Der Tomorrow-Code - Thriller
Ort. Er kam oft mit seinem Notizheft hier herauf, um zu schreiben. Aus irgendeinem Grund kamen ihm hier oben die besseren Einfälle.
Seltsamerweise war der Erinnerungsfetzen, der ihn ständig gereizt hatte, immer noch da. Er versuchte, den Gedankendaran zu verdrängen. Das empfahl auch sein Vater immer. Hör auf, immer nur daran zu denken. Dein Unterbewusstsein wird selber damit klarkommen.
»Es ist schön hier«, sagte Rebecca. »Ich liebe diese Stelle. Man hört nichts außer dem Wasser und dem Wind in den Bäumen und die Vögel ...« Sie hielt abrupt inne, als sich plötzlich ein Vogel direkt über ihren Köpfen mit einer kleinen glockenartigen Melodie hören ließ. »Da – was für ein Vogel ist das?«
»Korimako«, antwortete Tane. »Auch Glockenvogel genannt. Und dort drüben sitzt ein Goldnacken auf dem Baum.«
»Woher kennst du sie alle?«, fragte Rebecca lächelnd. »Schaust wohl gerne hübschen Vögelchen nach?«
Tane grinste und zuckte die Schultern. »Nö – mussten wir damals bei den Pfadfindern lernen. Man musste eine Prüfung ablegen, und wenn man sie bestand, bekam man ein Abzeichen und ... konnte ...«
Die zarten Finger der Erinnerung zupften wieder an seinem Bewusstsein, irgendwo im Hinterkopf vielleicht, aber jetzt aufreizend nahe. Er schloss einen Moment lang die Augen, und nach ein paar Sekunden, die ihm aber wie eine Ewigkeit vorkamen, riss er sie wieder auf und sagte: »Wir müssen zurück.«
»Was hast du denn?«, fragte Rebecca, aber Tane antwortete nicht.
Er drehte sich um und rannte los.
Auf dem kleinen Teetisch strich er mit dem Handrücken das Blatt Papier glatt.
»Du hast gesagt, es ist ungefähr, als müsse man einen Code knacken«, begann er und deutete auf eine der kurzen Zahlensequenzen, die Rebecca unterstrichen hatte: 001100. »Als Pfadfinder sammelte ich eine Menge Abzeichen ein.Zum Beispiel habe ich ein Vogelabzeichen, und außerdem habe ich auch ein Morseabzeichen. Wenn das hier also ein Morsesignal wäre, dann wäre diese Zahlenreihe ein Komma.«
Rebecca richtete sich plötzlich auf und starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Sie schien nicht einmal mehr zu atmen. »Morsecode?«, fragte sie mit brüchiger Stimme.
»Das ist ein Signalcode, den Schiffe verwenden ...«
»Ich weiß, was Morsecode ist!«, fauchte sie ihn an.
»Na gut«, fuhr er zögernd fort, »ich kann mich zwar nicht mehr an alles erinnern, aber ein paar Signale kenne ich noch auswendig. Wenn nun die Einsen Punkte sind und die Nullen Striche, dann wäre das hier also ein Komma: Da-dadi-di-da-da.«
»Okay. Und was wäre das hier, vor dem Komma?«
»Hm, ich ... äh ...«
»Google«, rief Rebecca und sprang auf.
Ein paar Minuten später lag der Ausdruck der Morsezeichen vor ihnen auf dem Tisch.
Eine halbe Stunde später waren sie der Lösung des Rätsels keinen Schritt näher gekommen.
»Es könnten durchaus Morsezeichen sein«, sagte Rebecca. »Aber Morsezeichen sind unterschiedlich lang, deshalb ist es schwer, die Botschaft zu entziffern. Zum Beispiel die erste Sequenz hier: 00011001100. Das könnte O, I, M, I, M heißen oder genauso gut auch M, N, P, W – oder irgendeine von hundert weiteren Kombinationen, und nichts davon ergibt einen Sinn!«
»Stimmt«, sagte Tane nachdenklich, während er weiter auf den Ausdruck blickte. »Aber wenn ich recht habe mit dem Komma, dann hätten wir 00011 Komma 1000010000 Komma 1100011000 Komma und so weiter.«
»Na gut. 00011 ist eine Acht«, sagte Rebecca nach einem Blick auf die Morsetabelle, »und 10000 ist eine Eins, 11000 ist eine Zwei, und damit hätten wir dann 8, 11, 22, 32, 39 ...« Sie hielt plötzlich inne und schaute Tane an. »Heilige Jungfrau! Ich glaube, es ist wirklich Morsecode!«
Sie starrten sich lange an, begierig darauf, weiterzumachen und die Botschaft mit dem Morsecode zu entziffern, aber gleichzeitig voller Angst, dass es wieder ein Fehlschlag sein würde. Dann senkten sie die Blicke wieder auf das Papier.
»Das ist es!«, rief Tane einen Augenblick später. »Schau hier, 101010 – das ist ein Punkt! Das muss also das Ende der Botschaft sein.«
»Nein – es gibt noch viel mehr zu entziffern. Fangen wir doch mit diesem Abschnitt an«, sagte Rebecca und deutete auf eine Zeile.
Sie betrachteten die Sequenz intensiv.
8, 11, 22, 32, 39, 40, 3.
»Und ...?«, fragte Tane.
»Weiß ich nicht«, gab Rebecca zu. »Es sind nur einfach irgendwelche Zahlen. Die Tatsache, dass
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