.
Es sollte jedoch anders kommen. Ob Thobias nun seine
Absicht erraten oder tatsächlich verstanden hatte, was er zu Abu
Dun gesagt hatte - nachdem Andrej in sein Zimmer
zurückgebracht worden war, schloss ein grimmig
dreinblickender Wächter den eisernen Ring wieder um sein
Fußgelenk.
Kaum hatte Thobias ihn allein gelassen, überprüfte er
sorgsam den Ring und die Kette. Beide waren äußerst massiv.
Er würde sich nicht selbst befreien können und hätte damit auch
keine Möglichkeit, sein Versprechen Abu Dun gegenüber
einzulösen.
Weder bekam er Thobias an diesem Abend ein weiteres Mal
zu Gesicht noch wurde ihm Essen gebracht. Als Andrej am
nächsten Morgen mit knurrendem Magen erwachte, sah er sich
einem ebenso schweigsamen wie ungewohnt übellaunigen
Bruder Thobias gegenüber, der ihm eine Schale Suppe sowie
ein Stück hartes Brot gebracht hatte. Andrej verschlang beides
mit Heißhunger, aber er war keineswegs satt. Thobias
missachtete seine fordernden Blicke jedoch und wies ihn nur
mit knappen Worten an, sich anzukleiden und ihm zu folgen.
Erst nachdem sie die Klosterfestung verlassen und sich schon
ein gehöriges Stück entfernt hatten, besserte sich Thobias’
Stimmung ein wenig.
»Ich habe mit meinem Vater ausgemacht, dass wir uns bei
Sonnenaufgang auf der Alm treffen«, sagte er. »Bei der Höhle,
in der wir den Kadaver gefunden haben. Er bringt zwei Hunde
mit. Die Spur ist zwar schon älter, aber mit etwas Glück finden
sie die Fährte trotzdem noch.« Er sah Andrej fragend an. Als er
keine Antwort bekam, fuhr er fort: »Ich werde Euch nicht
begleiten können. Es wäre nicht gut, wenn man uns zusammen
sieht.«
»Ich verstehe«, antwortete Andrej spöttisch. »Ihr sorgt Euch
um Euren guten Ruf.«
Thobias’ Gesicht verdüsterte sich, aber er verzichtete auf eine
Antwort und konzentrierte sich für eine ganze Weile darauf,
sein Pferd behutsam über den abschüssigen und mit Geröll
bedeckten Pfad zu leiten. Während Andrej ihm dabei zusah, fiel
ihm auf, wie unruhig das Tier war. Sein Schweif peitschte, und
seine Ohren bewegten sich unentwegt hin und her. Thobias
musste immer wieder an den Zügeln ziehen, um es unter
Kontrolle zu halten, und er ging dabei grob genug zu Werke,
um dem Tier Schmerzen zuzufügen. Er war kein besonders
geschickter Reiter.
»Ihr lasst mich tatsächlich allein in die Berge gehen? Habt Ihr
denn keine Sorge, ich könnte nicht zurückkommen?«, wollte
Andrej wissen.
»Habt Ihr bisher den Eindruck gewonnen, ich wäre in der
Lage, Euch zu irgendetwas zu zwingen, was Ihr nicht freiwillig
tätet?«, gab Thobias zurück.
Er verzog die Lippen und hob die Schultern. »Außerdem habe
ich Befehl gegeben, Euren schwarzen Freund bei lebendigem
Leib zu verbrennen, sollte ich nicht zurückkommen.«
»Mir ist dennoch nicht wohl dabei«, sagte Andrej. »Ich bin
fremd hier. Ich könnte mich verirren.«
»Das glaube ich kaum«, antwortete Thobias. »Darüber hinaus
ist mein Vater viel zu alt, um Euch in die Berge zu folgen. Und
ich wüsste sonst niemanden aus Trentklamm, dem wir vertrauen
könnten.«
»Das Medaillon«, sagte Andrej nach kurzem Überlegen. »Der
Drudenfuß, den jemand in das Weihwasser gelegt hat. Euer
Vater schien zu wissen, wer es war. Ihm können wir sicher
vertrauen.«
»Nein«, rief Thobias entschieden. Nach einem kurzen
Moment hob er die Schultern und fuhr einschränkend fort: »Ich
werde darüber nachdenken.«
Wieder machte er eine längere Pause, dann ergänzte er: »Aber
es wäre gefährlich.«
»Das ist unser ganzes Unternehmen, oder?«
Thobias zog die Brauen zusammen und schwieg.
Kurz nach Sonnenaufgang trafen sie Vater Ludowig bei der
Höhle. Er war nicht allein gekommen, sondern in Begleitung
eines dunkelhaarigen, kräftigen Burschen, den Andrej in
Trentklamm gesehen hatte, und zweier struppiger Hunde, bei
deren Anblick Andrej erstaunt die Lippen verzog. Der eine war
ein ausgemergelter Schäferhund, dessen

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