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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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in die vom
    Schweiß zerfressenen und verfaulten Socken.
    Doch in dem scharfen Geruch, der ihr, wenn
    sie sich so über die Haufen beugte, ins Gesicht
    schlug, überkam sie Lässigkeit. Sie hatte sich
    auf die Kante eines Schemels gesetzt, bückte
    sich tief hinab und streckte die Hände mit
    langsamer werdenden Bewegungen nach
    rechts und links aus, als berausche sie sich, mit
    ertrunkenem Blick unbestimmt lächelnd, an
    diesem Menschengestank. Und es hatte den
    Anschein, als rührten ihre ersten Anfälle von
    Trägheit daher, von der Atemlähmung durch
    die alte Wäsche, die die Luft rings um sie
    vergiftete.
    Gerade in dem Augenblick, da sie eine
    Kinderunterlage ausschüttelte, die sie nicht
    wiedererkannte, so verpißt war sie, trat
    Coupeau ein.
    »Verdammter Schuft!« lallte er. »Was für'n
    Sonnenstich! – Das haut einem in den Kopf!«
    Der Bauklempner hielt sich am Arbeitstisch
    fest, um nicht hinzufallen. Es war das erste
    Mal, daß er so einen in der Krone hatte. Bis
    dahin war er angesäuselt heimgekommen,
    nicht mehr. Aber diesmal hatte er ein blaues
    Auge, ein freundschaftlicher Klaps, der sich
    bei einer Anrempelei verirrt hatte. Sein
    krauses Haar, in dem sich bereits weiße Fäden
    zeigten, mußte in irgendeiner anrüchigen
    Gaststube einer Weinschenke eine Mauerecke
    abgestaubt haben, denn an einer Strähne hing
    ein Spinngewebe auf den Nacken herab. Im
    übrigen blieb er zum Spaßen aufgelegt trotz
    seiner ein wenig faltigen und gealterten Züge
    und dem noch mehr vorspringenden
    Unterkiefer, aber immer gutmütig, wie er
    sagte, und die Haut noch zart genug, um einer
    Herzogin Lust zu machen.
    »Ich werd dir's erklären«, meinte er, sich an
    Gervaise wendend. »Es war wegen
    Sellerieknolle, du kennst ihn ja, der mit dem
    Holzbein ... Also, er reist in seine Heimat und
    hat für uns einen ausgeben wollen ... Oh, ohne
    diese lumpige Sonne ständen wir noch
    senkrecht ... Auf der Straße sind die Leute
    krank. Wirklich, die Leute torkeln ...«
    Und als die lange Clémence sich darüber
    erheiterte, daß er die Straße besoffen gesehen
    habe, wurde er selber von einer ungeheuren
    Freude erfaßt, an der er beinahe erstickte. Er
    rief:
    »He! Die verdammten Sauf sacke! Sind die
    spaßig! – Aber das ist nicht ihre Schuld, das
    liegt an der Sonne ...«
    Der ganze Laden lachte, sogar Frau Putois, die
    Betrunkene nicht mochte. Die Schielliese
    Augustine gackerte mit offenem Mund wie
    eine Henne und bekam keine Luft mehr.
    Gervaise hatte Coupeau allerdings im
    Verdacht, nicht sofort nach Hause gekommen
    zu sein und eine Stunde bei den Lorilleux
    zugebracht zu haben, wo er schlechte
    Ratschläge erhielt. Als er ihr geschworen
    hatte, daß das nicht der Fall sei, lachte sie nun
    selbst nachsichtsvoll und warf ihm nicht
    einmal vor, schon wieder einen Arbeitstag
    verloren zu haben.
    »Redet der dummes Zeug, mein Gott!«
    murmelte sie. »Wie kann man bloß solch
    dummes Zeug reden?« Dann meinte sie mit
    mütterlicher Stimme: »Geh schlafen, nicht
    wahr? Du siehst doch, wir haben zu tun; du
    störst uns ... Das sind zweiunddreißig
    Taschentücher, Madame Bijard, und zwei dazu
    vierunddreißig ...«
    Aber Coupeau wollte nicht schlafen. Er blieb
    da und schaukelte mit der Bewegung eines
    Uhrenperpendikels hin und her, wobei er mit
    eigensinniger und streitsüchtiger Miene
    grinste.
    Gervaise, die Frau Bijard loswerden wollte,
    rief Clémence, ließ sie die Wäsche zählen,
    während sie sie eintrug. Da ließ diese lange
    nichtsnutzige Person bei jedem Stück eine
    derbe Bemerkung, eine Zote vom Stapel; sie
    breitete das Elend der Kunden, die Erlebnisse
    der Alkoven aus; sie hatte für alle Löcher und
    alle Flecke, die ihr durch die Hände gingen,
    einen Werkstattscherz bereit. Augustine tat so,
    als verstehe sie nicht, und sperrte ihre Ohren,
    die Ohren eines kleinen lasterhaften
    Mädchens, weit auf. Frau Putois kniff die
    Lippen zusammen, fand es dumm, diese
    Sachen in Coupeaus Gegenwart zu sagen; eine
    Mann braucht die Wäsche nicht zu sehen; das
    war ein Auskramen, das man bei anständigen
    Leuten vermeidet. Was Gervaise anging, die
    ernsthaft bei ihrer Beschäftigung war, so
    schien sie nichts zu hören. Während sie
    schrieb, sah sie den Wäschestücken mit
    aufmerksamem Blick nach, um sie bei
    neuerlichem Auftauchen wiederzuerkennen;
    und sie irrte sich nie, sie legte jedem nach
    Witterung, nach Farbe einen Namen zu. Diese
    Servietten gehörten den Goujets; das sprang in
    die Augen, sie hatten nicht

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