Der Todschlaeger
Maschine
wirkte in ihrer Ecke wie der Bruch alten
Gußeisens von einem Trödler; der Werktisch
schien einer ganzen Garnison als Tafel gedient
zu haben, war mit Kaffee und Wein befleckt,
mit Eingemachtem bekleistert und fettig von
den Schmausereien am Montag. Dazu ein
säuerlicher Stärkegeruch, ein Gestank, der von
Schimmel, angebranntem Fett und Dreck
hervorgerufen wurde. Aber Gervaise fühlte
sich darin sehr wohl. Sie hatte nicht
wahrgenommen, wie der Laden verdreckte; sie
ließ sich gehen in ihm und gewöhnte sich an
die zerfetzte Tapete, an die schmierigen
Holzverkleidungen, wie sie auch dahin
gelangte, zerschlitzte Röcke zu tragen und sich
die Ohren nicht mehr zu waschen. Sogar der
Schmutz war ein warmes Nest, darin
zusammenzukauern ein Genuß für sie war. Die
Dinge in heillosem Durcheinander lassen,
warten, bis der Staub die Löcher zustopfte und
überall Samt hinlegte, fühlen, wie das Haus
um sie her träge wurde in nichtstuerischem
Benommensein, das war eine wahre Wollust,
an der sie sich berauschte. Zuerst ihre Ruhe;
um das übrige scherte sie sich den Teufel. Ihre
Schulden, die doch immer noch anwuchsen,
quälten sie nicht mehr. Sie verlor an
Redlichkeit; man würde bezahlen oder nicht
bezahlen, die Sache blieb unbestimmt, und es
war ihr lieber, nicht Bescheid zu wissen.
Sperrte man ihr in einem Hause den Kredit, so
nahm sie im Nebenhaus einen neuen auf. Sie
rannte, daß die Funken stoben, durch das
Viertel, alle zehn Schritte hatte sie Schulden.
Allein schon in der Rue de la Goutted'Or
wagte sie nicht mehr beim Kohlenhändler,
beim Kaufmann und bei der Obsthändlerin
vorbeizugehen, was sie veranlaßte, den
Umweg durch die Rue des Poissonniers zu
machen, wenn sie zum Waschhaus ging, eine
Strecke von gut zehn Minuten. Die Lieferanten
kamen und schimpften sie eine Schurkin.
Eines Abends wiegelte der Mann, der ihr die
Möbel für Lantier verkauft hatte, die Nachbarn
auf; er brüllte, er werde ihr die Röcke
hochheben und sich an der dummen Person
schadlos halten, wenn sie ihm sein Geld nicht
verabfolge. Sicher, nach solchen Auftritten
zitterte sie; nur schüttelte sie sich wie ein
geprügelter Hund, und es war vorbei, sie aß
deswegen abends nicht schlechter. Solche
unverschämten Kerle, die sie anödeten! Sie
hatte gar kein Geld, sie konnte doch nicht etwa
welches herstellen! Außerdem betrogen die
Händler genug, sie waren dazu da, um zu
warten. Und sie schlief in ihrem Loch wieder
ein und vermied es, an das zu denken, was
notwendigerweise eines Tages eintreten
mußte. Sie würde über die Klinge springen,
bei Gott, aber bis dahin wünschte sie nicht
geärgert zu werden.
Indessen
war
Mama
Coupeau
wiederhergestellt. Ein Jahr lang fristete der
Haushalt noch sein Leben. Im Sommer gab es
natürlich immer ein bißchen mehr Arbeit: die
weißen Unterröcke und die Perkalkleider der
Bummlerinnen vom äußeren Boulevard. Auf
ein langsames Verkommen lief das hinaus,
jede Woche die Nase tiefer im Dreck, mit
Höhen und Tiefen jedoch, mit Abenden, an
denen man sich vor dem leeren
Küchenschrank den Bauch rieb, und mit
anderen Abenden, an denen man bis zum
Platzen Kalbfleisch aß. Auf den Bürgersteigen
war nur noch Mama Coupeau zu sehen, die
Pakete unter ihrer Schürze verbarg und im
Spaziergängerschritt zum Leihhaus in der Rue
Polonceau ging. Sie krümmte den Rücken und
hatte
den
versunkenen
und
feinschmeckerischen Gesichtsausdruck einer
Frömmlerin, die zur Messe geht, denn sie
verabscheute das nicht, die Geldgeschichten
machten ihr Spaß, diese Schachereien einer
Händlerin mit alten Modegegenständen
kitzelten ihre Leidenschaften einer alten
Klatschbase. Die Angestellten in der Rue
Polonceau kannten sie gut; sie nannten sie
»Mutter Vier Francs«, weil sie immer vier
Francs verlangte, wenn sie drei boten für ihre
Pakete, die so groß waren wie für zwei Sous
Butter. Gervaise hätte das ganze Haus
verschleudern mögen; die Verpfändungssucht
war über sie gekommen, sie hätte sich den
Kopf geschoren, wenn man ihr auf ihr Haar
etwas hätte leihen wollen. Es war zu bequem,
man konnte nicht umhin, dort Kleingeld zu
holen, wenn man auf ein Vierpfundbrot
wartete. Die ganzen Habseligkeiten gingen
drauf, die Wäsche, die Kleidungsstücke, ja
sogar das Handwerkszeug und die Möbel.
Anfangs machte sie sich die guten Wochen
zunutze, um die Sachen auszulösen, auf die
Gefahr hin, sie in der nächsten Woche
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