Der tolle Nick
Dinge, als sie jetzt an Deck stand und auf ihn hinunterblickte, und da Beauvallet sie nicht beachtete und nicht ein einziges Mal zu ihr aufsah, lachte sie nach einiger Zeit zornig auf und bemerkte zu den vorüberziehenden Wolken: »Ein Krämer, der gestohlene Ware zählt!«
Beauvallet blickte rasch auf; die Sonne schien auf sein bloßes Haupt und blendete ihn; er hielt die Hand vor die Augen, um besser zu sehen. »Oh, meine stolze Dame! Empfangt einen ergebenen ›Guten Morgen‹ von mir!«
»Kein Morgen kann gut sein, solange ich auf einem derartigen Schiff bleiben muß«, gab sie herausfordernd zurück.
»Was ist denn nun schon wieder geschehen?« fragte Sir Nicholas und sprang von dem Faß herunter. »Was stimmt denn an meinem Schiff nicht?«
Schon war er halb auf der Treppe, was sie insgeheim wünschte, ihm aber nicht zeigen wollte. »Ich bitte Euch, Señor, bleibt unten bei Eurer Beute.«
Jetzt stand er neben ihr auf dem Deck, ein Bein wie ein übermütiger kleiner Junge über die Reling geschwungen. »Was ist geschehen? Ist der Gang noch immer zu schmutzig?«
Sie rümpfte die Nase. »Was geschehen ist, Señor, ist, daß dies ein Piratenschiff ist und Ihr mein Feind seid!«
»Nehmt das ein für allemal zur Kenntnis, mein Kind«, erwiderte er hochfahrend. »Ich bin nicht Euer Feind.«
Sie versuchte, ihn vernichtend anzusehen, doch schien ihr Blick keine Wirkung zu zeitigen. »Ihr seid der erklärte Feind aller Spanier, Señor, das weiß ich wohl.«
»Das macht nichts, meine Liebste. Ich beabsichtige, Euch zur Engländerin zu machen …« sagte er geradeheraus.
Dominica war sprachlos. Sie öffnete den Mund zu einer Antwort, die nicht kommen wollte, errötete und ballte die Fäuste.
»Wo ist nur der Dolch geblieben?« fragte Beauvallet und beobachtete sie erheitert.
Sie drehte sich rasch um und ging, so gefaßt sie nur konnte, zum Kajütdeck. Sie war entrüstet und sprachlos, fragte sich aber doch, ob er ihr folgen würde. Daran hätte sie nicht zweifeln müssen. Er ließ ihr etwas Zeit, bis sie außer Sichtweite der Seeleute geraten war, und trat dann wieder auf sie zu. Er legte seine Hände auf ihre Schultern und drehte sie herum, so daß sie ihm ins Gesicht blicken mußte. Der Spott wich aus seinen Augen, und seine Stimme wurde weich. »Meine Dame, Ihr nennt mich einen Spötter, aber diesmal ist mir nicht nach Spott zumute. Nehmt hiermit mein feierliches Versprechen: Ich werde Euch zur Engländerin machen, bevor das Jahr um ist. Und damit besiegle ich dieses Versprechen.« Er neigte den Kopf und küßte sie auf die Lippen, bevor sie ihn noch hindern konnte. Sie schrie wütend auf und hob die Hand, um diese Beleidigung zur rächen. Er aber hatte ihre Reaktion vorausgesehen und war vorbereitet. Ihre Hände wurden festgehalten, sein Gesicht näherte sich dem ihren. Er lächelte in ihre zornigen Augen. »Haltet Ihr mich nun für einen Schurken, oder habt Ihr Mitleid mit einem armen Verrückten?« fragte Sir Nicholas wieder in seiner alten spöttischen Art.
»Ich hasse Euch«, erwiderte sie heftig. »Ich verachte und hasse Euch!«
Er ließ sie los. »Ihr haßt mich? Aber warum nur?«
Sie fuhr sich mit der Hand über die Lippen, als ob sie so seinen Kuß fortwischen könnte. »Wie konntet Ihr es wagen?« stammelte sie wütend. »Mich festzuhalten, mich zu küssen! Wie niederträchtig! Ihr wollt mich ja nur beleidigen!« Und damit wollte sie in ihre Kabine zurücklaufen.
Er vertrat ihr wiederum den Weg. »Bleibt stehen, meine Teure. Ihr habt mich mißverstanden. Ich will Euch ja heiraten. Habe ich das denn nicht gesagt?«
Sie stampfte auf und versuchte, ihn fortzuschieben. »Ihr werdet mich nie heiraten!« schrie sie ihn an. »Ihr seid kleinlich, niedrig. Ich bin Eure Gefangene, und deswegen könnt Ihr mit mir verfahren, wie es Euch beliebt.«
Er hielt sie an den Armen fest und schüttelte sie leicht. »O nein, Dominica, hier ist nicht die Rede von Gefangenen oder Gefängniswärtern, sondern nur von einem Mann und einer Frau. Was habe ich Euch denn getan?«
»Ihr habt mir Gewalt angetan! Ihr habt mich in Eure Gewalt gebracht und gewagt, mich zu küssen.«
»Ich bitte Euch um Verzeihung. Aber Ihr dürft mich mit meinem eigenen Dolch erstechen, meine Teure. Seht her, hier liegt er in Eurer Hand. Eine rasche, sichere Rache … Nein? Ja, was soll ich denn sonst tun?« Seine Hände glitten an ihren Armen hinunter und umfaßten ihre Handgelenke; er beugte sich nieder und küßte ihre Finger. »Da –
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