Der Todeswirbel
bewegte sich durch das Zimmer, nahm hier etwas auf, legte es ein paar Schritte weiter wieder ab und stand keine Minute still.
»Du bist so entsetzlich rastlos, meine Liebe«, klagte A dela. »Ist etwas los?«
»Was soll denn los sein?« Lynns Ton war scharf.
»Spring mir nicht gleich an die Kehle. Aber, um auf die Brautjungfern zurückzukommen: Ich finde, du solltest unbedingt Joan Macrae bitten. Ihre Mutter war meine beste Freundin, und sie wäre gekränkt, wenn – «
»Aber ich hasse Joan Macrae! Ich konnte sie nie ausst e hen.«
»Ich weiß, Liebste, aber das ist doch nicht so wichtig. Marjorie wäre außer sich – «
»Schließlich ist es doch meine Hochzeit, Mama.«
»Natürlich, Lynn, natürlich, aber ich dachte – «
»Wenn es überhaupt zu einer Hochzeit kommt.«
Die Worte waren ihr entschlüpft, bevor sie sich übe r legte, was sie da sagte. Nun war es zu spät. Sie ließen sich nicht mehr zurücknehmen. Adela Marchmont starrte ihre Tochter fassungslos an.
»Was soll das heißen, Lynn?«
»Ach, nichts, Mama.«
»Du hast dich doch nicht etwa mit Rowley gestritten?«
»Aber nein, Mama, reg dich nicht auf und sieh keine Gespenster. Es ist nichts.«
Doch Adela ließ sich nicht so leicht abspeisen. Sie spü r te den Sturm der widerstreitenden Gefühle, dem ihre Tochter ausgesetzt war.
»An der Seite Rowleys wärst du geborgen und sicher«, bemerkte sie zögernd. »Der Überzeugung war ich i m mer.«
»Wer will schon sicher sein?«, fragte Lynn abweisend. Sie blieb plötzlich stehen und horchte.
»War das das Telefon?«
»Nein. Erwartest du einen Anruf?«
Lynn schüttelte verneinend den Kopf. Wie demütigend es war, auf einen Anruf zu warten! Er hatte gesagt, er würde sie noch heute Abend anrufen. Er musste sein Versprechen halten. Du bist verrückt, schalt sie sich gleich darauf.
Was war es nur, das ihr so gut gefiel an David Hunter? Sein dunkles, unfrohes Gesicht erschien vor ihren Augen. Sie versuchte es zu verscheuchen und sich an seiner Stelle den stets freundlichen, gutmütigen Rowley vorzustellen. Wieder fragte sie sich, ob Rowley sie wirklich liebte. Wie hatte er ihr dann die Bitte abschlagen können, ihr fün f hundert Pfund zu beschaffen? Er hätte sie verstehen müssen, anstatt mit Vernunftsgründen und sachlichen Einwänden zu argumentieren. Wie würde das sein, wenn sie Rowley heiratete, mit ihm auf der Farm lebte, für i m mer und ewig an die gleiche Scholle gebunden; nie mehr fremde Länder sehen, nie mehr fremden Menschen b e gegnen, nie mehr eine fremde Atmosphäre erleben, nie mehr Freiheit in vollen Zügen genießen…
Das Telefon schrillte.
Lynn holte tief Atem, dann ging sie quer durch die Ha l le und nahm den Hörer ab.
Wie ein unerwarteter heftiger Schlag traf der Klang von Tante Kathies Stimme ihr Ohr.
»Bist du’s, Lynn? Ach, bin ich froh, dass du da bist. Ich weiß gar nicht, was ich machen soll. Ich glaube, ich habe wegen der Versammlung im Institut ein unverzeihliches Durcheinander angerichtet. Nämlich – « Und die Stimme plätscherte ohne Pause fort.
Lynn hörte zu, warf die von ihr erwarteten Bemerku n gen ein, redete zu, nahm höflich überschwänglichen Dank entgegen.
»Ich begreife gar nicht, was das ist«, fuhr Tante Kathie fort. »Jedes Mal, wenn ich etwas organisiere, kommt ein Durcheinander heraus.«
Lynn begriff es ebenso wenig, aber eines stand fest: Zum Durcheinanderbringen selbst der einfachsten Dinge besaß Tante Kathie eine geradezu geniale Begabung.
»Und mein Pech ist, dass immer alles Unangenehme z u sammentrifft. Unser Telefon ist kaputt, und ich musste zu einer Telefonzelle gehen. Und wie ich meine Tasche au f mache, sehe ich, dass ich keine Münzen habe. Ich musste erst jemanden fragen, ob er mir vielleicht wechseln kön n te…«
Es folgte eine lange Geschichte all der Nöte, die Tante Kathie hatte durchstehen müssen. Endlich konnte Lynn den Hörer wieder auflegen. Langsam kehrte sie ins Wohnzimmer zurück.
»War das –?«, begann Mrs Marchmont forschend, brach jedoch dann ab.
»Tante Kathie«, gab Lynn müde Auskunft.
»Was wollte sie denn?«
»Ach, ihr Leid klagen wie üblich. Sie hat wieder irgen d etwas durcheinander gebracht und weiß sich keinen Rat.«
Lynn nahm ein Buch zur Hand und setzte sich. Ve r stohlen blickte sie auf die Uhr. Es würde kein Anruf mehr kommen. Doch fünf Minuten nach elf Uhr läutete das Telefon. Ohne jede Eile begab sie sich in die Halle. Vermutlich war es wieder Tante Kathie.
»Ist dort
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