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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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sie
    zusammengeknüllt gegen seine Brust, um sie
    gleichsam gegen die Gewalttätigkeiten der
    bärtigen Männer, die er sah, zu schützen.
    Da zog sich Gervaise, nachdem ein Wärter
    herbeigeeilt war, zurück, ganz zu Eis erstarrt
    durch diese Szene. Als sie aber einige Tage
    später wiederkam, fand sie Coupeau völlig
    geheilt. Sogar das Alpdrücken war vergangen;
    sein Schlaf war wie der Schlaf eines Kindes, er
    schlief seine zehn Stunden, ohne ein Glied zu
    rühren. Deshalb gestattete man seiner Frau, ihn
    mitzunehmen. Allerdings sagte der
    Assistenzarzt beim Weggehen die üblichen
    guten Worte zu ihm und riet ihm, über sie
    nachzudenken. Wenn er wieder anfange zu
    trinken, würde er einen Rückfall bekommen
    und schließlich seine Haut dabei lassen. Ja, das
    hänge einzig und allein von ihm ab. Er habe
    gesehen, wie man wieder munter und nett
    werde, wenn man sich nicht besaufe. Nun also,
    er solle zu Hause sein braves Leben vom Asyl
    SainteAnne fortsetzen und sich vorstellen, er
    sei hinter Schloß und Riegel und die
    Weinschenken gäbe es nicht mehr.
    »Er hat recht, dieser Herr«, sagte Gervaise im
    Omnibus, der sie nach der Rue de la
    Goutted'Or zurückbrachte.
    »Zweifellos hat er recht«, erwiderte Coupeau.
    Dann meinte er, nachdem er eine Minute
    nachgedacht hatte: »Ach, weißt du, hie und da
    ein Gläschen, das kann doch einen Menschen
    nicht umbringen, das fördert die Verdauung!«
    Und noch am Abend trank er ein Gläschen
    Schnaps zur Verdauung. Acht Tage lang zeigte
    er sich jedoch ziemlich vernünftig. Er hatte im
    Grunde einen Heidenbammel, ihm lag wenig
    daran, in Bicêtre91 zu enden. Aber seine
    Leidenschaft riß ihn hin, das erste Gläschen
    führte ihn unwillkürlich zu einem zweiten, zu
    einem dritten, zu einem vierten; und schon
    nach vierzehn Tagen hatte er wieder seine
    gewöhnliche Ration erreicht, seine halbe
    Flasche Darmreißer täglich. Gervaise, die
    außer sich war, hätte dreinschlagen mögen.
    Wenn sie bedachte, daß sie dumm genug
    gewesen war, aufs neue von einem
    anständigen Leben zu träumen, als sie ihn im
    Asyl ganz bei Verstand gesehen hatte! Wieder
    mal eine Stunde der Freude dahin, sicherlich
    die letzte! Oh, da ihn ja doch nichts mehr
    bessern konnte, nicht einmal die Angst vor
    seinem nahe bevorstehenden Verrecken,
    schwor sie nun, sich keinen Zwang mehr
    anzutun; mochte der Haushalt drunter und
    drüber gehen, sie scherte sich den Teufel
    darum; und sie sprach davon, sich ebenfalls
    Vergnügen zu verschaffen, wo sie welches
    finden würde. Nun begann die Hölle von
    neuem, ein noch tiefer in den Dreck
    gesunkenes

    Leben,

    ohne

    einen
    Hoffnungswinkel, der sich auf eine bessere
    Zeit auftat. Nana fragte wütend, wenn ihr
    Vater sie geohrfeigt hatte, warum dieser
    Schinder nicht im Hospital geblieben sei. Sie
    warte darauf, Geld zu verdienen, sagte sie, um
    ihm Branntwein zu spendieren und ihn
    schneller verrecken zu lassen. Gervaise brauste
    nun auch auf, als Coupeau eines Tages ihre
    Heirat bedauerte. Ach so, sie habe ihm anderer
    Leute aufgewärmten Kohl angebracht, ach so,
    sie habe sich auf der Straße auflesen lassen,
    indem sie ihn mit ihren Unschuldsmienen
    betört habe! Verflucht noch mal! Ihm fehle es
    ja nicht an Frechheit! So viele Worte, so viele
    Lügen. Sie habe ihn nicht haben wollen, das
    sei die Wahrheit. Er sei zu ihren Füßen
    herumgekrochen, um sie umzustimmen,
    während sie ihm geraten habe, es sich gut zu
    überlegen. Und sollte es noch einmal so
    kommen, wie entschieden würde sie da nein
    sagen! Lieber würde sie sich einen Arm
    abhacken lassen. Ja, sie habe schon einen
    Liebsten vor ihm gehabt, aber eine Frau, die
    schon einen Liebsten gehabt habe und die
    arbeitsam sei, sei mehr wert als ein Faulpelz
    von Mann, der seine Ehre und die Ehre seiner
    Familie in allen Kneipen besudele. An diesem
    Tage verpaßte man sich bei den Coupeaus zum
    erstenmal eine regelrechte Tracht Prügel, man
    keilte sich, sogar so heftig, daß ein alter
    Regenschirm und der Besen zerbrachen.
    Und Gervaise hielt Wort. Sie wurde noch
    träger; sie fehlte öfter in der Werkstatt,
    schwatzte ganze Tage lang herum, wurde
    lässig bei der Arbeit wie ein Stück Lumpen.
    Fiel ihr etwas aus den Händen, so konnte es
    ruhig an der Erde liegenbleiben, sie hätte sich
    nicht gebückt, um es aufzuheben. Bei ihr brach
    die Laschheit immer mehr durch. Sie wollte
    ihren Speck retten. Sie tat bloß, was ihr
    benagte, und fegte nur noch dann kurz aus,
    wenn sie beinahe über den

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