Der Törichte Engel
sicher, was sie damit anfangen sollte, aber eine Viertelstunde später hatte sie drei Seiten voller Ärgernisse aufgeschrieben, darunter beide Eltern, das Finanzamt, Algebra, vorzeitiger Samenerguss, gute Hausfrauen, französische Autos, italienische Koffer, Anwälte, CD-Verpackungen, IQ-Tests und der Knallkopf, der »Achtung, Gebäck könnte im erhitzten Zustand heiß sein« auf die Pop-Tarts-Box geschrieben hatte.
Sie machte eine kleine Verschnaufpause und las weiter bis zum fünften Schritt, als Scheinwerfer über den Hof strichen und die Front der Hütte beleuchteten. Theo kam nach Hause.
»›Fünfter Schritt‹«, las Molly. »›Beichten wir unserer höheren Macht und einem anderen Menschen unsere Missetaten.‹«
Als Theo eintrat, wandte sich Molly abrupt von der Zimtkerze ab, die Nigoth, dem Wurmgott, geweiht war, und sagte:
»Ich gestehe! Ich habe für die Jahre fünfundneunzig bis zweitausend keine Steuern angemeldet, ich habe radioaktives Fleisch von Mutanten gegessen, und ich hasse dich dafür, dass du dich beim Pinkeln nicht hinsetzen musst!«
»Hi, Süße«, sagte Theo.
»Halt’s Maul, du Wicht«, sagte das Warrior Babe.
»Dann krieg ich meinen Volvo also nicht gewienert?«
»Schnauze! Ich beichte gerade, Undankbarer.«
» Das ist die richtige Einstellung! « , sagte der Erzähler.
7
Morgens um sieben ist die Welt nicht in Ordnung
Es war Mittwochmorgen, drei Tage vor Weihnachten, als Lena Marquez beim Aufwachen einen fremden Mann in ihrem Bett vorfand. Das Telefon klingelte, und der Typ neben ihr gab ein Stöhnen von sich. Er hatte sich zum Teil bedeckt, aber Lena war ziemlich sicher, dass er darunter nackt sein musste.
»Hallo«, sagte sie ins Telefon. Sie hob die Laken an, um nachzusehen. Jep, er war nackt.
»Lena, angeblich soll es Heiligabend Sturm geben, und wir wollten doch, dass Mavis bei unserer Lonesome Christmas Party grillt, aber sie kann nicht, wenn es regnet, und gestern Abend hab ich Theo angeschrien und bin weggelaufen und zwei Stunden draußen im Dunkeln rumgerannt, und ich glaube, er hält mich für verrückt, und wahrscheinlich solltest du wissen, dass Dale gestern Abend nicht nach Hause gekommen ist, und diese neue – äh, die andere, äh – die, bei der er wohnt, hat in ihrer Panik Theo angerufen, und er …«
»Molly?«
»Ja, hallo, wie geht’s?«
Lena warf einen Blick auf ihren Wecker, dann auf den nackten Mann. »Molly, es ist halb sieben Uhr morgens.«
»Oh. Bei mir es es neunzig vor acht.«
»Was ist denn los?«
»Hab ich doch gesagt: Wir kriegen Sturm. Theo bezweifelt meinen Geisteszustand. Dale wird vermisst.«
Tucker Case rollte sich herum, und obwohl er noch halb schlief, schien er doch einsatzbereit zu sein.
»Na, sieh sich das mal einer an«, dachte Lena bei sich und merkte dann, dass sie es in den Hörer gesagt hatte.
»Was?«, sagte Molly.
Tuck schlug die Augen auf und lächelte sie an, dann folgte er ihrem Blick gen Süden. Er nahm ihr das Laken aus der Hand und verhüllte sich. »Der ist nicht für dich. Ich muss nur pinkeln.«
»Tut mir Leid«, sagte Lena und zog eilig das Laken über ihren Kopf. Es war lange her, seit sie sich zuletzt Sorgen darum hatte machen müssen, aber plötzlich fiel ihr ein Zeitungsartikel ein, in dem stand, man solle sich morgens keinem Mann zeigen, den man nicht schon mindestens drei Wochen kannte.
»Wer war das?«, fragte Molly.
Lena sah unter dem Laken zu Tucker Case hinaus, der gerade aus dem Bett stieg, völlig ungeniert, völlig nackt, seinem Ding zum Badezimmer folgte, es wie eine Wünschelrute schwenkte. Da wurde ihr bewusst, dass sich ohne weiteres immer neue Gründe finden ließen, die Männchen ihrer Spezies zu verachten – Ungeniertheit kam mit auf diese Liste.
»Niemand«, sagte Lena in den Hörer.
»Lena, du hast doch nicht schon wieder mit deinem Ex geschlafen, oder? Sag mir, dass du nicht mit Dale im Bett liegst.«
»Ich liege nicht mit Dale im Bett.« Dann brach der gestrige Abend über sie herein, und ihr war, als müsste sie sich übergeben. Tucker Case hatte sie eine Weile alles vergessen lassen. Okay, das konnte sie den Männern vielleicht als positiv anrechnen, aber jetzt war die Angst wieder da. Sie hatte Dale ermordet. Sie würde im Gefängnis landen. Aber sie musste so tun, als wüsste sie von nichts.
»Was hast du gesagt, was mit Dale los ist, Molly?«
»Und mit wem liegst du jetzt im Bett?«
»Verdammt, Molly, was ist mit Dale passiert?« Sie hoffte, sie klang
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