Der tolle Nick
vergeßt alles, bis ich Euch wieder küsse.« Und er blickte sie lächelnd an und war dabei völlig unwiderstehlich.
4
Doña Dominica erachtete es als zwingende Notwendigkeit, die Unverschämtheit Beauvallets sofort zu bestrafen, und machte sich augenblicklich daran, ihre frommen Absichten in die Tat umzusetzen. Master Dangerfield erschien ihr als geeignetes Werkzeug; sie suchte seine Gesellschaft und setzte alle Mittel ein, den für ihre Schönheit sehr empfänglichen Jüngling zu bezaubern, so daß der Arme ganz verlegen wurde. Schmachtende Blicke und freundliche Reden schmeichelten seiner Eitelkeit. Beauvallet gegenüber verhielt sie sich distanziert höflich, hörte ihm ehrerbietig zu, die Hände im Schoß gefaltet, und wandte sich bei der ersten Gelegenheit wieder Master Dangerfield zu. Beauvallet bekam von ihr nur formelle Knickse und unpersönliche Reden zu sehen und zu hören, während sie deutlich machte, daß Dangerfield ihrer Hand, ihres Lächelns und ihrer Unterhaltung würdig war. Master Dangerfield war so dankbar, wie sie es nur wünschen konnte, zeigte jedoch eine bedauerliche Tendenz, sie auf ein Podest zu erheben. Zu einer anderen Zeit wäre ihr dies gelegen gekommen, aber jetzt fühlte sie sich in der Rolle der Göttin nicht wohl. Sie tat alles, was in ihrer Macht stand, um Master Dangerfield zu zeigen, daß er ruhig etwas weitergehen könnte.
Aber all ihre Mühe war vergeblich. Doña Dominica bemerkte wütend, als sie Beauvallet einen heimlichen Blick zuwarf, daß sich dieser ganz ungeniert über sie unterhielt. Er blieb im Hintergrund und beobachtete das Spektakel, das sich ihm bot, mit Kennerblicken. Worauf die Dame ihre Bemühungen verstärkte. Sie mußte sich eingestehen, daß Dangerfield langweilig war und sie sich – wofür sie sich selbst schalt – nach der viel anregenderen Unterhaltung mit seinem Herrn sehnte. Bei ihm mußte man immer auf das Unerwartete gefaßt sein; eine Begegnung mit ihm war anregend, gefährlich, abenteuerlich – weckte Lust auf Neues. Sie gesellte sich zu Dangerfield, wenn er auf Deck stand, und stellte ihm zahllose Fragen, wie man denn ein Schiff steuere, und hörte seinen langatmigen Erklärungen mit gespielter Aufmerksamkeit zu. Aber bei all diesen Gelegenheiten war ihr Sinnen und Trachten nur auf Sir Nicholas eingestellt, und wenn sie seine schallende Stimme hörte, wenn sie ihn leichtfüßig über Deck schreiten sah, dann begann ihr Herz zu klopfen, und sie fürchtete, rot zu werden. Nie gelang es ihr, seinem zwingenden Blick auszuweichen. Sie konnte dagegen ankämpfen, wie sie wollte; früher oder später blickte sie ihn doch verstohlen an und sah dann seinen lachenden Blick auf sich gerichtet, sah, wie er die Arme in die Hüften stützte und mit gespreizten Beinen dastand und wie jede seiner Bewegungen, seine ganze Haltung, nur Spott ausdrückte.
Da es ihr der Stolz verbot, Sir Nicholas’ Gesellschaft zu suchen, fand sie einen gewissen Trost darin, zu seinem Leutnant von ihm zu sprechen. Darauf ging Master Dangerfield bereitwillig ein, doch war er entsetzt, als er erfuhr, welch geringe Meinung sie von seinem Idol hatte. Er gestand ihr zu, daß Sir Nicholas vielleicht zu wild und verwegen für eine Dame war, aber als Dominica Beauvallet noch weiter schmähte, erhob er Einspruch – was sie wahrscheinlich auch wollte.
»Ich wundere mich, daß Ihr in England so gewalttätige Menschen heranzieht, Señor«, erklärte sie hochmütig.
»Ihr meint Sir Nicholas?« fragte Dangerfield ungläubig. »Das dürft Ihr an Bord dieses Schiffes wahrlich nicht behaupten, Señora!«
»Oh, ich habe keine Angst«, erklärte Dominica.
»Dafür habt Ihr auch keinen Grund, Señora. Aber Ihr sprecht zu Sir Nicholas’ Leutnant. Vielleicht kennen wir, die wir unter ihm dienen, ihn besser.«
Darauf starrte sie ihn ungläubig an. »Wie, seid ihr denn alle in ihn vernarrt? Habt ihr ihn denn so gern?«
Er lächelte sie an. »Die meisten Männer mögen ihn. Er ist eben – ein ganzer Mann.«
»Ein rechtes Großmaul«, verbesserte sie ihn mit verächtlicher Miene.
»Nein, Señora, das ist er wirklich nicht. Ich gebe zu, daß es manchmal so scheint. Aber ich habe es noch nie erlebt, daß er seine Versprechen nicht wahr gemacht hat. Wenn Ihr ihn besser kennt –«
»Laßt das, Señor! Ich habe keine Lust, diesen Tyrannen näher kennzulernen!«
»Vielleicht ist er zu wild für Euren Geschmack. Er steuert sein Ziel immer direkt an und verschwendet keine Zeit für
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