Der Todschlaeger
verdreckten
Bärten, die steif und verpißt waren wie
Nachttopfbürsten, protzten mit ihren
zerlumpten Kitteln, fuchtelten mit ihren
schwarzen Pfoten, deren Nägel Trauerränder
hatten. Aber man konnte sich in ihrer
Gesellschaft wirklich noch zeigen, denn wenn
sie auch seit sechs Stunden herumkneipten, so
blieben sie doch ganz manierlich, waren nur
gerade ein bißchen angedudelt. Gervaise sah
zwei andere vor dem Schanktisch, die im
Begriff waren, sich zu bezechen, und die so
knülle waren, daß sie sich ihr Schnapsglas
unter das Kinn schütteten und ihr Hemd
durchnäßten, während sie sich die Kehle zu
schmieren meinten. Der dicke Vater Colombe,
der seine riesigen Arme ausstreckte, die
Respektverschaffer seines Lokals, schenkte
seelenruhig die Lagen ein. Es war sehr warm,
der Pfeifenrauch stieg in die blendende Helle
des Gaslichtes empor, wo er sich wie
Staubwolken dahinwälzte und die Gäste in
einem langsam dichter gewordenen Wrasen
ertränkte; und aus dieser Wolke drang ein
ohrenbetäubender und verworrener Radau,
brüchige Stimmen, Anstoßen von Gläsern,
Flüche und explosionsartige Faustschläge. So
hatte Gervaise denn auch ihr abweisendes
Gesicht aufgesetzt, denn ein derartiger Anblick
ist nicht spaßig für eine Frau, besonders wenn
sie ihn nicht gewohnt ist; sie erstickte, die
Augen brannten ihr, ihr Kopf war schon
schwer von dem Alkoholgeruch, den die ganze
Gaststube ausströmte. Dann spürte sie jäh ein
Unbehagen in ihrem Rücken, das noch
beunruhigender war. Sie drehte sich um, sie
erblickte den Destillierkolben, die
Besaufmaschine, die unter dem Glasdach des
schmalen Hofes mit dem unergründlichen
Beben ihrer Höllenküche in Betrieb war.
Abends waren die Kupferteile noch düsterer,
allein auf ihrer Rundung von einem breiten
roten Stern in Brand gesetzt; und der Schatten
des Gerätes zeichnete Scheusale auf die Mauer
im Hintergrund, geschwänzte Gestalten,
Ungeheuer, die ihre Kinnladen aufsperrten, um
gleichsam die Welt zu verschlingen.
»Hör mal, du Klatschweib, zieh nicht dein
Maul!« schrie Coupeau. »Du weißt, zum
Teufel mit den Spielverderbern! – Was willst
du trinken?«
»Nichts, bestimmt nichts«, antwortete die
Wäscherin. »Ich habe kein Abendbrot
gegessen.«
»Na also, ein Grund mehr; das stärkt, so ein
Gläschen von irgendwas.«
Da sich ihr Gesicht aber nicht aufheiterte,
zeigte sich MeineBotten abermals galant.
»Madame muß doch die süßen Sachen lieben«,
murmelte er.
»Ich liebe Männer, die sich nicht besaufen«,
entgegnete sie, ärgerlich werdend. »Ja, ich
liebe es, daß man seinen Lohn nach Hause
bringt und daß man sein Wort hält, wenn man
ein Versprechen gegeben hat.«
»Aha, das verstimmt dich!« sagte der
Bauklempner, ohne mit Grinsen aufzuhören.
»Du willst deinen Anteil. Du dumme Gans,
warum lehnst du dann ab, was zu trinken? –
Nimm doch was, da hast du wenigstens auch
was von dem Geld.«
Sie sah ihn starr an mit ernster Miene und mit
einer Falte, die quer über ihre Stirn eine
schwarze Furche zog. Und mit langsamer
Stimme erwiderte sie:
»Sieh mal an, du hast recht, das ist ein guter
Gedanke. Auf diese Weise vertrinken wir das
Geld zusammen.« RöstfleischBibi erhob sich,
um ihr ein Glas Anisette zu holen. Sie rückte
ihren Stuhl heran, sie setzte sich an den Tisch.
Während sie an ihrem Anisette nippte, kam ihr
auf einmal eine Erinnerung; sie entsann sich
der Branntweinpflaume, die sie einst mit
Coupeau in der Nähe der Tür gegessen hatte,
als er ihr den Hof machte. Damals ließ sie den
Saft der Branntweinfrüchte stehen. Und jetzt,
da fing sie wieder mit dem Likör an. Oh, sie
kannte sich, sie hatte für keine zwei Heller
Willenskraft. Man hätte ihr nur einen Schubs
ins Kreuz zu geben brauchen, damit sie sich
Hals über Kopf in den Suff stürzte. Der
Anisette, der kam ihr sogar sehr gut vor, ein
bißchen zu süß vielleicht, ein bißchen
widerlich. Und sie schlürfte ihr Glas aus und
hörte dabei zu, wie Salzschnabel, genannt
Trinkohndurst, von seinem Verhältnis mit der
dicken Eulalie erzählte, mit der, die auf der
Straße Fisch verkaufte, ein mächtig gewitztes
Weib, eine Person, die ihn in den
Weinschenken witterte, während sie ihren
Wagen die Bürgersteige entlangschob; seine
Kumpel mochten ihn ruhig warnen und
verstecken, sie erwischte ihn oft, am Vortage
hatte sie ihm sogar eine Kliesche ins Gesicht
geschmissen, um ihn zu lehren, was es hieß, in
der
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