Der Todeswirbel
Schluchzer.
»Dies im Dunklen tappen macht mich verrückt.« U n vermittelt drehte er sich zu seiner Schwester um. »Hast du die Smaragde in die Bond Street zu Greatorix g e bracht?«
»Ja.«
»Und wie viel?«
»Viertausend. Viertausend Pfund. Er hat gesagt, falls ich sie nicht verkaufe, müssten sie neu versichert werden.«
»Ja, Edelsteine sind im Wert gestiegen. Wenn’s sein muss, können wir natürlich das Geld auftreiben. Aber wenn wir zahlen, ist das ja nur der Anfang, Rosaleen. Es bedeutet, dass man uns aussaugen wird, buchstäblich aussaugen bis auf den letzten Heller.«
»Können wir denn nicht einfach wegfahren, David? Nach Irland oder nach Amerika, irgendwohin?«, weinte Rosaleen.
»Du bist keine Kämpfernatur, Rosaleen. Mach dich aus dem Staube, sobald es brenzlig wird, das ist dein Motto.«
»Ach nein, aber das alles ist schrecklich, und wir sind im Unrecht. Von Anfang an. Es war schlecht von uns«, jammerte sie.
»Hör auf mit dem moralischen Getue«, fuhr David sie an. »Wir saßen schön drin im warmen Nest. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich in einem warmen Nest gesessen, und ich denke nicht dran, mich so mir nichts, dir nichts hinauswerfen zu lassen. Wenn nur diese Ung e wissheit nicht wäre! Wenn man wüsste… Begreifst du denn nicht, dass die ganze Geschichte ein Bluff sein könnte? Ein billiger Bluff, und wir kriechen zitternd und zagend gleich auf den Leim. Wer weiß… Underhay liegt vielleicht, wahrscheinlich sogar, irgendwo in Afrika frie d lich begraben, so wie wir’s immer angenommen haben.«
Ein Schaudern überlief Rosaleen.
»Nicht, David, sag nicht so etwas«, bat sie.
Er blickte ungeduldig zu ihr hinüber, als er jedoch ihre vor Angst geweiteten Augen sah, beherrschte er sich. Er kam zu ihr, setzte sich neben sie und nahm ihre kalten Hände in seine.
»Mach dir keine Sorgen, Rosaleen«, sagte er tröstend. »Ich werde schon alles ins Reine bringen. Tu nur, was ich dir sage. Das kannst du doch, nicht wahr?«
»Das tue ich doch immer, David.«
Er lachte.
»Ja, Schwesterchen, das tust du immer. Lass mich nur machen. Wir werden uns schon zu helfen wissen. Mr Enoch Arden wird sich an mir noch die Zähne ausbe i ßen.«
»Gibt es nicht ein Gedicht, David, das von einem Mann handelt, der zurückkommt und – «
»Ja«, unterbrach er sie. »Das macht mir ja eben Sorgen. Aber ich werde der Sache schon auf den Grund ko m men.«
»Und Dienstagabend bringst du ihm – das Geld?«
Er nickte.
»Ja. Aber nur fünftausend. Ich werde ihm erklären, dass ich unmöglich auf einmal die ganze Summe auftreiben konnte. Auf alle Fälle muss ich ihn daran hindern, zu den Cloades zu laufen. Ich glaube, es war eine leere Drohung, aber ich bin nicht sicher.«
Er hielt inne und lehnte sich zurück. In seine Augen trat ein nachdenklicher Ausdruck. Die Gedanken hinter seiner Stirn arbeiteten, erwogen Möglichkeiten, maßen ab und trafen Entscheidungen.
Und dann lachte er plötzlich. Es war ein unvermitteltes, heiteres und unbekümmertes Lachen. Es war das Lachen eines Mannes, der zur Tat schreitet und den nichts von einem gefährlichen Unternehmen abhalten kann. Trotz lag darin und zugleich Genugtuung.
»Ich kann mich auf dich verlassen, Rosaleen«, sagte er. »Gott sei Dank kann ich mich auf dich verlassen.«
»Auf mich verlassen?« Rosaleen sah ihn verständnislos an. »In welcher Beziehung?«
»Dass du dich genau an meine Anweisungen hältst und handelst, wie ich es dir gesagt habe. Absolute Zuverlä s sigkeit und Genauigkeit, Rosaleen, ist bei allen strateg i schen Operationen der Faktor, von dem der Erfolg a b hängt, glaube mir.« Er lachte. »Operation Enoch Arden.«
12
M it einigem Erstaunen betrachtete Rowley das lila Kuvert in seiner Hand. Wer von seinen Bekannten besaß solches Briefpapier? Und wo war es in der heutigen Zeit überhaupt zu h a ben? Der Krieg hatte mit Erzeugnissen dieser Art mehr oder wen i ger aufgeräumt.
Lieber Mr Rowley,
entschuldigen Sie, dass ich mich auf diese Weise an Sie wende, aber ich hoffe, Sie werden meine Kühnheit entschuldigen, wenn Sie hören, was ich Ihnen mitzuteilen habe. Es gehen Dinge vor, von denen Sie unbedingt unterrichtet sein müssen.
Rowley unterbrach die Lektüre, um einen verständnisl o sen Blick auf die Unterschrift zu werfen.
Ich knüpfe an unser Gespräch von vor einigen Tagen an, als Sie sich nach einer gewissen Person erkundigten. Wenn es Ihnen mö g lich wäre, im »Hirschen« vorbeizukommen,
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