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Der Todesstoss

Der Todesstoss

Titel: Der Todesstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zu beschreiben war.
Großer Gott - hatte er das Blut… getrunken ?
Er starrte Abu Dun an, las die Antwort auf seine
unausgesprochene Frage in dessen Augen und fuhr herum, um
so schnell in die Dunkelheit zu stürmen, wie er nur konnte.
Selbst einem Menschen, der nicht über Andrejs besondere
Fähigkeiten verfügte, wäre es vermutlich nicht besonders
schwer gefallen, der Spur der Kreatur zu folgen. Die Hochebene
war nicht so kahl, wie es im ersten Moment den Anschein
gehabt hatte. Es gab dünnes Moos und niedrige, dornenbesetzte
Büsche, durch die der flüchtende Werwolf rücksichtslos
gebrochen war. Obwohl sich Andrej nicht erinnern konnte, auch
dieses Geschöpf verwundet zu haben, gab es eine dünne, aber
deutliche Blutspur.
Abu Dun hielt die ganze Zeit Abstand zu Andrej. Die
wenigen Male, als sich ihre Blicke trafen, wich Abu Dun ihm
aus, als hätte er Angst, dass Andrej etwas in seinen Augen lesen
könnte, das er dort nicht lesen sollte.
Sie erreichten ihr Ziel schnell: eine große, unregelmäßig
geformte Höhle, die im schrägen Winkel in den Berg
hineingestanzt zu sein schien.
Steintrümmer und Geröll bildeten einen asymmetrisch
geformten Fächer auf dem Boden direkt vor der Höhle. Ein
leichter, aber sehr unangenehmer Geruch wehte ihnen entgegen
und wies ihnen den Weg. Es war der Geruch von faulendem
Fleisch, Blut, aber auch von etwas anderem, Schlimmeren.
Andrej blieb drei Schritte vor dem Eingang stehen und zog
sein Schwert wieder aus dem Gürtel, bevor er sich zu Abu Dun
umwandte. Der Nubier war vier Schritte hinter ihm stehen
geblieben und musterte ihn auf eine Art, die Andrej einen
Schauer über den Rücken laufen ließ. Auch er hatte seine Waffe
wieder gezogen, aber Andrej war plötzlich nicht mehr sicher,
warum.
»Sie sind dort drin«, sagte er.
Abu Dun nickte. Er sagte nichts.
»Vielleicht wäre es besser, wenn …« Andrej zögerte einen
Moment und setzte dann mit festerer Stimme noch einmal an:
»Vielleicht sollte ich besser allein gehen.«
Abu Dun grinste. »Hast du Angst, ich könnte etwas sehen,
was mir schadet?«, fragte er.
»Vielleicht«, antwortete Andrej ernst.
»Nein«, erwiderte Abu Dun grimmig. »Wir gehen beide dort
hinein oder keiner.« Sein Grinsen wurde breiter und erinnerte
für einen winzigen Moment wieder an den alten Abu Dun, den
Andrej kannte. »Glaubst du, ich habe Lust, mir die nächsten
fünf Jahre die Geschichten deiner ausgedachten Heldentaten
anhören zu müssen? Auch meine Geduld kennt Grenzen,
Hexenmeister.«
»Wie du meinst«, antwortete Andrej, leise und sehr ernst.
»Aber ich warne dich. Wenn eines dieser Ungeheuer dich
verletzt, werde ich dich töten.«
»Wenn ich dadurch so werde wie du, dann würde ich nichts
anderes von dir erwarten«, antwortete Abu Dun, immer noch
grinsend, aber im gleichen ernsten Tonfall wie Andrej. »Und
ich verspreche dir dasselbe«, fügte er leise hinzu.
Dazu ist es zu spät, mein Freund, dachte Andrej bitter. Aber
vielleicht werde ich dieses Versprechen dennoch von dir
einfordern.
Er sah Abu Dun noch einen Moment lang durchdringend in
die Augen, dann wandte er sich um und trat gebückt durch den
niedrigen Höhleneingang. Er hätte es niemals laut
ausgesprochen, aber er war un-endlich froh, Abu Dun bei sich
zu wissen.
Andrej lauschte mit angehaltenem Atem. Da waren
Geräusche, die nicht natürlichen Ursprungs waren, aber sie
waren zu leise und zu weit entfernt, um sie einordnen zu
können.
Er hob die Hand, damit Abu Dun zurückblieb, bis sich seine
Augen an das blasse Licht in der Höhle gewöhnt hatten. Es
dauerte nur wenige Momente, bis sich ihr Inneres in das
gewohnte unheimliche Labyrinth aus grauen und silberfarbenen
Schatten verwandelte und er wenigstens einige Schritte weit
sehen konnte.
»Dort hinten.« Seine Schwertspitze deutete auf einen
unregelmäßig geformten Spalt am hinteren Ende der Höhle, der
tiefer in den Berg hineinführte. Er war sehr schmal. Andrej war
nicht sicher, ob er sich wünschen sollte, dass Abu Dun
hindurchpasste.
Er lauschte einen Moment. Die Geräusche wurden deutlicher,
und er ging mit klopfendem Herzen weiter.
Er hatte Angst. Nicht Angst vor dem Tod. Oder Angst davor,
angegriffen oder verletzt zu werden, sondern Angst vor dem,
was er vielleicht entdecken würde, wenn er durch diesen Spalt
ging.
Das Erste, was er sah, war trübrotes blasses Licht, das hinter
der Biegung eines steil nach unten führenden Ganges flackerte,
in den der Spalt mündete.
An manchen Stellen

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