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Der Todschlaeger

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Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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der Wäsche,
    gebügelt oder nicht, zu sprechen; und sie war
    so angeregt, daß Gervaise das Geklatsche
    witterte, den traurigen Auftritt und das
    Herzeleid voraussah, von dem sie sich bedroht
    fühlte.
    Sie war ganz blaß, ihre Glieder im voraus wie
    zerschlagen, als sie die Wäsche in einen Korb
    legte und aufbrach. Seit Jahren hatte sie den
    Goujets nicht einen Sou zurückgegeben. Die
    Schuld

    betrug

    immer

    noch
    vierhundertfünfundzwanzig Francs. Jedesmal
    nahm sie das Geld für die Wäsche, wobei sie
    von ihrer bedrängten Lage sprach. Es war sehr
    beschämend für sie, weil es so aussah, als
    nutze sie die Freundschaft des Schmiedes dazu
    aus, um ihn reinzulegen. Coupeau, der nun
    weniger Skrupel hatte, grinste und sagte,
    Goujet werde sie wohl schon in den Ecken in
    die Taille gekniffen haben, und damit sei er
    bezahlt. Aber trotz des Verhältnisses mit
    Lantier, in das sie hineingeraten war, empörte
    sie sich und fragte ihren Mann, ob er schon
    von solchem Brot essen wolle. Man durfte in
    ihrer Gegenwart nicht schlecht über Goujet
    sprechen; ihre zärtliche Zuneigung zu dem
    Schmied verblieb ihr wie ein Fleckchen ihrer
    Ehre. So wurde sie denn auch jedesmal, wenn
    sie die Wäsche zu diesen braven Leuten
    zurückschaffte, gleich auf der ersten
    Treppenstufe von einer Herzbeklemmung
    befallen.
    »Aha, Sie sind es endlich«, sagte Frau Goujet
    trocken zu ihr, als sie ihr die Tür öffnete.
    »Wenn ich den Tod mal brauche, werde ich
    Sie schicken, ihn zu holen.«
    Verlegen, ohne es auch nur zu wagen, eine
    Entschuldigung zu stammeln, trat Gervaise
    ein. Sie war nicht mehr pünktlich, kam nie zur
    festgesetzten Stunde und ließ an die acht Tage
    auf sich warten. Nach und nach ließ sie sich in
    großer Unordnung gehen.
    »Seit einer Woche rechne ich nun schon mit
    Ihnen«, fuhr die Spitzenklöpplerin fort. »Und
    dabei lügen Sie noch, Sie schicken mir Ihr
    Lehrmädchen her, daß es mir Geschichten
    erzählt: man sei mit meiner Wäsche
    beschäftigt, man werde sie mir noch am Abend
    liefern, oder auch, es sei ein Mißgeschick
    passiert, und das Bündel sei in einen Eimer
    gefallen. Ich verliere während dieser Zeit
    meinen Arbeitstag, ich sehe nichts ankommen
    und zermartere mir den Verstand. Nein, Sie
    sind unvernünftig ... Nun, was haben Sie in
    dem Korb da? Ist es wenigstens alles? Bringen
    Sie mir das Paar Bettücher mit, das Sie mir seit
    einem Monat vorenthalten, und das Hemd, das
    bei der letzten Wäsche zurückgeblieben ist?«
    »Ja, ja«, murmelte Gervaise, »das Hemd ist
    dabei, hier ist es.«
    Doch Frau Goujet erhob laut Einspruch.
    Dieses Hemd gehöre ihr nicht, sie wolle es
    nicht haben. Man vertausche ihr die Wäsche,
    das sei die Höhe! Schon in der anderen Woche
    habe sie zwei Taschentücher bekommen, die
    nicht ihr Zeichen trugen. Das sei für sie nicht
    gerade appetitlich, Wäsche, die wer weiß
    woher stamme. Außerdem lege sie schließlich
    Wert auf ihre Sachen.
    »Und die Bettücher?« fing sie wieder an. »Sie
    sind abhanden gekommen, nicht wahr? – Also,
    meine Liebe, Sie müssen sehen, wie Sie
    zurechtkommen, aber ich will sie trotzdem
    morgen früh haben, verstehen Sie!«
    Es trat Schweigen ein. Gervaise wurde
    vollends dadurch verwirrt, daß sie fühlte, wie
    die Tür zu Goujets Zimmer hinter ihr halb
    offenstand. Der Schmied mußte dasein, sie
    erriet es; und wie ärgerlich, wenn er alle diese
    verdienten Vorwürfe mit anhörte, auf die sie
    nichts erwidern konnte! Sie wurde sehr
    fügsam, sehr sanft, beugte den Kopf und legte
    die Wäsche so rasch wie möglich aufs Bett.
    Aber es wurde noch schlimmer, als Frau
    Goujet die Stücke einzeln zu prüfen begann.
    Sie nahm sie auf, warf sie wieder hin und
    sagte:
    »Oh, Sie verlieren ganz schön Ihre geschickte
    Hand. Man darf Ihnen nicht mehr alle Tage
    Komplimente machen ... Ja, Sie schludern, Sie
    pfuschen jetzt mit der Arbeit ... Da, sehen Sie
    sich diesen Hemdeneinsatz an, er ist versengt,
    das Eisen hat sich auf den Falten abgezeichnet.
    Und die Knöpfe, sie sind alle abgerissen. Ich
    weiß nicht, wie Sie das anstellen, es bleibt nie
    ein Knopf dran ... Oh, du meine Güte, da ist
    eine Unterjacke, die ich Ihnen nicht bezahlen
    werde. Sehen Sie doch das hier! Der Schmutz
    ist ja noch dran, Sie haben ihn einfach verteilt.
    Danke schön! Wenn die Wäsche nicht mal
    mehr sauber ist ...« Sie hielt inne und zählte
    die Stücke. Dann rief sie aus: »Wie? Das ist
    alles, was Sie bringen? – Es fehlen zwei Paar
    Strümpfe, sechs

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