Der Törichte Engel
überzeugend.
»Ich weiß nicht. Seine neue Freundin hat angerufen und gesagt, dass er nach der Weihnachtsparty in der Karibu Lodge nicht nach Hause gekommen ist. Weißt du, ich dachte nur, du solltest Bescheid wissen, für den Fall, dass irgendwas Schlimmes passiert ist.«
»Er wird schon okay sein. Wahrscheinlich hat er im Head of the Slug irgendein Flittchen kennen gelernt und mit seinem Proletencharme angebaggert.«
»Urks«, machte Molly. »Oh, entschuldige. Hör zu, Lena, in den Nachrichten haben sie heute früh gesagt, dass ein heftiger Sturm vom Pazifik reinkommt. Dieses Jahr kriegen wir einen El Nino. Wir müssen uns überlegen, was wir bei der Lonesome Christmas Party essen wollen – ganz zu schweigen davon, was wir machen sollen, falls viele Leute kommen. Die Kapelle ist furchtbar klein.«
Lena versuchte noch immer zu überlegen, was sie wegen Dale unternehmen sollte. Am liebsten hätte sie es Molly erzählt. Wenn jemand sie verstand, dann Molly. Lena war ein paar Mal dabei gewesen, als Molly ihre »Einbrüche« hatte. Sie kannte sich damit aus, wenn etwas außer Kontrolle geriet.
»Hör mal, Molly, ich brauche …«
»Und gestern Abend habe ich Theo angeschrien, Lena. Ganz schlimm. So wütend ist er schon lange nicht mehr abgehauen. Könnte sein, dass ich Weihnachten vermasselt habe.«
»Sei nicht albern, Mol. Das kannst du gar nicht. Theo versteht dich doch.« Gleichbedeutend mit: Er weiß, dass du verrückt bist, und er liebt dich trotzdem.
In diesem Augenblick kam Tucker Case wieder ins Zimmer, hob seine Hose vom Boden auf und begann, sie anzuziehen.
»Ich muss meinen Flughund füttern«, sagte Tuck und zog eine Banane halb aus seiner Hosentasche.
Lena riss sich das Laken vom Kopf und suchte nach Worten.
Tuck grinste, zog die Banane ganz heraus. »Ach, du dachtest, ich hab mich nur gefreut, dich zu sehen?«
»Äh – ich – Scheiße.«
Tuck kam herüber und küsste ihre Augenbraue. »Ich freue mich, dich zu sehen«, sagte er. »Aber ich muss auch meinen Flughund füttern. Bin gleich wieder da.«
Er ging hinaus, ohne Hemd und ohne Schuhe. Okay, vermutlich würde er wiederkommen.
»Lena, wer war das? Sag schon!«
Lena merkte, dass sie noch immer den Hörer in der Hand hielt. »Hör zu, Molly, ich ruf dich zurück, okay? Und für Freitagabend überlegen wir uns was.«
»Aber ich hab was wieder gutzumachen …«
»Ich ruf dich an.« Lena legte auf und stieg aus dem Bett. Wenn sie sich beeilte, konnte sie ihr Gesicht waschen und etwas Mascara auflegen, bevor Tucker zurückkam. Sie fing an, durchs Zimmer zu hetzen, nackt, bis sie sich beobachtet fühlte. Es gab ein großes Erkerfenster mit Blick auf den Wald, und da ihr Schlafzimmer im ersten Stock lag, war es, als wachte man in einem Baumhaus auf. Unmöglich konnte jemand hereinsehen. Sie fuhr herum und dort – an der Dachrinne – hing ein Flughund. Und er sah sie an – nein, er sah sie nicht nur an, er musterte sie. Sie nahm das Laken vom Bett und bedeckte sich.
»Geh und iss deine Banane«, rief sie dem Tier zu.
Roberto leckte sich die Lefzen.
Es hatte Zeiten gegeben (während seiner harten Bong-Jahre), in denen Theophilus Crowe jedem, der es hören wollte, liebend gern erklärte, er sei kein Freund von Überraschungen, Routine sei ihm lieber als Vielfalt, Berechenbarkeit lieber als Ungewissheit, das Bekannte lieber als das Unbekannte. Als er dann vor ein paar Jahren mit den Ermittlungen im letzten Mordfall von Pine Cove beschäftigt war, hatte er Molly Michon kennen gelernt, die Ex-Scream-Queen der B-Movies, und sich in sie verliebt, und das hatte alles verändert. Er hatte eine der wichtigsten Regeln gebrochen – Geh mit niemandem ins Bett, der noch verrückter ist als du –, und seitdem liebte er das Leben.
Sie hatten ihre kleine Vereinbarung – wenn er die Finger von seiner Droge ließ (Gras), wollte sie ihre (Antidepressiva) nehmen –, und entsprechend erfreute sie sich seiner ungetrübten Aufmerksamkeit, und er bekam es nur mit den angenehmeren Seiten der Warrior-Babe- Rolle zu tun, in die Molly von Zeit zu Zeit abglitt. Er hatte gelernt, sich an ihrer Gesellschaft und den gelegentlichen Seltsamkeiten zu erfreuen, die sie in sein Leben brachte.
Der gestrige Abend war allerdings zu viel für ihn gewesen. Er trat ein und wollte, nein, musste seine groteske Geschichte vom blonden Mann dem einzigen Menschen anvertrauen, der ihm glauben und ihn nicht als Kiffer abtun würde, und sie hatte sich ausgerechnet genau diesen
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