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Der Todschlaeger

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Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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zum Auswischen
    der Pfannenboden gedient. Da war ein
    Kopfkissenbezug, der sicherlich von den
    Boches stammte, wegen der Pomade, mit der
    Frau Boche ihre ganze Wäsche verkleisterte.
    Es war auch nicht mehr erforderlich, ihre Nase
    an Herrn Madiniers Flanellunterjacken zu
    halten, um zu wissen, daß sie ihm gehörten: er
    verfärbte die Wolle, dieser Mann, so fettig war
    seine Haut. Und sie kannte weitere
    Besonderheiten, die Geheimnisse über die
    Sauberkeit eines jeden, die Unterwäsche der
    Nachbarinnen, die in Seidenröcken über die
    Straße gingen, die Anzahl der Strümpfe,
    Taschentücher und Hemden, die wöchentlich
    schmutzig gemacht wurden, die Art und
    Weise, wie die Leute bestimmte Stücke immer
    an derselben Stelle zerrissen. So steckte sie
    denn auch voller Anekdoten. Fräulein
    Remanjous Hemden zum Beispiel lieferten
    endlose Kommentare; sie nutzten sich von
    oben ab, die alte Jungfer mußte spitze
    Schulterknochen haben; und nie waren sie
    schmutzig, auch wenn sie sie vierzehn Tage
    getragen hatte, was bewies, daß man in diesem
    Alter beinahe wie ein Stück Holz ist, aus dem
    eine Träne über irgend etwas herauszupressen
    einem sehr schwergefallen wäre. So wurde das
    ganze Viertel La Goutted'Or bei jedem
    Wäschesortieren im Laden entkleidet.
    »Das ist ja was Feines!« rief Clémence, als sie
    ein neues Bündel aufmachte.
    Jäh von einem heftigen Widerwillen erfaßt,
    war Gervaise zurückgewichen.
    »Madame Gaudrons Bündel«, sagte sie. »Ich
    will nicht mehr für sie waschen, ich suche
    einen Vorwand ... Nein, ich bin nicht heikler
    als jemand anderes, ich habe in meinem Leben
    recht eklige Wäsche angefaßt; aber wirklich,
    bei der kann ich nicht. Dabei würde ich mir
    den Magen auf die Fliesen kotzen ... Was stellt
    diese Frau bloß an, daß sie ihre Wäsche in
    einen derartigen Zustand versetzt?« Und sie
    bat Clémence, sich zu beeilen.
    Aber die Arbeiterin fuhr mit ihren
    Bemerkungen fort, steckte ihre Finger in die
    Löcher und machte Anspielungen auf die
    Wäschestücke, die sie wie die Fahnen des
    triumphierenden Unrats hin und her
    schwenkte.
    Mittlerweile waren die Haufen rings um
    Gervaise angewachsen. Nun verschwand sie,
    die immer noch auf der Kante des Schemels
    saß, zwischen den Hemden und Unterröcken;
    vor sich hatte sie die Bettlaken, die Hosen, die
    Tischtücher, einen Zusammenbruch aus
    Unsauberkeit. Und dort drin, mitten in diesem
    größer werdenden Pfuhl, behielt sie die Arme
    nackt, den Hals nackt und sah mit den blonden
    Härchen, die an ihren Schläfen klebten, noch
    rosiger und schlaffer aus. Sie fand ihr gesetztes
    Wesen wieder, ihr Lächeln einer
    aufmerksamen und sorgfältigen Chefin, und
    vergaß dabei Frau Gaudrons Wäsche, roch sie
    nicht mehr, wühlte mit einer Hand in den
    Haufen herum, um nachzusehen, ob kein
    Irrtum vorgekommen war. Die Schielliese
    Augustine, die leidenschaftlich gern Schaufeln
    voll Koks in die Maschine warf, hatte sie
    gerade dermaßen vollgestopft, daß die
    gußeisernen Platten rot glühten. Die
    schrägstehende Sonne schlug auf die
    Vorderfront, der Laden flammte.
    Da wurde Coupeau, den die starke Hitze noch
    mehr berauschte, von einer plötzlichen
    Zärtlichkeit erfaßt. Er ging ganz gerührt mit
    offenen Armen auf Gervaise zu.
    »Bist eine gute Frau«, lallte er. »Muß dich
    küssen.« Doch er verhedderte sich in den
    Unterröcken, die ihm den Weg versperrten,
    und wäre beinahe hingefallen. »Bist du aber
    lästig!« sagte Gervaise, ohne ärgerlich zu
    werden. »Bleib ruhig, wir sind fertig.«
    Nein, er wolle sie küssen, er brauche das, weil
    er sie sehr liebe. Lallend ging er um den
    Haufen Unterröcke herum und stolperte in den
    Haufen Hemden. Als er sich darauf versteifte,
    blieb er mit den Füßen hängen, fiel er der
    Länge nach hin, mit der Nase mitten in die
    Wischtücher. Gervaise, die allmählich
    ungeduldig zu werden begann, versetzte ihm
    einen Knuff und rief, er bringe alles
    durcheinander. Aber Clémence und sogar Frau
    Putois gaben ihr unrecht. Er sei doch
    schließlich nett. Er wolle sie küssen. Sie könne
    sich ruhig küssen lassen.
    »Sie sind glücklich dran, Madame Coupeau,
    das sage ich Ihnen!« sagte Frau Bijard, die ihr
    Säufer von Mann, ein Schlosser, jeden Abend
    beim Nachhausekommen fast totschlug.
    »Wäre meiner so, wenn er sich die Nase
    begossen hat, dann wäre es eine Wonne!«
    Gervaise, die sich beruhigt hatte, bereute ihre
    Heftigkeit bereits. Sie half Coupeau wieder auf
    die Beine. Dann hielt

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