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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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verdreckten
    Bärten, die steif und verpißt waren wie
    Nachttopfbürsten, protzten mit ihren
    zerlumpten Kitteln, fuchtelten mit ihren
    schwarzen Pfoten, deren Nägel Trauerränder
    hatten. Aber man konnte sich in ihrer
    Gesellschaft wirklich noch zeigen, denn wenn
    sie auch seit sechs Stunden herumkneipten, so
    blieben sie doch ganz manierlich, waren nur
    gerade ein bißchen angedudelt. Gervaise sah
    zwei andere vor dem Schanktisch, die im
    Begriff waren, sich zu bezechen, und die so
    knülle waren, daß sie sich ihr Schnapsglas
    unter das Kinn schütteten und ihr Hemd
    durchnäßten, während sie sich die Kehle zu
    schmieren meinten. Der dicke Vater Colombe,
    der seine riesigen Arme ausstreckte, die
    Respektverschaffer seines Lokals, schenkte
    seelenruhig die Lagen ein. Es war sehr warm,
    der Pfeifenrauch stieg in die blendende Helle
    des Gaslichtes empor, wo er sich wie
    Staubwolken dahinwälzte und die Gäste in
    einem langsam dichter gewordenen Wrasen
    ertränkte; und aus dieser Wolke drang ein
    ohrenbetäubender und verworrener Radau,
    brüchige Stimmen, Anstoßen von Gläsern,
    Flüche und explosionsartige Faustschläge. So
    hatte Gervaise denn auch ihr abweisendes
    Gesicht aufgesetzt, denn ein derartiger Anblick
    ist nicht spaßig für eine Frau, besonders wenn
    sie ihn nicht gewohnt ist; sie erstickte, die
    Augen brannten ihr, ihr Kopf war schon
    schwer von dem Alkoholgeruch, den die ganze
    Gaststube ausströmte. Dann spürte sie jäh ein
    Unbehagen in ihrem Rücken, das noch
    beunruhigender war. Sie drehte sich um, sie
    erblickte den Destillierkolben, die
    Besaufmaschine, die unter dem Glasdach des
    schmalen Hofes mit dem unergründlichen
    Beben ihrer Höllenküche in Betrieb war.
    Abends waren die Kupferteile noch düsterer,
    allein auf ihrer Rundung von einem breiten
    roten Stern in Brand gesetzt; und der Schatten
    des Gerätes zeichnete Scheusale auf die Mauer
    im Hintergrund, geschwänzte Gestalten,
    Ungeheuer, die ihre Kinnladen aufsperrten, um
    gleichsam die Welt zu verschlingen.
    »Hör mal, du Klatschweib, zieh nicht dein
    Maul!« schrie Coupeau. »Du weißt, zum
    Teufel mit den Spielverderbern! – Was willst
    du trinken?«
    »Nichts, bestimmt nichts«, antwortete die
    Wäscherin. »Ich habe kein Abendbrot
    gegessen.«
    »Na also, ein Grund mehr; das stärkt, so ein
    Gläschen von irgendwas.«
    Da sich ihr Gesicht aber nicht aufheiterte,
    zeigte sich MeineBotten abermals galant.
    »Madame muß doch die süßen Sachen lieben«,
    murmelte er.
    »Ich liebe Männer, die sich nicht besaufen«,
    entgegnete sie, ärgerlich werdend. »Ja, ich
    liebe es, daß man seinen Lohn nach Hause
    bringt und daß man sein Wort hält, wenn man
    ein Versprechen gegeben hat.«
    »Aha, das verstimmt dich!« sagte der
    Bauklempner, ohne mit Grinsen aufzuhören.
    »Du willst deinen Anteil. Du dumme Gans,
    warum lehnst du dann ab, was zu trinken? –
    Nimm doch was, da hast du wenigstens auch
    was von dem Geld.«
    Sie sah ihn starr an mit ernster Miene und mit
    einer Falte, die quer über ihre Stirn eine
    schwarze Furche zog. Und mit langsamer
    Stimme erwiderte sie:
    »Sieh mal an, du hast recht, das ist ein guter
    Gedanke. Auf diese Weise vertrinken wir das
    Geld zusammen.« RöstfleischBibi erhob sich,
    um ihr ein Glas Anisette zu holen. Sie rückte
    ihren Stuhl heran, sie setzte sich an den Tisch.
    Während sie an ihrem Anisette nippte, kam ihr
    auf einmal eine Erinnerung; sie entsann sich
    der Branntweinpflaume, die sie einst mit
    Coupeau in der Nähe der Tür gegessen hatte,
    als er ihr den Hof machte. Damals ließ sie den
    Saft der Branntweinfrüchte stehen. Und jetzt,
    da fing sie wieder mit dem Likör an. Oh, sie
    kannte sich, sie hatte für keine zwei Heller
    Willenskraft. Man hätte ihr nur einen Schubs
    ins Kreuz zu geben brauchen, damit sie sich
    Hals über Kopf in den Suff stürzte. Der
    Anisette, der kam ihr sogar sehr gut vor, ein
    bißchen zu süß vielleicht, ein bißchen
    widerlich. Und sie schlürfte ihr Glas aus und
    hörte dabei zu, wie Salzschnabel, genannt
    Trinkohndurst, von seinem Verhältnis mit der
    dicken Eulalie erzählte, mit der, die auf der
    Straße Fisch verkaufte, ein mächtig gewitztes
    Weib, eine Person, die ihn in den
    Weinschenken witterte, während sie ihren
    Wagen die Bürgersteige entlangschob; seine
    Kumpel mochten ihn ruhig warnen und
    verstecken, sie erwischte ihn oft, am Vortage
    hatte sie ihm sogar eine Kliesche ins Gesicht
    geschmissen, um ihn zu lehren, was es hieß, in
    der

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