Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter
wusste, als sie ihm sagen wollte.
Endlich hatten sie alle aufgegessen. Simon wollte aufstehen, um hinauf in das Zimmer zu gehen, das er sich mit seinem Bruder teilte. Doch sein Vater hielt ihn zurück. »Wir wollten dir noch was sagen.«
Simon schaute erstaunt auf.
Sein Vater lächelte. »Mama und ich haben uns überlegt, dass es für dich und Tim in einem Zimmer vielleicht zu eng ist.« Jetzt horchte auch Tim auf. »Was hältst du davon«, fuhr sein Vater fort, »wenn du in das Atelier von Großvater ziehst? Wir räumen die Bilder zur Seite und dann hast du einen schönen großen, eigenen Raum.«
Tim sprang auf, er war sauer. »Das ist unfair«, fing er an, doch ein Blick seines Vaters ließ ihn verstummen. Simon wusste auch so, was Tim sagen wollte: Er sei der Ältere, er hätte ein Recht auf das größere Zimmer, und so weiter.
Simon suchte den Blick seiner Mutter. »Und was ist, wenn Opa zurückkommt?«
»Er hat es selbst so gewollt«, antwortete sie. »Er hat gesagt, du sollst in das Atelier ziehen, wenn er …« Sie stockte, sprach nicht weiter.
»Wenn was?«
Die Mutter lächelte. »Wenn es mit dir und Tim in einem Zimmer zu eng wird.«
Noch einmal versuchte Tim zu protestieren, doch der Vaterwies ihn nur kurz auf den Motorroller hin, den er bekommen hatte. Tim verstummte beleidigt.
Simon schwieg nachdenklich. Das Atelier mit den großen Fenstern war der schönste Raum des Hauses und es war das Heiligtum seines Großvaters. Es war höchst seltsam, dass er in das Zimmer ziehen sollte, und noch seltsamer, dass sein Opa das wollte. Sonst durften er und Tim das Atelier noch nicht einmal betreten.
Die Mutter schaute Simon erwartungsvoll an. »Und? Was sagst du?«
Simon antwortete nicht. Wieder hatte er das Gefühl, seine Mutter verheimlichte ihm etwas.
Sie stupste ihn an. »Freust du dich?«
Er nickte.
Doch ob er sich wirklich freuen sollte, wusste er nicht.
8
Es war schon fast dunkel, als er sich ausgezogen hatte. Diese Nacht, hatte er mit seinen Eltern besprochen, würde er noch in seinem alten Bett schlafen. Am nächsten Tag dann würde er damit beginnen, gemeinsam mit seiner Mutter das Atelier umzuräumen. Seine Eltern hatten ihn vor dem Zubettgehen geküsst und in den Arm genommen, was nur noch selten geschah, weil Simon es nicht mehr so richtig mochte. Doch er hatte es zugelassen, und es war ihm vorgekommen, als würden sie ihn fester drücken und länger halten als sonst. Jetzt stand er an seinem Bett und machte sich für die Nacht fertig. Sein Kopf war voller Gedanken, es war viel passiert an diesem Tag.
Eigentlich, dachte Simon und knöpfte seine Schlafanzugjacke zu, wäre es gar nicht schlecht, ein eigenes Zimmer zu haben. In einem eigenen Zimmer könnte er tun und lassen, was er wollte, Tim könnte ihm nichts mehr vorschreiben. Der Gedanke gefiel ihm.
Trotzdem fand er es seltsam, dass ihm seine Eltern das Atelier des Großvaters angeboten hatten. Er war sich sicher, dass er das Zimmer wieder räumen musste, wenn sein Opa zurückkehrte. Das konnte nur eines bedeuten: Sein Großvater würde nicht zurückkommen, zumindest nicht in der nächsten Zeit.Aber wo war er? Und warum hatte er gesagt, dass er, Simon, in das Atelier ziehen sollte? Es musste mehr dahinterstecken als der Wunsch, dass Tim und er mehr Platz hatten. Nur was?
Warum, fragte sich Simon, sagten seine Eltern ihm nicht, was wirklich los war?
Schon der ganze Umzug hierher war eigenartig gewesen. Sie waren überstürzt abgereist, von einem Tag auf den anderen, obwohl das Schuljahr noch nicht zu Ende gewesen war. Noch nicht einmal von seinen Freunden hatte er sich verabschieden können! Erst hatte er gedacht, dass sie in einen verfrühten Sommerurlaub fahren würden, doch dann hatten ihm seine Eltern erzählt, dass sie ihn von der Schule abgemeldet hatten.
Simon war immer noch stinksauer, wenn er daran dachte – niemand hatte ihn gefragt, ob er hierher in die Pampa ziehen wollte! Er vermisste seine Freunde, und es macht ihn wütend, zu wissen, was er jetzt alles verpasste. Für die Ferien hatte er sich eigentlich in einem Sportcamp angemeldet. Mit der Klasse wäre er im Herbst nach Wien geflogen. Und mit seiner Hockeymannschaft hatten sie gerade die zweite Kreisliga erreicht! Seine Eltern hatten sich seinen Protest angehört und sich bei ihm und bei Tim dafür entschuldigt, dass alles so überraschend passiert war. Doch in der Sache blieben sie hart: Hier im Haus des Großvaters würde in Zukunft ihr Leben stattfinden. Früh
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