Der Todschlaeger
sie
zusammengeknüllt gegen seine Brust, um sie
gleichsam gegen die Gewalttätigkeiten der
bärtigen Männer, die er sah, zu schützen.
Da zog sich Gervaise, nachdem ein Wärter
herbeigeeilt war, zurück, ganz zu Eis erstarrt
durch diese Szene. Als sie aber einige Tage
später wiederkam, fand sie Coupeau völlig
geheilt. Sogar das Alpdrücken war vergangen;
sein Schlaf war wie der Schlaf eines Kindes, er
schlief seine zehn Stunden, ohne ein Glied zu
rühren. Deshalb gestattete man seiner Frau, ihn
mitzunehmen. Allerdings sagte der
Assistenzarzt beim Weggehen die üblichen
guten Worte zu ihm und riet ihm, über sie
nachzudenken. Wenn er wieder anfange zu
trinken, würde er einen Rückfall bekommen
und schließlich seine Haut dabei lassen. Ja, das
hänge einzig und allein von ihm ab. Er habe
gesehen, wie man wieder munter und nett
werde, wenn man sich nicht besaufe. Nun also,
er solle zu Hause sein braves Leben vom Asyl
SainteAnne fortsetzen und sich vorstellen, er
sei hinter Schloß und Riegel und die
Weinschenken gäbe es nicht mehr.
»Er hat recht, dieser Herr«, sagte Gervaise im
Omnibus, der sie nach der Rue de la
Goutted'Or zurückbrachte.
»Zweifellos hat er recht«, erwiderte Coupeau.
Dann meinte er, nachdem er eine Minute
nachgedacht hatte: »Ach, weißt du, hie und da
ein Gläschen, das kann doch einen Menschen
nicht umbringen, das fördert die Verdauung!«
Und noch am Abend trank er ein Gläschen
Schnaps zur Verdauung. Acht Tage lang zeigte
er sich jedoch ziemlich vernünftig. Er hatte im
Grunde einen Heidenbammel, ihm lag wenig
daran, in Bicêtre91 zu enden. Aber seine
Leidenschaft riß ihn hin, das erste Gläschen
führte ihn unwillkürlich zu einem zweiten, zu
einem dritten, zu einem vierten; und schon
nach vierzehn Tagen hatte er wieder seine
gewöhnliche Ration erreicht, seine halbe
Flasche Darmreißer täglich. Gervaise, die
außer sich war, hätte dreinschlagen mögen.
Wenn sie bedachte, daß sie dumm genug
gewesen war, aufs neue von einem
anständigen Leben zu träumen, als sie ihn im
Asyl ganz bei Verstand gesehen hatte! Wieder
mal eine Stunde der Freude dahin, sicherlich
die letzte! Oh, da ihn ja doch nichts mehr
bessern konnte, nicht einmal die Angst vor
seinem nahe bevorstehenden Verrecken,
schwor sie nun, sich keinen Zwang mehr
anzutun; mochte der Haushalt drunter und
drüber gehen, sie scherte sich den Teufel
darum; und sie sprach davon, sich ebenfalls
Vergnügen zu verschaffen, wo sie welches
finden würde. Nun begann die Hölle von
neuem, ein noch tiefer in den Dreck
gesunkenes
Leben,
ohne
einen
Hoffnungswinkel, der sich auf eine bessere
Zeit auftat. Nana fragte wütend, wenn ihr
Vater sie geohrfeigt hatte, warum dieser
Schinder nicht im Hospital geblieben sei. Sie
warte darauf, Geld zu verdienen, sagte sie, um
ihm Branntwein zu spendieren und ihn
schneller verrecken zu lassen. Gervaise brauste
nun auch auf, als Coupeau eines Tages ihre
Heirat bedauerte. Ach so, sie habe ihm anderer
Leute aufgewärmten Kohl angebracht, ach so,
sie habe sich auf der Straße auflesen lassen,
indem sie ihn mit ihren Unschuldsmienen
betört habe! Verflucht noch mal! Ihm fehle es
ja nicht an Frechheit! So viele Worte, so viele
Lügen. Sie habe ihn nicht haben wollen, das
sei die Wahrheit. Er sei zu ihren Füßen
herumgekrochen, um sie umzustimmen,
während sie ihm geraten habe, es sich gut zu
überlegen. Und sollte es noch einmal so
kommen, wie entschieden würde sie da nein
sagen! Lieber würde sie sich einen Arm
abhacken lassen. Ja, sie habe schon einen
Liebsten vor ihm gehabt, aber eine Frau, die
schon einen Liebsten gehabt habe und die
arbeitsam sei, sei mehr wert als ein Faulpelz
von Mann, der seine Ehre und die Ehre seiner
Familie in allen Kneipen besudele. An diesem
Tage verpaßte man sich bei den Coupeaus zum
erstenmal eine regelrechte Tracht Prügel, man
keilte sich, sogar so heftig, daß ein alter
Regenschirm und der Besen zerbrachen.
Und Gervaise hielt Wort. Sie wurde noch
träger; sie fehlte öfter in der Werkstatt,
schwatzte ganze Tage lang herum, wurde
lässig bei der Arbeit wie ein Stück Lumpen.
Fiel ihr etwas aus den Händen, so konnte es
ruhig an der Erde liegenbleiben, sie hätte sich
nicht gebückt, um es aufzuheben. Bei ihr brach
die Laschheit immer mehr durch. Sie wollte
ihren Speck retten. Sie tat bloß, was ihr
benagte, und fegte nur noch dann kurz aus,
wenn sie beinahe über den
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