Der Todschlaeger
in die vom
Schweiß zerfressenen und verfaulten Socken.
Doch in dem scharfen Geruch, der ihr, wenn
sie sich so über die Haufen beugte, ins Gesicht
schlug, überkam sie Lässigkeit. Sie hatte sich
auf die Kante eines Schemels gesetzt, bückte
sich tief hinab und streckte die Hände mit
langsamer werdenden Bewegungen nach
rechts und links aus, als berausche sie sich, mit
ertrunkenem Blick unbestimmt lächelnd, an
diesem Menschengestank. Und es hatte den
Anschein, als rührten ihre ersten Anfälle von
Trägheit daher, von der Atemlähmung durch
die alte Wäsche, die die Luft rings um sie
vergiftete.
Gerade in dem Augenblick, da sie eine
Kinderunterlage ausschüttelte, die sie nicht
wiedererkannte, so verpißt war sie, trat
Coupeau ein.
»Verdammter Schuft!« lallte er. »Was für'n
Sonnenstich! – Das haut einem in den Kopf!«
Der Bauklempner hielt sich am Arbeitstisch
fest, um nicht hinzufallen. Es war das erste
Mal, daß er so einen in der Krone hatte. Bis
dahin war er angesäuselt heimgekommen,
nicht mehr. Aber diesmal hatte er ein blaues
Auge, ein freundschaftlicher Klaps, der sich
bei einer Anrempelei verirrt hatte. Sein
krauses Haar, in dem sich bereits weiße Fäden
zeigten, mußte in irgendeiner anrüchigen
Gaststube einer Weinschenke eine Mauerecke
abgestaubt haben, denn an einer Strähne hing
ein Spinngewebe auf den Nacken herab. Im
übrigen blieb er zum Spaßen aufgelegt trotz
seiner ein wenig faltigen und gealterten Züge
und dem noch mehr vorspringenden
Unterkiefer, aber immer gutmütig, wie er
sagte, und die Haut noch zart genug, um einer
Herzogin Lust zu machen.
»Ich werd dir's erklären«, meinte er, sich an
Gervaise wendend. »Es war wegen
Sellerieknolle, du kennst ihn ja, der mit dem
Holzbein ... Also, er reist in seine Heimat und
hat für uns einen ausgeben wollen ... Oh, ohne
diese lumpige Sonne ständen wir noch
senkrecht ... Auf der Straße sind die Leute
krank. Wirklich, die Leute torkeln ...«
Und als die lange Clémence sich darüber
erheiterte, daß er die Straße besoffen gesehen
habe, wurde er selber von einer ungeheuren
Freude erfaßt, an der er beinahe erstickte. Er
rief:
»He! Die verdammten Sauf sacke! Sind die
spaßig! – Aber das ist nicht ihre Schuld, das
liegt an der Sonne ...«
Der ganze Laden lachte, sogar Frau Putois, die
Betrunkene nicht mochte. Die Schielliese
Augustine gackerte mit offenem Mund wie
eine Henne und bekam keine Luft mehr.
Gervaise hatte Coupeau allerdings im
Verdacht, nicht sofort nach Hause gekommen
zu sein und eine Stunde bei den Lorilleux
zugebracht zu haben, wo er schlechte
Ratschläge erhielt. Als er ihr geschworen
hatte, daß das nicht der Fall sei, lachte sie nun
selbst nachsichtsvoll und warf ihm nicht
einmal vor, schon wieder einen Arbeitstag
verloren zu haben.
»Redet der dummes Zeug, mein Gott!«
murmelte sie. »Wie kann man bloß solch
dummes Zeug reden?« Dann meinte sie mit
mütterlicher Stimme: »Geh schlafen, nicht
wahr? Du siehst doch, wir haben zu tun; du
störst uns ... Das sind zweiunddreißig
Taschentücher, Madame Bijard, und zwei dazu
vierunddreißig ...«
Aber Coupeau wollte nicht schlafen. Er blieb
da und schaukelte mit der Bewegung eines
Uhrenperpendikels hin und her, wobei er mit
eigensinniger und streitsüchtiger Miene
grinste.
Gervaise, die Frau Bijard loswerden wollte,
rief Clémence, ließ sie die Wäsche zählen,
während sie sie eintrug. Da ließ diese lange
nichtsnutzige Person bei jedem Stück eine
derbe Bemerkung, eine Zote vom Stapel; sie
breitete das Elend der Kunden, die Erlebnisse
der Alkoven aus; sie hatte für alle Löcher und
alle Flecke, die ihr durch die Hände gingen,
einen Werkstattscherz bereit. Augustine tat so,
als verstehe sie nicht, und sperrte ihre Ohren,
die Ohren eines kleinen lasterhaften
Mädchens, weit auf. Frau Putois kniff die
Lippen zusammen, fand es dumm, diese
Sachen in Coupeaus Gegenwart zu sagen; eine
Mann braucht die Wäsche nicht zu sehen; das
war ein Auskramen, das man bei anständigen
Leuten vermeidet. Was Gervaise anging, die
ernsthaft bei ihrer Beschäftigung war, so
schien sie nichts zu hören. Während sie
schrieb, sah sie den Wäschestücken mit
aufmerksamem Blick nach, um sie bei
neuerlichem Auftauchen wiederzuerkennen;
und sie irrte sich nie, sie legte jedem nach
Witterung, nach Farbe einen Namen zu. Diese
Servietten gehörten den Goujets; das sprang in
die Augen, sie hatten nicht
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