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Der Todschlaeger

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Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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etwa, daß sie
    mehr Freundschaft für den Hutmacher
    empfand. Nein, sie fand ihn lediglich sauberer,
    sie ruhte sich in seiner Stube besser aus, wo sie
    ein Bad zu nehmen glaubte. Kurzum, sie glich
    einer Katze, die sich gern zusammengerollt auf
    weißer Wäsche schlafen legt.
    Mama Coupeau wagte es nie, unumwunden
    darüber zu sprechen. Aber als die Wäscherin
    sie nach einem Streit ausgescholten hatte,
    sparte die Alte nicht mit Anspielungen. Sie
    sagte, sie kenne ganz dumme Männer und
    ganz schön nichtswürdige Frauen; und sie
    brummelte noch andere, heftigere Worte, mit
    der saftigen Redeweise einer ehemaligen
    Westennäherin.
    Die ersten Male hatte Gervaise sie starr
    angesehen, ohne zu antworten. Dann
    verteidigte sie sich mit allgemein
    dahingesagten Gründen, wobei sie es vermied,
    deutlicher zu werden. Wenn eine Frau einen
    Säufer zum Mann habe, einen Schmutzfinken,
    der in der Fäulnis lebe, so sei diese Frau
    durchaus zu entschuldigen, wenn sie anderswo
    Sauberkeit suche. Sie ging noch weiter, sie
    ließ durchblicken, daß Lantier ebensogut ihr
    Mann sei wie Coupeau, vielleicht sogar noch
    mehr. Hatte sie ihn denn nicht mit vierzehn
    Jahren kennengelernt? Hatte sie denn nicht
    zwei Kinder von ihm? Na also, unter diesen
    Umständen sei alles verzeihlich, und niemand
    dürfe einen Stein auf sie werfen. Sie sagte, sie
    folge dem Naturgesetz. Außerdem solle man
    sie nicht ärgern. Sie könnte schnell dabeisein
    und jedem sein Teil verpassen. Die Rue de la
    Goutted'Or sei gar nicht so sauber! Die kleine
    Frau Vigouroux mache in ihrer Kohle von
    morgens bis abends Bocksprünge. Frau
    Lehongre, die Kolonialwarenhändlerin, schlafe
    mit ihrem Schwager, einem großen Schleimer,
    den man nicht mit der Schippe hätte auflesen
    mögen. Der Uhrmacher gegenüber, dieser
    gezierte Herr, wäre wegen einer
    Schändlichkeit beinahe vors Schwurgericht
    gekommen: er mache es mit seiner eigenen
    Tochter, einer frechen Person, die sich auf den
    Boulevards rumtreibe. Und mit einer weit
    ausholenden Gebärde wies sie auf das ganze
    Viertel, eine Stunde brauche sie, bloß um die
    schmutzige Wäsche dieses ganzen Volkes
    auszubreiten, Leute, die wie Tiere haufenweise
    in den Betten lägen, Väter, Mütter, Kinder,
    und sich in ihrem Unrat wälzten. Oh, sie wisse
    Bescheid, die Schweinerei pisse von
    überallher, das vergifte die umliegenden
    Häuser! Ja, ja, Mann und Frau, das sei was
    Sauberes in dieser Ecke von Paris, wo wegen
    des Elends einer auf dem anderen hocke! Hätte
    man beide Geschlechter in einen Mörser
    gesteckt, so würde man als einzige Ware nur
    Dünger für die Kirschbäume in der Ebene von
    SaintDenis rausgekriegt haben. »Die täten
    besser daran, nicht in die Luft zu spucken, es
    fällt ihnen auf die Nase zurück«, schrie sie,
    wenn man sie zum Äußersten trieb. »Jeder in
    seinem Loch, nicht wahr? Sollen sie die
    braven Leute doch nach ihrer Fasson leben
    lassen, wenn sie nach ihrer eigenen leben
    wollen ... Ich jedenfalls finde alles in Ordnung,
    aber unter der Voraussetzung, daß ich nicht
    von Leuten in die Gosse gezerrt werde, die
    vorneweg darin herumspazieren.« Und als
    Mama Coupeau eines Tages deutlicher
    geworden war, hatte sie mit
    zusammengebissenen Zähnen zu ihr gesagt:
    »Sie liegen in Ihrem Bett, Sie nutzen das
    aus ... Hören Sie, Sie haben unrecht, Sie sehen
    sehr wohl, daß ich nett bin, denn ich habe
    Ihnen Ihr Leben nie unter die Nase gerieben!
    Oh, ich weiß, ein schönes Leben, an die zwei
    oder drei Männer zu Vater Coupeaus
    Lebzeiten ... Nein, husten Sie nicht, ich bin
    fertig mit Reden. Es war bloß, um Sie zu
    bitten, mich in Ruhe zu lassen, das ist alles!«
    Die alte Frau wäre beinahe erstickt. Als am
    nächsten Tag Goujet in Gervaises
    Abwesenheit gekommen war, um die Wäsche
    seiner Mutter zurückzuverlangen, rief ihn
    Mama Coupeau und behielt ihn, der sich vor
    ihr Bett setzte, lange bei sich. Sie wußte genau
    von der Freundschaft des Schmiedes, sie sah,
    daß er seit einiger Zeit düster und unglücklich
    war und die häßlichen Dinge ahnte, die
    geschahen. Und um zu schwatzen und sich
    wegen des Streites vom Vortage zu rächen,
    brachte sie ihm rundweg die Wahrheit bei,
    weinte und jammerte dabei, als schade der
    schlechte Lebenswandel Gervaises vor allem
    ihr. Als Goujet aus der Kammer ging, lehnte er
    sich gegen die Wände, weil er vor Kummer
    fast erstickte. Bei der Rückkehr der Wäscherin
    rief Mama Coupeau ihr dann zu, man wünsche
    sie sofort bei Frau Goujet mit

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