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Der Todschlaeger

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Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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Leute, die den
    lieben langen Tag arbeiteten und pünktlich
    ihre Miete bezahlten. Aber hierin machte sie,
    offen gesagt, der Neid rasend. Überdies waren
    sie geizig bis auf die Knochen. Knauser,
    jawohl! Leute, die, wenn man heraufkam, ihre
    Literflasche Wein versteckten, damit sie nicht
    ein Glas anbieten mußten; kurzum, keine
    anständigen Menschen.
    Eines Tages hatte Gervaise den Boches gerade
    Schwarzbeerlikör mit Selterwasser spendiert,
    den man in der Conciergeloge trank, als Frau
    Lorilleux ganz steif vorüberging und dabei den
    Concierges absichtlich vor die Tür spuckte.
    Und seitdem ließ Frau Boche jeden
    Sonnabend, wenn sie Treppen und Korridore
    ausfegte, den Kehricht vor der Tür der
    Lorilleux liegen.
    »Donnerwetter!« schrie Frau Lorilleux.
    »Hinkebein nudelt sie ja, diese Freßsäcke! Oh,
    das ist doch alles eine Sorte! – Aber sie sollen
    mich ja nicht anöden! Ich gehe zum
    Hausbesitzer und beschwere mich ... Erst
    gestern habe ich gesehen, wie Boche, dieser
    Duckmäuser, sich an Madame Gaudrons
    Röcken rieb. Sich an eine Frau in diesem Alter
    ranzumachen, die ein halbes Dutzend Kinder
    hat, das ist ja die reinste Schweinerei, was! –
    Noch so eine Sauerei von denen, und ich sag
    Mutter Boche Bescheid, damit sie ihrem Mann
    eine Tracht Prügel verabreicht ... Verflixt! Da
    würde man mal ein bißchen lachen.«
    Mama Coupeau besuchte stets beide Ehepaare;
    sie redete jedem nach dem Munde und
    erreichte es sogar, daß man sie öfters zum
    Abendessen dabehielt, indem sie bereitwillig
    ihrer Tochter und ihrer Schwiegertochter
    zuhörte, an einem Abend dieser, am anderen
    Abend jener. Frau Lerat ging zur Zeit nicht
    mehr zu den Coupeaus, weil sie sich mit
    Hinkebein wegen eines Zuaven45 gestritten
    hatte, der seiner Geliebten mit einem
    Rasiermesserhieb die Nase abgeschnitten
    hatte; sie war für den Zuaven, sie sah in dem
    Hieb mit dem Rasiermesser etwas sehr
    Verliebtes, ohne ihre Gründe dafür anzugeben.
    Und sie hatte Frau Lorilleux' Zornesausbrüche
    noch bösartiger gemacht, indem sie ihr
    versicherte, Hinkebein nenne sie im Gespräch
    vor annähernd fünfzehn bis zwanzig Personen
    ungeniert Kuhschwanz. Mein Gott, ja, die
    Boches und die Nachbarn nannten sie nun
    Kuhschwanz.
    Ungeachtet dieser Klatschereien grüßte
    Gervaise ruhig und lächelnd auf der Schwelle
    ihres Ladens ihre Freunde mit einem leichten
    freundlichen Kopfnicken. Mit Vorliebe kam
    sie zwischen zwei Strichen mit dem
    Bügeleisen eine Minute heraus, um der Straße
    mit der eitlen Aufgeblasenheit einer
    Geschäftsfrau zuzulachen, die ein Stückchen
    Bürgersteig ihr eigen nennt. Die Rue de la
    Goutted'Or gehörte ihr, und die
    Nachbarstraßen, und das ganze Viertel. Wenn
    sie in ihrer weißen Unterjacke, mit nackten
    Armen und vor Arbeitseifer umherfliegendem
    blondem Haar den Kopf vorstreckte, warf sie
    einen Blick nach links, einen Blick nach
    rechts, auf beide Enden der Straße, um die
    Vorübergehenden, die Häuser, das Pflaster und
    den Himmel auf einmal in sich aufzunehmen:
    links verkroch sich die friedliche,
    menschenleere Rue de la Goutted'Or in einen
    Provinzwinkel, wo sich Frauen leise an den
    Türen unterhielten; rechts brachte in einigen
    Schritten Entfernung die Rue des Poissonniers
    Wagengepolter herein und das fortwährende
    Getrappel einer Menschenmenge, die
    zurückflutete und dieses Ende der Straße zu
    einer Kreuzung mit viel Volksgewühl machte.
    Gervaise liebte die Straße, das Rumpeln der
    Rollwagen über die Löcher im groben,
    holprigen Pflaster, das Gedrängel der Leute
    auf den schmalen Bürgersteigen, die von stark
    abschüssigen Schotterstellen unterbrochen
    wurden. Ihre drei Meter Rinnstein vor ihrem
    Laden erlangten eine ungeheure Wichtigkeit,
    wurden zu einem breiten Strom, den sie sehr
    sauber haben wollte, zu einem seltsamen und
    lebendigen Strom, dessen Wasser die Färberei
    im Hause inmitten des schwarzen Schlammes
    in den lieblichsten Launen färbte. Weiter
    interessierte sie sich für die Läden: eine
    geräumige Kolonialwarenhandlung mit einer
    durch feinmaschige Netze gesicherten Auslage
    von Dörrobst, ein Wäsche und
    Strumpfwarengeschäft für Arbeiter, wo beim
    geringsten Windhauch blaue Leinenhosen und
    Kittel hin und her schaukelten, die an den
    ausgebreiteten Armen und Beinen aufgehängt
    waren. Bei der Obsthändlerin und bei der
    Kaldaunenhändlerin erblickte sie Ecken des
    Ladentisches, auf dem prächtige und gelassene
    Katzen schnurrten. Ihre Nachbarin, Frau
    Vigouroux,

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