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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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sonnenweißen
    Spiegelscheiben, den Fläschchen und den
    dickbauchigen Einmachgefäßen, die die
    Wände mit ihrem bunten Glas festlich
    erleuchteten. Sie verweilte einen Augenblick
    dort mit gespanntem Rückgrat, das Auge
    zwischen zwei Flaschen des Schaufensters an
    die Scheibe gedrückt, und schielte zu Coupeau
    im Hintergrund der Gaststube hin; er saß mit
    Kumpeln um einen kleinen Zinktisch, alle
    verschwommen und bläulich vom
    Pfeifenrauch; und da man sie nicht grölen
    hörte, machte es einen komischen Eindruck,
    wenn man sah, wie sie sich mit vorgestrecktem
    Kinn und aus dem Gesicht heraustretenden
    Augen verrenkten. War es denn
    menschenmöglich, daß Männer ihre Frauen
    und ihr Zuhause verlassen konnten, um sich so
    in einem Loch einzuschließen, wo sie keine
    Luft bekamen. Der Regen tropfte ihr den Hals
    hinab; sie richtete sich wieder auf, sie ging
    nachdenkend auf dem äußeren Boulevard
    davon, weil sie nicht einzutreten wagte. Na ja,
    Coupeau hätte sie ganz schön in Empfang
    genommen, er, der nicht wollte, daß man ihm
    auf die Pelle rückte! Außerdem schien ihr das
    wirklich kaum der Ort für eine anständige Frau
    zu sein. Indessen befiel sie unter den
    triefenden Bäumen ein leichtes Frösteln, und
    sie dachte, immer noch zögernd, daß sie
    bestimmt im Begriff sei, sich irgendeine
    schöne Krankheit zu holen. Zweimal kehrte sie
    zurück und pflanzte sich vor der
    Fensterscheibe auf, preßte das Auge abermals
    dagegen, war verärgert, diese verdammten
    Trunkenbolde immer noch grölend und
    trinkend wieder im Trocknen vorzufinden. Das
    Schlaglicht aus dem »Totschläger« spiegelte
    sich in den Pfützen auf dem Pflaster wider, in
    die der Regen ein Zittern von Bläschen
    brachte. Sie entfloh, sie patschte dort hinein,
    sobald die Tür aufging und mit dem Klappen
    ihrer kupfernen Beschläge wieder zufiel.
    Endlich kam sie sich zu dumm vor, sie stieß
    die Tür auf und schritt stracks auf Coupeaus
    Tisch zu. Schließlich war es ja ihr Mann, den
    sie suchte, nicht wahr? Und sie war dazu
    berechtigt, da er ja versprochen hatte, sie an
    diesem Abend in den Zirkus zu führen. Na
    wenn schon! Sie hatte keine Lust, wie ein
    Riegel Seife auf dem Bürgersteig zu
    zerfließen.
    »Sieh mal an! Du bist es, Alte!« rief der
    Bauklempner, den ein Grinsen erwürgte. »Na,
    die ist aber spaßig, du meine Güte! – He,
    stimmt's, die ist aber spaßig!«
    Alle lachten, MeineBotten, RöstfleischBibi
    und Salzschnabel, genannt Trinkohndurst. Ja,
    das kam ihnen spaßig vor; und sie erklärten
    nicht warum.
    Etwas benommen blieb Gervaise stehen. Da
    ihr Coupeau sehr nett zu sein schien, traute sie
    sich zu sagen:
    »Weißt du, wir gehen doch da hin. Wir müssen
    abhauen. Wir kommen noch rechtzeitig hin,
    um etwas zu sehen.«
    »Ich kann nicht aufstehen, ich bin festgeklebt,
    oh, im Ernst«, erwiderte Coupeau, der immer
    noch spaßte. »Versuch doch mal, um dich zu
    überzeugen; zieh mit aller Kraft an meinem
    Arm, Himmelsakrament, noch stärker, los,
    hoch! – Siehst du, Vater Colombe, dieser Esel,
    hat mich auf seiner Bank festgeschraubt.«
    Gervaise hatte sich zu diesem Spiel
    hergegeben; und als sie seinen Arm losließ,
    fanden die Kumpel den Ulk so gut, daß sie
    brüllend und sich gegenseitig die Schultern
    reibend wie Esel, die man striegelt,
    übereinander herfielen. Der Bauklempner hatte
    den Mund vor Lachen so weit aufgerissen, daß
    man ihm bis in den Schlund sehen konnte.
    »Blöde Ziege!« sagte er schließlich. »Du
    kannst dich ruhig eine Minute hersetzen. Hier
    fühlt man sich wohler, als wenn man draußen
    herumwatet ... Na ja, ich bin nicht nach Hause
    gekommen, ich habe zu tun gehabt. Wenn du
    ein langes Gesicht ziehst, so führt das zu
    nichts ... Rückt doch mal beiseite, ihr da.«
    »Wenn Madame mit meinen Knien
    vorliebnehmen wollen, das wäre weicher«,
    sagte MeineBotten galant.
    Um nicht aufzufallen, nahm Gervaise einen
    Stuhl und setzte sich drei Schritt vom Tisch
    entfernt hin. Sie sah sich an, was die Männer
    tranken, Rachenputzer, der wie Gold in den
    Gläsern schimmerte; eine kleine Lache davon
    war auf den Tisch gelaufen, und Salzschnabel,
    genannt Trinkohndurst, tunkte beim Reden
    seinen Finger hinein und schrieb mit großen
    Buchstaben einen Frauennamen: Eulalie. Sie
    fand RöstfleischBibi ganz schön
    heruntergekommen, magerer als ein Gerippe.
    MeineBotten hatte eine blühende Nase, eine
    richtige blaue Burgunderdahlie. Sie waren alle
    vier sehr schmutzig mit ihren

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