Der Todschlaeger
und
leicht verdauliche Dinge. Seitdem er die
Hausherrin mit dem Ehemann teilte,
betrachtete er sich ganz und gar als mit der
Hälfte am Hausstand beteiligt; er sammelte die
herumliegenden Zwanzigsousstücke ein,
wickelte Gervaise um den Finger, murrte,
brüllte, schien hier heimischer zu sein als der
Bauklempner. Kurzum, es war eine Bude, die
zwei Chefs hatte. Und der Gelegenheitschef,
der gewitzter war, zog die Bettdecke an sich
und nahm von allem das Beste, von der Frau,
vom Tisch und vom übrigen. Er sahnte die
Coupeaus ab, jawohl! Er genierte sich nicht
mehr, in aller Öffentlichkeit den Rahm
abzuschöpfen. Nana blieb sein Liebling, weil
er nette kleine Mädchen gern hatte. Um
Etienne kümmerte er sich immer weniger, die
Jungen mußten sich seiner Meinung nach zu
helfen wissen. Kam jemand und fragte nach
Coupeau, so traf man Lantier stets in
Pantoffeln und in Hemdsärmeln dort an, er
kam aus der Ladenstube heraus mit dem
verdrossenen Gesicht eines Ehemannes, der
gestört wird; er antwortete für Coupeau und
sagte, das sei dasselbe.
Zwischen diesen beiden feinen Herren hatte
Gervaise nicht alle Tage was zum Lachen.
Über ihre Gesundheit brauchte sie sich Gott
sei Dank nicht zu beklagen. Auch sie wurde zu
fett. Aber zwei Männer auf dem Hals zu
haben, die zu umsorgen und zufriedenzustellen
waren, das überstieg oft ihre Kräfte. Ach du
lieber Gott, ein einziger Ehemann schindet
einen schon genug! Das schlimmste war, daß
sich diese Kerle sehr gut verstanden. Nie
stritten sie sich; die Ellbogen auf die
Tischkante gestützt, feixten sie einander
abends nach dem Essen ins Gesicht; den
ganzen Tag rieben sie sich aneinander wie
Katzen, die ihr Vergnügen suchen und pflegen.
An den Tagen, an denen sie wütend
heimkamen, fielen sie über Gervaise her. Los!
Haut ruhig auf sie ein! Sie hatte einen breiten
Rücken; sie wurden noch bessere Kumpels,
wenn sie zusammen brüllten. Und sie durfte
sich nicht etwa unterstehen, trotzig zu
antworten. Anfangs flehte sie, wenn einer
schrie, den anderen mit verstohlenen Blicken
an, um ihm ein gutes und freundschaftliches
Wort zu entlocken. Bloß gelang ihr dies nicht
oft. Jetzt gab sie klein bei und beugte ihre
großen Schultern, weil sie begriffen hatte, daß
sie ihren Spaß daran hatten, sie
herumzustoßen, so rund war sie, eine richtige
Kugel. Coupeau, der ein sehr loses Maul hatte,
schimpfte sie mit abscheulichen Worten aus.
Lantier dagegen wählte seine Flegeleien und
suchte nach Worten, die niemand sagt und die
sie noch mehr kränkten. Glücklicherweise
gewöhnt man sich an alles; die bösen Reden,
die Ungerechtigkeiten der beiden Männer
glitten schließlich an ihrer zarten Haut ab wie
an einem Wachstuch. Sie war sogar dahin
gelangt, daß ihr die beiden zornig lieber
waren, denn wenn sie nett taten, belästigten sie
sie noch mehr, waren immer hinter ihr her und
ließen sie keine Haube mehr in Ruhe bügeln.
Dann verlangten sie leckere Gerichte von ihr,
sie mußte sie salzen und nicht salzen, mußte
bald schwarz, bald weiß sagen, mußte sie
umhätscheln, sie einen nach dem anderen in
Watte packen. Nach Verlauf einer Woche
waren ihr Kopf und Glieder wie zerschlagen,
sie wurde stumpfsinnig, hatte Augen wie eine
Irre. Ein solches Gewerbe, das reibt eine Frau
auf.
Ja, Coupeau und Lantier rieben sie auf, das
war das richtige Wort; sie brannten sie an
beiden Enden an, wie man von der Kerze sagt.
Sicherndem Bauklempner fehlte es an
Bildung; der Hutmacher aber hatte zuviel, oder
wenigstens hatte er eine Bildung, wie
unsaubere Leute ein weißes Hemd mit Dreck
darunter haben. Eines Nachts träumte sie, sie
stünde am Rande eines Brunnens; Coupeau
stieß sie mit einem Faustschlag, während
Lantier sie im Kreuz kitzelte, um sie schneller
reinspringen zu lassen. Nun ja, dies glich
ihrem Leben. Ach, sie machte eine gute Schule
durch, es war kein Wunder, wenn sie träge
wurde. Die Leute im Viertel zeigten sich nicht
gerade gerecht, wenn sie ihr die häßlichen
Manieren vorwarfen, die sie annahm, denn ihr
Unglück rührte nicht von ihr her. Wenn sie
nachdachte, lief ihr zuweilen ein Schauer über
die Haut. Dann dachte sie, die Dinge hätten
eine noch schlimmere Wendung nehmen
können. Es war zum Beispiel besser, zwei
Männer zu haben, als beide Arme zu verlieren.
Und sie fand ihre Lage natürlich, eine Lage,
wie es deren so viele gibt; sie bemühte sich,
darin ein bißchen Glück für sich zu
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