Der Todeswirbel
Südafrika höre sich so interessant an. In Kapstadt erlitt die Truppe Schif f bruch. Rosaleen hatte dort unten einen Regierungsbea m ten kennen gelernt, der irgendwo in Nigeria seinen Bezirk hatte. Und wie meine Schwester sich stets von den Di n gen treiben lässt, ließ sie sich auch in die Ehe mit dem Herrn aus Nigeria treiben. Nigeria gefiel ihr kein bis s chen, und ich glaube, ich täusche mich nicht, wenn ich sage, dass sie sich auch aus dem Herrn aus Nigeria nicht besonders viel machte. Wäre es ein handfester Bursche gewesen, der ab und zu einen über den Durst getrunken und im Rausch seine Frau verprügelt hätte, wäre vielleicht alles noch gut ausgegangen. Aber dieser Beamte neigte eher zu intellektuellen Interessen. Er schleppte eine Me n ge Bücher mit in die Wildnis und liebte es, sich über M e taphysik zu unterhalten. Also fasste Rosaleen einen En t schluss – sehr vage natürlich wie alles, was sie tut – und fuhr zurück nach Kapstadt. Der Regierungsbeamte b e nahm sich sehr anständig und schickte ihr Geld. Er hätte sich von ihr scheiden lassen können, das wäre das Ei n fachste gewesen, aber er war katholisch; vielleicht kam deshalb eine Scheidung nicht in Frage. Wie dem auch gewesen sein mag: Er starb – sozusagen ein glücklicher Zufall, ist man versucht zu sagen – an Malaria, und Ros a leen erhielt eine kleine Witwenpension. Dann brach der Krieg aus, und sie beschloss, nach Südamerika zu fahren. Südamerika gefiel ihr aber nicht sonderlich, also nahm sie ein anderes Schiff, und auf diesem Schiff lernte sie Go r don Cloade kennen. Sie erzählte ihm, wie traurig ihr L e ben bisher verlaufen war, und sie heirateten. Ein paar Wochen lebten sie glücklich und in Freuden in New Y ork, dann kamen sie heim; kurz darauf traf eine Bombe den armen Gordon, und Rosaleen blieb zurück mit einem Riesenhaus, einer Unmenge herrlicher Schmuckstücke und einem unwahrscheinlich großen Einkommen.«
»Wie erfreulich, dass die Geschichte ein so glückliches Ende hat«, bemerkte Lynn sarkastisch.
»In Anbetracht der Tatsache, dass sie nicht gerade mit überragenden Geistesgaben gesegnet ist, hat Rosaleen bisher unerhörtes Glück gehabt«, fuhr David fort. »Go r don Cloade war ein kräftiger alter Herr. Er war zweiun d sechzig. Bei seiner Konstitution hätte er leicht achtzig oder gar neunzig werden können. Für Rosaleen wäre das nicht sehr heiter gewesen. Sie ist sechsundzwanzig…«
»Sie sieht sogar noch jünger aus«, stellte Lynn fest.
Sie schauten beide zu Rosaleen hinüber, die eing e schüchtert dasaß und nervös Brot zwischen den Fingern zerkrümelte.
»Armes Ding«, entfuhr es Lynn.
David runzelte die Stirn.
»Wozu das Mitleid?«, fragte er scharf. »Ich passe schon auf Rosaleen auf. Und jeder, der es wagt, ihr zu nahe zu kommen, kriegt es mit mir zu tun. Ich weiß, wie man sich zur Wehr setzt. Mir ist Kriegführen geläufig, und meine Waffen sind nicht immer über allen Tadel erhaben.«
»Werde ich jetzt vielleicht das Vergnügen haben, auch Ihre Lebensgeschichte erzählt zu bekommen?«, erkundi g te sich Lynn kühl.
»Eine stark gekürzte Fassung.« David lächelte. »Wie a l len Iren liegt mir das Kämpfen im Blut. Als der Krieg ausbrach, war ich dabei, aber die Geschichte dauerte nicht lange. Ich erwischte eine Verwundung am Bein, und da war’s aus. Ich ging nach Kanada und war dort als Au s bilder tätig. Mit großer Inbrunst war ich, ehrlich gesta n den, nicht bei der Sache, und als ich Rosaleens Tel e gramm bekam, in dem sie mir ihre Heirat ankündigte, nahm ich das nächste Flugzeug nach New York. Rosaleen hatte nichts von dem Geldsegen, der mit der Heirat ve r bunden war, erwähnt, aber ich habe eine gute Nase. J e denfalls gesellte ich mich als Dritter im Bunde zu dem jungen Paar und begleitete die beiden auch nach Lo n don.«
Er lächelte Lynn an, doch Lynn blieb reserviert.
Sie erhob sich mit den anderen. Als sie zum Woh n zimmer hinübergingen, trat Rowley neben sie und fragte:
»Du scheinst dich sehr angeregt mit David Hunter u n terhalten zu haben. Worüber habt ihr denn gesprochen?«
»Ach, über nichts Besonderes«, war Lynns ausweiche n de Antwort.
6
» W ann fahren wir nach London zurück, David? Und wann nach Amerika?«
David Hunter warf seiner Schwester über den Frühstückstisch hinweg einen ü berrasc h ten Blick zu.
»Wozu die Eile? G efällt es dir hier denn nicht?«
Sein Blick umfasste den Raum, während er sprach. Fu r rowbank war auf einem
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