Der Todeswirbel
junge Frau, weil sie, Adela Marchmont, hier in Gordons Salon saß und um Geld winselte. Ich kann es nicht, dac h te sie verzweifelt. Ich bringe es einfach nicht fertig!
Im Bruchteil einer Sekunde flogen die vielen Tage und Nächte qualvoller Überlegungen und bedrückender So r gen an ihr vorüber. Und dann sagte sie, aus Ärger da r über, dass sie hier sitzen und um Geld betteln musste, gereizter, als es ihre Absicht war:
»Es handelt sich um Geld.«
»Geld?«, wiederholte Rosaleen.
Ihr Ton war von naivem Staunen erfüllt, als sei Geld das Letzte, worüber zu hören sie erwartet hatte.
Adela fuhr fort zu reden, und die Worte überstürzten sich.
»Ich habe mein Konto auf der Bank überzogen, und zu Hause liegen unbezahlte Rechnungen – notwendige R e paraturen –, und selbst meinen dringendsten Verpflic h tungen bin ich noch nicht nachgekommen. Es hat sich alles so erschreckend verringert, sogar mein Einkommen, meine ich. Die Steuern fressen alles auf. Und Gordon half uns immer. Mit dem Haus, verstehen Sie? Er hat immer alle Reparaturen bezahlt und das Dach ausbessern und die Wände streichen lassen, und was es eben so gab. Außerdem hat er jedes Vierteljahr der Bank eine gewisse Summe für mich überwiesen. Und immer wieder hat er mich beruhigt, mir keine Sorgen zu machen, und darum habe ich das natürlich auch nie getan. Solange er lebte, war das alles recht schön und gut, aber – «
Adela hielt inne. Sie war zutiefst beschämt, und zugleich fühlte sie sich von einer Zentnerlast befreit. Das Schlimmste war überstanden. Lehnte Rosaleen ab, so lehnte sie eben ab. Es ließ sich nichts daran ändern.
Rosaleen schaute völlig fassungslos drein.
»Ach, du lieber Gott«, stammelte sie hilflos. »Ich hatte ja keine Ahnung… ich werde mit David reden.«
Die Hände um die Stuhllehne gekrampft, stieß Adela verzweifelt hervor: »Könnten Sie mir nicht einen Scheck geben? Jetzt, meine ich, sofort?«
»Doch, natürlich.«
Rosaleen hatte sich von ihrer Verwirrung noch nicht erholt. Sie erhob sich hastig, trat zum Schreibtisch und stöberte in verschiedenen Schubladen, bis sie endlich ein Scheckbuch fand.
»Soll ich… ich meine… wie viel?«
»Wäre es möglich – fünfhundert Pfund?«
»Fünfhundert Pfund«, wiederholte Rosaleen gehorsam und begann zu schreiben.
Wie leicht war das gewesen! Ein Kinderspiel! Bestürzt wurde Adela sich bewusst, dass sie eher Ärger als Dan k barkeit über die Leichtigkeit ihres Sieges empfand.
Rosaleen trat mit dem ausgefüllten Scheck auf Adela zu. Nun war sie die Unsichere. Adela fühlte sich der Situation vollkommen gewachsen.
Sie nahm den Scheck entgegen. Mit kindlicher Schrift war quer über das rosa Papier geschrieben: Mrs Marc h mont. Fünfhundert Pfund. Rosaleen Cloade.
»Das ist sehr lieb von Ihnen, Rosaleen. Vielen Dank.«
»Ach… nicht doch… ich meine… ich hätte von selbst…« Mit dem Scheck in ihrer Handtasche fühlte sich Adela Marchmont wie ein anderer Mensch. Die junge Frau hatte sich wirklich sehr entgegenkommend gezeigt. Die Unterhaltung über Gebühr auszudehnen, war jedoch überflüssig. Es schien Rosaleen nur peinlich zu sein. Ad e la verabschiedete sich und machte sich auf den Heimweg. Draußen vor dem Haus begegnete ihr David. Mit einem freundlichen »guten Morgen«, ging sie an ihm vorüber.
7
» W as wollte diese Marchmont hier?«, erkundigte sich David, sobald er seiner Schwester geg e nüber stand.
»Ach, David, sie brauchte entsetzlich nötig Geld. Ich hätte nie gedacht – «
»Und du hast’s ihr vermutlich gegeben?«
Halb belustigt, halb verzweifelt betrachtete er sie.
»Ich konnte es nicht abschlagen, David. Fünfhundert Pfund.« Zu ihrer Erleichterung lachte David.
»Ach, die Lappalie.«
»Lappalie? Aber David! Das ist doch schrecklich viel Geld!«
»Nicht für unsere heutigen Verhältnisse, Rosaleen. Du hast noch immer nicht begriffen, was für eine reiche Frau du jetzt bist. Aber trotzdem lass dir’s eine Lehre sein. Wenn sie fünfhundert verlangte, wäre sie auch mit zwe i hundertundfünfzig zufrieden gewesen. Du musst die Sprache der Schnorrer erst lernen.«
»Es tut mir Leid, David«, sagte Rosaleen unterwürfig.
»Aber Kind! Schließlich ist’s doch dein Geld.«
»Nein, das ist es nicht.«
»Jetzt fang nicht wieder damit an«, zankte David. »Go r don Cloade starb, bevor er Zeit hatte, ein Testament zu machen. Das nennt man Glück. Auf die Weise haben wir gewonnen und die anderen verloren. Glück und
Weitere Kostenlose Bücher