Der Todschlaeger
kleine Frau von
fünfundvierzig Jahren, die in ein altes
kastanienbraunes Mieder eingeknöpft war,
bügelte ohne einen Tropfen Schweiß. Nicht
einmal ihre Haube hatte sie abgenommen, eine
schwarze, mit grünen, gelblich verschossenen
Bändern besetzte Haube. Steif verharrte sie
vor dem Arbeitstisch, der zu hoch für sie war,
hatte die Ellbogen nach oben gedrückt und
stieß ihr Eisen mit den abgehackten
Bewegungen einer Marionette vorwärts. Auf
einmal rief sie:
»Ach nein, Mademoiselle Clémence, ziehen
Sie Ihre Unterjacke wieder an. Wissen Sie, ich
habe Unanständigkeiten nicht gern. Wenn Sie
so dastehen, zeigen Sie ja Ihren ganzen
Kramladen. Da drüben sind schon drei Männer
stehengeblieben.«
Die lange Clémence schalt sie, zwischen den
Zähnen brummelnd, eine alte Ziege. Sie
ersticke ja, sie könne es sich doch bequem
machen; nicht alle hätten so eine Haut zum
Verlieben. Übrigens, sehe man denn etwas?
Und sie hob die Arme, ihr mächtiger Busen,
der Busen eines schönen Mädchens, zerplatzte
schier ihr Hemd, ihre Schultern brachten die
kurzen Ärmel zum Krachen. Clémence lebte
so drauflos, daß sie mit dreißig Jahren kein
Mark mehr in den Knochen haben würde; am
Tage nach solchen bedenklichen
Ausschweifungen spürte sie den
Fliesenfußboden nicht mehr unter den Füßen,
schlief bei der Arbeit ein, Kopf und Bauch wie
mit Lumpen vollgestopft. Aber man behielt sie
trotzdem, denn keine Arbeiterin konnte sich
schmeicheln, ein Männerhemd mit solchem
Schick zu plätten wie sie. Männerhemden
waren ihre Spezialität.
»Das gehört mir, sage ich Ihnen«, erklärte sie
schließlich und klatschte sich dabei auf den
Busen. »Und das beißt nicht, das tut
niemandem weh.«
»Clémence, ziehen Sie Ihre Unterjacke wieder
an«, sagte Gervaise. »Madame Putois hat
recht, das schickt sich nicht ... Man könnte
mein Geschäft ja für etwas halten, was es nicht
ist.«
Daraufhin zog sich die lange Clémence
murrend wieder an. So ein Gejammer! Als ob
die Vorübergehenden noch nie ein Paar Titten
gesehen hätten! Und sie ließ ihren Zorn an
dem Lehrmädchen, dieser Schielliese
Augustine, aus, die neben ihr glatte Wäsche,
Strümpfe und Taschentücher, plättete; sie
rempelte sie an, stieß sie mit dem Ellbogen.
Aber Augustine, die zänkisch und von der
tückischen Bösartigkeit eines mißgestalteten
Wesens und Sündenbocks war, spuckte ihr, um
sich zu rächen, unbemerkt von hinten aufs
Kleid.
Gervaise hatte jedoch soeben eine Haube
angefangen, die Frau Boche gehörte und die
sie sorgfältig behandeln wollte. Um sie wieder
neu herzurichten, hatte sie gekochte Stärke
zubereitet. Behutsam fuhr sie mit einem
kleinen, an beiden Enden abgerundeten
Bügeleisen auf der Innenseite hin und her, als
eine knochige Frau mit rotfleckigem Gesicht
und durchnäßten Röcken eintrat. Es war eine
Waschmeisterin, die drei Arbeiterinnen in dem
Waschhaus in der Rue Neuve de la Goutted'Or
beschäftigte.
»Sie kommen zu früh, Madame Bijard!« rief
Gervaise. »Ich hatte doch heute abend
gesagt ... Im Augenblick stören Sie mich ganz
schön!«
Aber als die Wäscherin jammerte, weil sie
fürchtete, nicht mehr am gleichen Tag
ablaugen zu können, war Gervaise gern bereit,
ihr die schmutzige Wäsche sofort zu geben.
Sie holten die Bündel aus der Stube links, in
der Etierine schlief, und kamen mit riesigen
Haufen im Arm zurück, die sie hinten im
Laden auf dem Fliesenfußboden stapelten. Das
Sortieren dauerte eine reichliche halbe Stunde.
Gervaise machte Haufen um sich herum, warf
jeweils die Männerhemden, die
Frauenhemden, die Taschentücher, die
Socken, die Wischtücher zusammen. Wenn ihr
ein Stück eines neuen Kunden in die Hände
kam, kennzeichnete sie es mit einem roten
Fadenkreuz, um es wiederzuerkennen. In der
heißen Luft stieg ein fader Gestank von all
dieser durcheinandergewühlten schmutzigen
Wäsche auf.
»Na, das gast aber!« sagte Clémence und hielt
sich die Nase zu.
»Mein Gott, wenn es sauber wäre, würde man
es uns ja nicht bringen«, erklärte Gervaise
ruhig. »Dreck riecht nun mal nicht anders! –
Vierzehn Frauenhemden haben wir gesagt,
nicht wahr, Madame Bijard? – Fünfzehn,
sechzehn, siebzehn ...« Sie zählte laut weiter.
Sie ekelte sich nicht, weil sie an Unrat
gewöhnt war; sie steckte ihre nackten und
rosigen Arme mitten in die vor Dreck gelben
Hemden, in die vom Fett des Abwaschwassers
steif gewordenen Wischtücher und
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