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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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schaute sie an. Sogleich stiegen ihm große
    Tränen in die Augen.
    »Sie sind leidend, Herr Goujet?« murmelte sie.
    »Bitte sagen Sie mir, was haben Sie denn?«
    »Nichts, danke. Ich habe mich gestern zu sehr
    überanstrengt. Ich will ein bißchen schlafen.«
    Dann brach ihm das Herz, und er konnte den
    Aufschrei nicht zurückhalten: »Ach, mein
    Gott, mein Gott! Das durfte niemals sein,
    niemals! Sie hatten es geschworen. Und nun
    ist's geschehen, nun ist's geschehen! – Ach,
    mein Gott! Das tut mir zu weh, gehen Sie!«
    Und mit der Hand schickte er sie mit flehender
    Sanftmut fort.
    Sie trat nicht an das Bett heran; stumpfsinnig,
    weil sie ihm nichts zu sagen hatte, um ihm
    Erleichterung zu verschaffen, ging sie, wie er
    es verlangte. Im Nebenzimmer nahm sie ihren
    Korb wieder auf; sie ging noch immer nicht
    hinaus, sie hätte gern ein passendes Wort
    gefunden.
    Frau Goujet setzte ihr Ausbessern fort, ohne
    den Kopf zu heben. Sie war es, die schließlich
    sagte:
    »Also, guten Abend, schicken Sie mir meine
    Wäsche zurück, wir rechnen später ab.«
    »Ja, es ist recht, guten Abend«, stammelte
    Gervaise.
    Langsam schloß sie die Tür wieder, mit einem
    letzten kurzen Blick auf diesen sauberen,
    ordentlichen Haushalt, in dem sie etwas von
    ihrer Ehrbarkeit zurückließ, wie ihr schien. Sie
    kehrte in den Laden zurück und sah dumm aus
    wie eine Kuh, die nach Hause geht, ohne sich
    Sorgen über den Weg zu machen. Mama
    Coupeau, die auf einem Stuhl neben der
    Maschine saß, hatte zum ersten Mal das Bett
    verlassen. Aber die Wäscherin machte ihr
    nicht einmal einen Vorwurf; sie war zu
    ermattet, ihre Knochen krank, als sei sie
    geschlagen worden. Sie dachte, das Leben sei
    am Ende doch zu schwer, und wenn man nicht
    sofort verrecke, könne man sich doch nicht
    selber das Herz herausreißen.
    Nun pfiff Gervaise auf alles. Sie machte eine
    unbestimmte Handbewegung, um die Leute
    zum Teufel zu schicken. Bei jedem neuen
    Verdruß vertiefte sie sich in das einzige
    Vergnügen, ihre drei Mahlzeiten täglich zu
    halten. Der Laden hätte einstürzen können;
    vorausgesetzt, daß er sie nicht unter sich
    begrub, wäre sie gern auf und davon
    gegangen, ohne auch nur ein Hemd
    mitzunehmen. Und der Laden stürzte ein, nicht
    auf einen Schlag, sondern morgens und abends
    ein bißchen. Einer nach dem anderen wurden
    die Kunden ärgerlich und brachten ihre
    Wäsche woandershin. Herr Madinier, Fräulein
    Remanjou und sogar Boches waren zu Frau
    Fauconnier zurückgekehrt, wo sie mehr
    Pünktlichkeit vorfanden. Man bekam es
    schließlich satt, ein Paar Strümpfe drei
    Wochen lang zurückzufordern und Hemden
    mit den Fettflecken vom vorigen Sonntag
    wieder anzuziehen. Ohne sich beim Essen
    stören zu lassen, schrie ihnen Gervaise »Gute
    Reise« zu und versetzte ihnen gehörig eins,
    indem sie sagte, sie sei hübsch froh, nicht
    mehr in ihrem stinkenden Zeug herumwühlen
    zu müssen. Ach ja, das ganze Viertel könne
    von ihr wegbleiben, da würde sie einen
    schönen Haufen Unrat los; außerdem wäre das
    immerhin etwas Arbeit weniger. Vorläufig
    behielt sie nur noch die schlechten
    Zahlerinnen, die Dirnen, Weiber wie Frau
    Gaudron, deren Wäsche keine Wäscherin in
    der Rue Neuve de la Goutted'Or waschen
    wollte, so stank sie. Der Laden, der war
    verloren, sie hatte ihre letzte Arbeiterin, Frau
    Putois, entlassen müssen; sie blieb allein mit
    ihrem Lehrmädchen, dieser Schielliese
    Augustine, die immer dümmer wurde, je
    größer sie wurde. Und auch sie beide hatten
    noch nicht immer Arbeit, ganze Nachmittage
    lang schleppte sie ihren Hintern auf den
    Hockern herum. Kurzum, ein völliges
    Versinken. Es roch nach Verfall.
    Je mehr Faulheit und Elend einzogen, desto
    mehr zog natürlich auch die Unsauberkeit ein.
    Man hätte diesen schönen himmelblauen
    Laden nicht wiedererkannt, der einst Gervaises
    Stolz gewesen. Die Holzverkleidungen und die
    Scheiben des Schaufensters, die man
    abzuwaschen vergaß, blieben von oben bis
    unten vom Kot der Wagen bespritzt. Auf den
    Brettern an der Messingstange machten sich
    drei graue Lumpen breit, die von im Hospital
    verstorbenen Kundinnen zurückgelassen
    worden waren. Und im Innern war es noch
    erbärmlicher: die Feuchtigkeit der unter der
    Decke trocknenden Wäsche hatte die Tapete
    losgelöst; die im Stil der Pompadourzeit
    bemalte Leinwand breitete ihre Fetzen aus, die
    gleich

    staubschweren

    Spinnweben
    herabhingen; die zersprungene, von Stößen mit
    dem Feuerhaken durchlöcherte

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