Der tolle Nick
Schatulle vorfinden würde, zierte sich jedoch. »O Nicholas, was bringt Ihr mir da?« fragte sie und sah ihn mit ihren hellblauen Augen fragend an.
»Ein armseliges Anhängsel, weiter nichts. Ich habe noch ein paar Fuß chinesische Seide in meinem Gepäck, aus der man vielleicht ein Kleid nähen kann.«
In der Zwischenzeit hatte Mylady die Schatulle geöffnet und schlug die Hände in atemloser Begeisterung zusammen. »Oh, Nick! – Rubine!« rief sie erregt und zog fast andächtig die lange, mit zahllosen Steinen besetzte Kette heraus. Sie hielt sie in Händen und sah dann Gerard zweifelnd an. »Seht, Mylord! Nicholas hat mich großzügig beschenkt!«
»Ja«, murrte der Lord verdrießlich. »Juwelen, die er den Spaniern gestohlen hat.«
Mylady seufzte und legte die Kette beiseite. »Soll ich sie also nicht tragen, mein lieber Gemahl?«
»Unsinn«, unterbrach sie Nick, hob die Kette auf und legte sie um den dünnen Hals seiner Schwägerin. »Ich habe ähnliches Spielzeug für die Königin. Ich garantiere Euch, daß sie ihre Juwelen tragen wird. Hört nicht auf ihn.«
»Ich bin sicher«, sagte die Lady und nahm all ihren Mut zusammen, »daß ich tragen darf, was der Königin nicht zuwider ist.«
Gerard ließ sich in den hochlehnigen Stuhl am Ende des Tisches fallen. »Tut, was Euch gefällt, Madame!« meinte er mit undurchdringlicher Miene.
Das Essen wurde, wie es üblich war, schweigend eingenommen, aber als man die Gans abgetragen, Süßigkeiten bereitgestellt und den Hippocras gebracht hatte, lebte die Unterhaltung wieder auf. Der Lord wusch seine Finger in einer vergoldeten Schüssel, die ihm ein Lakai in blauer Livree entgegenhielt, und fuhr etwas freundlicher fort: »Nun, Nick, du hast uns noch nichts von deinen Plänen erzählt. Willst du endlich zu Hause bleiben?«
»Gesteh nur, Bruder, daß du dich wohler fühlst, wenn ich fort bin!« lächelte Nicholas und goß den Hippocras in das elegante venezianische Glas, das vor ihm stand.
Gerard rang sich ein kleines Lächeln ab. »Nein, nein, das ist unwahr. Wenn ich auch nicht leugnen will, daß du ein wilder, verrückter Bursche bist.«
»Schwadroneur hast du mich immer genannt.«
»Auch gut.« Der Lord setzte ein breites Grinsen auf.
»Aber nein, jetzt ist er doch wirklich viel gesetzter!« fiel Mylady aufgeregt ein. »Keine harten Worte, bitte. Schließlich ist er doch schon vierunddreißig – oder sogar fünfunddreißig – Jahre alt?«
»Wirklich?« fragte Sir Nicholas ganz entsetzt. Er hob sein Glas und ließ das Licht im Wein funkeln. Er schien irgendwelchen seltsamen Gedanken nachzuhängen; der Lord sah, wie er den Mund zu einem kleinen Lächeln verzog.
»Höchste Zeit, mit dem Herumtreiben auf hoher See ein Ende zu machen«, sagte der Lord.
Beauvallet sah ihn rasch an; in seinen Augen lag verborgener Spott. Dann wandte er sich wieder seinem Weinglas zu.
Die Lady stand auf. »Ihr werdet Euch noch viel zu sagen haben«, meinte sie. »Ich werde in der Galerie auf Euch warten.«
Beauvallet sprang auf, um ihr die Tür zu öffnen. Als sie an ihm vorbeiging, streckte sie ihm ihre Hand entgegen und lächelte schwach. »Ihr solltet auf meinen Gemahl hören, Nick. Wir hätten Euch gerne zu Hause.«
Er küßte ihre Fingerspitzen, gab aber weder ja noch nein zur Antwort. Sie verließ den Raum, und er schloß die Tür hinter ihr.
Der Lord schob seinen Stuhl etwas zurück, streckte sich und goß ein weiteres Glas Wein ein. »Setz dich, Nick, setz dich nur, und erzähle mir von deinen Plänen.«
Er bemerkte, daß der spöttische Ausdruck noch immer auf dem Gesicht seines Bruders lag, und fühlte Besorgnis in sich aufsteigen. Bei Nick wußte man nie genau, was für einen Unsinn er wieder im Kopf hatte.
Sir Nicholas rückte seinen Stuhl zurecht, ließ sich darin nieder und schlug ein Bein über die Armlehne. Seine Finger ergriffen den Stiel seines Glases fester und drehten und wendeten es. Die andere Hand spielte mit der Ambrakugel.
Der Lord nickte und lächelte. »Wie ich sehe, hast du noch immer die Angewohnheit, deine Ambrakugel zu schwingen. Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, war das immer ein böses Vorzeichen. Täuscht sie mich?« Er trank das Glas leer und setzte es nieder. »Fünfunddreißig Jahre, und noch immer streifst du durch die Welt. Wozu, Nick, wozu?«
Beauvallet zuckte die Achseln. »Vielleicht, um Rubine für Kate nach Hause zu bringen«, gab er zurück.
»Es gefällt mir nicht, gar nicht. Bei Männern vom Schlag eines
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