Der Todeswirbel
und Langeweile empfunden, wagte sich aber nicht einzugest e hen, dass dies vielleicht mit David Hunters Abreise z u sammenhängen könnte. David war eine anregende Pe r sönlichkeit. Das ließ sich nicht bestreiten.
Die Familie ging ihr in diesen Tagen mehr als sonst auf die Nerven. Ihre Mutter war strahlender Laune und hatte erst heute beim Frühstück angekündigt, dass sie nach einem zweiten Gärtner Umschau halte.
»Der arme alte Tom kann es wirklich nicht mehr allein schaffen.«
»Aber wir können es uns nicht leisten!«, hatte Lynn pr o testiert. Doch war dieser Protest auf unfruchtbaren B o den gefallen.
»Gordon wäre entsetzt, würde er unseren Garten s e hen«, war Mrs Marchmonts Antwort gewesen. »Alles war immer so schön in Ordnung, und schau dir einmal an, wie vernachlässigt der Rasen und die Wege und die Beete sind. Nein, Gordon wäre von ganzem Herzen einve r standen damit, dass wir den Garten in Ordnung bringen.«
»Auch, wenn wir uns zu diesem Zweck Geld von seiner Witwe borgen müssen?«
»Ich habe dir doch gesagt, dass Rosaleen sehr nett g e wesen ist. Sie war sehr verständnisvoll. Ich denke, sie hat unseren Standpunkt absolut begriffen. Übrigens habe ich noch einen ganz hübschen Überschuss auf der Bank, obwohl ich alle Rechnungen bezahlt habe. Ich sage dir, Lynn, ein zweiter Gärtner wäre keine Verschwendung, sondern eher Sparsamkeit. Stell dir vor, wie viel Gemüse wir anpflanzen könnten.«
»Du kriegst auf dem Markt mehr Gemüse, als du auf den Tisch bringen kannst, für bedeutend weniger als drei Pfund in der Woche.«
»Ich bin sicher, wir könnten jemand zu einem niedrig e ren Gehalt finden. Es werden jetzt so viele Männer d e mobilisiert, die alle Arbeit suchen.«
»In Warmsley Heath oder Warmsley Vale wirst du kaum solche Arbeitskräfte finden«, wandte Lynn trocken ein.
Obwohl Mrs Marchmont es für diesmal dabei bewe n den ließ, bedrückte Lynn der Gedanke, dass ihre Mutter sich anscheinend darauf eingestellt hatte, Rosaleen als Spenderin regelmäßiger Unterstützungen zu betrachten. Bei solchen Überlegungen wurden Davids spöttische Worte qualvoll lebendig.
Um sich von der schlechten Laune zu befreien, in die das morgendliche Gespräch mit der Mutter sie versetzt hatte, war Lynn zu einem Spaziergang aufgebrochen.
Dass sie ihre Tante Kathie vor der Post traf, trug nicht gerade zur Hebung ihrer gesunkenen Lebensgeister bei. Tante Kathie hingegen befand sich in ihrem Element.
»Ich glaube, meine Liebe, wir werden bald interessante Neuigkeiten hören«, verhieß sie.
»Was willst du damit andeuten?«, erkundigte sich Lynn.
Tante Kathie lächelte, schüttelte viel sagend den Kopf und machte ein überlegenes Gesicht.
»Ich habe erstaunliche Verbindungen bei unserer let z ten Séance gehabt. Wahrhaft erstaunlich. Verbindung mit der Welt der Geister. Alle unsere Sorgen finden ein Ende, Lynn. Einen Dämpfer habe ich erhalten, aber das war am Anfang, und dann hieß es immer wieder: ›Gib’s nicht auf! Gib’s nicht auf!‹ Ich will nicht aus der Schule plaudern, Lynn, und ich bin sicher die letzte, die falsche Hoffnu n gen wecken möchte, aber glaube mir, die Stimmen aus der Geisterwelt trügen nicht, und bald, sehr bald, hat u n ser aller Elend ein Ende. Höchste Zeit wäre es, weiß Gott. Dein Onkel macht mir große Sorgen. Er hat wä h rend der vergangenen Jahre viel zu schwer gearbeitet. Es ist zu viel für ihn; er müsste sich zurückziehen und ganz seinen Studien widmen können. Aber ohne ein festes Einkommen kann er sich das natürlich nicht leisten. Manchmal versagten ihm in den letzten Wochen die Ne r ven. Wirklich, ich mache mir große Sorgen seinetwegen. Er ist zuzeiten so merkwürdig.«
Lynn nickte nachdenklich. Die mit ihrem Onkel vorg e gangene Veränderung war auch ihr aufgefallen. Sie hatte ihn im Verdacht, manchmal zu einer aufputschenden Droge Zuflucht zu nehmen, und fragte sich insgeheim, ob er wohl bis zu einem gewissen Grad süchtig geworden war. Das würde auch den überreizten Zustand seiner Nerven erklärt haben. Ob Tante Kathie etwas vermutete oder gar wusste? Sie war keineswegs so nichtsahnend, wie sie sich manchmal gab.
Auf dem Weg über die Hauptstraße sah Lynn von we i tem ihren Onkel Jeremy sein Haus betreten. Sie b e schleunigte ihren Schritt. Das Verlangen, Warmsley Vale so schnell wie möglich hinter sich zu lassen und die Wi e sen und Hügel außerhalb zu gewinnen, trieb sie voran. Sie hatte sich vorgenommen, während eines
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