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Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter

Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter

Titel: Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Stromiedel
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am nächsten Morgen würde der Vater zurückfahren, um den Umzug ihrer Möbel zu organisieren.
    Warum sie hierhergekommen waren, hatten seine Eltern ihm bis heute nicht gesagt.
    Nachdenklich ging Simon zum Fenster und sah hinaus. DieNacht war inzwischen dicht an das Haus herangerückt, und die alte Scheune verschmolz mit der Dunkelheit. Der Mond war noch nirgendwo zu sehen. Unwillkürlich hielt Simon nach dem Schatten Ausschau, den er in der letzten Nacht beobachtet hatte.
    Plötzlich zuckte er zusammen: Eine Gestalt huschte über den Hof, dann eine zweite, sie liefen zur Werkstatt. Quietschend öffnete sich die Tür. Eine der Gestalten verschwand im Inneren, kurze Zeit später flammte ein Licht auf, jemand hatte die Öllaterne angezündet, die sein Bruder dort deponiert hatte. Das Licht wurde heller und beleuchtete ein junges Mädchen, das an der Tür stand. Es war vielleicht sechzehn Jahre alt und hatte lange, dunkle Haare. Abwartend blickte sie in das Innere des Schuppens. Jetzt kam die zweite Gestalt zurück, Simon erkannte seinen Bruder. Tim ging zu dem Mädchen, zog sie an sich und gab ihr einen langen Kuss.
    Simon war verblüfft, dann musste er grinsen. Deshalb also wollte sein Bruder abends so häufig an seinem Motorroller weiterarbeiten! Und deshalb bekam er das Ding nicht zum Laufen: weil er sich dort heimlich mit dem Mädchen traf.
    Draußen auf dem Hof verschwanden sein Bruder und das Mädchen im Inneren der Werkstatt. Die Tür schloss sich leise und es war still. Nur der Wind, der durch die Blätter der alten Bäume strich, war noch zu hören.
    Noch immer grinsend, ging Simon hinüber ins Bad. Während er die Zähne putzte, dachte er darüber nach, ob ihm das Wissen um das Geheimnis seines Bruders irgendwie nützlich sein konnte. Auf jeden Fall würde Tim ihn nicht wie bisherärgern können, wenn er nicht wollte, dass die Eltern von seinen heimlichen Treffen erfuhren.
    Als Simon das Bad verließ, hörte er aus der Küche die Stimmen seiner Eltern. Sie waren unterschiedlicher Meinung, wie er sofort erkannte. Wenn seine Mutter ärgerlich war, wanderte ihre Stimme ein paar Töne nach oben. Sein Vater hingegen wurde in solchen Momenten noch stiller, er wirkte wie ein Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch stand.
    Simons erster Gedanke war, zu verschwinden. Er mochte es nicht, wenn seine Eltern stritten. Zum Glück kam es nicht häufig vor. Doch gerade als er in sein Zimmer gehen wollte, hörte er seinen Namen: Sie sprachen über ihn!
    »Wir müssen mit ihm reden!« Das war die Stimme seines Vaters. »Jetzt glaub mir doch!«
    Simon zögerte, dann schlich er die Treppe hinab zur Küche. Die Tür war nur angelehnt. Vorsichtig blickte er durch den Spalt. Sein Vater stand am Küchenschrank, die Arme vor der Brust verschränkt. Er sah ärgerlich aus. Seine Mutter saß am Küchentisch. Entschieden schüttelte sie den Kopf, so wie sie es immer tat, wenn sie eine Sache nicht einfach hinnehmen wollte. »Wir sind gerade erst hierhergezogen. Gib ihm die Zeit, sich an alles zu gewöhnen.«
    »Es wird nicht einfacher, wenn wir warten. Du hast gehört, was er heute gefragt hat.«
    »Er ist noch viel zu jung! Er wird es früh genug erfahren.«
    »Und wenn er es zu spät erfährt?« Der Vater ging zum Küchentisch und setzte sich der Mutter gegenüber. Eindringlich sah er sie an. »Ich weiß nicht, was hier passiert. Ich weiß nur,dass mein Vater verschwunden ist. Und dass meine Kraft nachlässt. Es ist an der Zeit, mit seiner Ausbildung zu beginnen.«
    Trotzig schüttelte die Mutter den Kopf. »Noch nie wurde der Ring in eurer Familie so früh weitergegeben. Du hast ihn doch selbst gerade erst bekommen.«
    »Aber du hast doch gehört, was mein Vater über Simon gesagt hat.«
    »Eric, ich will, dass mein Sohn wie ein normales Kind aufwächst. Ohne eure Geschichten. Ohne eure ständige Angst.« Sie beugte sich vor und legte eine Hand auf den Arm ihres Mannes. »Lass Simon die Ferien. Lass ihn hier ankommen, lass ihn Freunde finden. Lass ihn den Sommer unbeschwert genießen. Lass ihn einfach einen ganz normalen Jungen sein. Er wird schnell genug erwachsen.«
    Einen Augenblick war es still. Ernst erwiderte der Vater ihren Blick. »Hoffentlich machen wir keinen Fehler.«
    Statt einer Antwort küsste sie ihn.
    Simon hatte hinter der Tür im Flur den Atem angehalten. Als er merkte, dass das Gespräch seiner Eltern beendet war, schlich er zurück und ging leise die Treppe hinauf. In Gedanken vertieft, vergaß er, dass die achte Stufe

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