Der Todschlaeger
Servietten, ein Tischtuch,
Wischtücher ... Sie machen sich wohl über
mich lustig? Ich habe Ihnen sagen lassen, Sie
möchten mir alles zurückgeben, gebügelt oder
nicht. Wenn Ihr Lehrmädchen nicht in einer
Stunde mit dem Rest hier ist, überwerfen wir
uns, Madame Coupeau, darauf mache ich Sie
aufmerksam.«
In diesem Augenblick hustete Goujet in seiner
Stube.
Gervaise fuhr leicht zusammen. Wie man sie
vor ihm behandelte, mein Gott! Und sie blieb
verlegen und verwirrt in der Mitte des
Zimmers stehen und wartete auf die
schmutzige Wäsche.
Aber nachdem Frau Goujet aufgehört hatte
nachzuzählen, hatte sie ruhig ihren Platz am
Fenster wieder eingenommen und arbeitete an
der Ausbesserung eines Spitzenschals.
»Und die Wäsche?« fragte die Wäscherin
schüchtern.
»Nein, danke«, erwiderte die alte Frau, »diese
Woche ist nichts da.«
Gervaise wurde blaß. Man entzog ihr die
Kundschaft. Da verlor sie völlig den Kopf, Sie
mußte sich auf einen Stuhl setzen, weil die
Beine unter ihr wegglitten. Und sie suchte sich
nicht zu verteidigen, ihr fiel allein der Satz ein:
»Herr Goujet ist wohl krank?«
Ja, er sei leidend; statt zur Schmiede zu gehen,
habe er heimkommen müssen, und er habe
sich gerade auf sein Bett ausgestreckt, um sich
auszuruhen. Frau Goujet sprach ernst; sie hatte
ein schwarzes Kleid an wie immer, das weiße
Gesicht war in ihre Nonnenhaube eingerahmt.
Man habe den Tagelohn der Bolzenarbeiter
abermals herabgesetzt; er sei von neun auf
sieben Francs gefallen wegen der Maschinen,
die nun die ganze Arbeit verrichteten. Und sie
erklärte, daß sie an allem sparten; sie wolle
ihre Wäsche wieder selber waschen. Natürlich
hätte es sich gut getroffen, wenn die Coupeaus
ihr das von ihrem Sohn geliehene Geld
zurückgegeben hätten. Aber sie würde ihnen
bestimmt nicht die Gerichtsvollzieher
schicken, da sie ja doch nicht zahlen konnten.
Seitdem sie von der Schuld sprach, schien
Gervaise mit gesenktem Kopf das flinke Spiel
ihrer Nadel zu verfolgen, die die Maschen eine
nach der anderen neu bildete. »Dennoch«, fuhr
die Spitzenklöpplerin fort, »könnten Sie es
schaffen, die Schulden zu begleichen, wenn
Sie sich ein bißchen einschränkten. Denn
schließlich essen Sie sehr gut, Sie geben viel
aus, dessen bin ich gewiß ... Wenn Sie uns
jeden Monat bloß zehn Francs geben
würden ...«
Sie wurde von Goujets Stimme unterbrochen,
die nach ihr rief:
»Mama! Mama!«
Und als sie zurückkam und sich setzte,
wechselte sie fast sofort das Gespräch.
Zweifellos hatte der Schmied sie angefleht,
kein Geld von Gervaise zu verlangen. Aber
unwillkürlich sprach sie nach fünf Minuten
erneut von der Schuld. Oh, sie habe
vorausgesehen, was eintreffe, der
Bauklempner vertrinke den Laden, und er
werde seine Frau noch weit bringen. Ihr Sohn
hätte auch niemals die fünfhundert Francs
verliehen, wenn er auf sie gehört hätte. Heute
wäre er verheiratet und würde nicht vor
Trübsinn umkommen und nicht die Aussicht
haben, sein ganzes Leben unglücklich zu sein.
Sie erregte sich, sie wurde sehr schroff und
beschuldigte Gervaise deutlich, mit Coupeau
unter einer Decke zu stecken, um ihr Kind,
diesen Dummkopf, auszunutzen. Ja, es gäbe
Frauen, die jahrelang die Heuchlerin spielten
und deren schlechter Lebenswandel schließlich
doch ans Tageslicht käme.
»Mama! Mama!« rief Goujets Stimme noch
heftiger ein zweites Mal.
Sie erhob sich, und als sie wieder erschien,
sagte sie, während sie sich wieder an ihre
Spitze machte:
»Gehen Sie hinein, er will Sie sehen.«
Zitternd ließ Gervaise die Tür offen. Diese
Szene regte sie auf, weil es vor Frau Goujet
gleichsam ein Geständnis ihrer gegenseitigen
zärtlichen Zuneigung war. Sie fand das ruhige,
mit Bildern tapezierte Stübchen mit seinem
schmalen eisernen Bett wieder, dieses
Stübchen, das dem eines fünfzehnjährigen
Knaben glich. Goujet, dieser große Kerl, dem
durch Mama Coupeaus vertrauliche Mitteilung
die Glieder wie zerschlagen waren, lag
ausgestreckt auf dem Bett, die Augen waren
gerötet, der schöne gelbe Bart noch feucht. Er
mußte im ersten Augenblick der Wut mit
seinen furchtbaren Fäusten sein Kopfkissen
zerwalkt haben, denn das aufgerissene Linnen
ließ die Federn herausfließen.
»Hören Sie, Mama hat unrecht«, sagte er mit
fast leiser Stimme zu der Wäscherin. »Sie
schulden mir nichts, ich will nicht, daß davon
gesprochen wird.« Er hatte sich aufgerichtet,
er
Weitere Kostenlose Bücher