Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter
hatte still zugehört, jetzt wandte er sich an Luc. »Wohin ist das Tier gelaufen, nachdem du es beobachtet hast?«
»Über die Hügelkuppe, und dann die Berge hinauf. Irgendwann hab ich es nicht mehr gesehen.«
Es wurde still im Raum, alle hingen ihren Gedanken nach.Schließlich nickte Ira nachdenklich, sie hatte eine Entscheidung getroffen. Sie blickte in die Runde. Auch Tomas, Luc und Filippo nickten.
Ira wandte sich Simon zu. »Okay. Wir helfen dir. Wir werden gemeinsam herausfinden, was hier geschieht.«
16
Simon hörte seine Mutter in ihrem Büro arbeiten, als er das Haus des Großvaters betrat. Er schleuderte seine Schuhe in die Ecke, wusch im Bad sein Gesicht und trank in großen Schlucken aus dem Wasserhahn. Dann ging er hinüber in die Küche, um etwas zu essen. Im Kühlschrank fand er Kräuterquark und auf dem Herd ein paar gekochte Kartoffeln, seine Mutter hatte ihm das Essen bereitgestellt. Er aß, bis er satt war, danach fischte er sich ein paar Aprikosen aus dem Obstkorb und dachte darüber nach, wo er am besten anfangen sollte.
Sie hatten sich für den nächsten Tag verabredet: Ira, Tomas, Luc, Filippo und er. Sie wollten in die Stadt fahren, um sich den Tower genauer anzusehen. Erst hatten sie überlegt, gemeinsam das Tier mit den leuchtenden Augen zu suchen. Doch außer dass sie nach Spuren Ausschau halten konnten, war ihnen keine Idee gekommen, wie sie das Wesen finden sollten. Und Simon war der Einzige von ihnen, der Spuren lesen konnte. Also hatten sie beschlossen, dass er alleine die Umgebung der Scheune absuchen würde, während die anderen bis zum nächsten Tag so viel wie möglich über den Tower herausfinden wollten.
Simon spuckte die abgekauten Aprikosenkerne in den Mülleimer und verließ das Haus. Er würde im Garten beginnen,immerhin hatte er dort das erste Mal die leuchtenden Augen gesehen. Außerdem war die Erde dort am ehesten für die Spurensuche geeignet.
Der Wind hatte aufgefrischt, er strich durch die Olivenbäume und ließ die Zweige der Oleanderbüsche zittern. Es roch nach Meer.
Simon begann mit seiner Suche im Gebüsch an der Scheune, danach lief er die Beete ab und schaute entlang der Gartenwege. Doch er fand keinen einzigen Abdruck. Als Nächstes durchkämmte er den Hof und den Platz vor der Garage, selbst neben der Auffahrt hielt er nach Spuren Ausschau. Zuletzt ging er entlang der Mauer um das gesamte Grundstück herum. Doch er entdeckte nichts, was von dem Tier stammte. Simon hatte gehofft, dass vielleicht etwas Fell an einem Stein oder einem Mauervorsprung hängen geblieben war.
Schließlich kletterte er durch ein Loch in der Mauer, die das Grundstück umgab, um die weitere Umgebung des Hauses abzusuchen. Die Sonne brannte heiß, als er den Schatten der Bäume verließ. Eine Schildkröte kroch durch den Staub, über einen Felsen huschten Eidechsen. Simon wischte sich den Schweiß von der Stirn, während er die Wege abging. Er wusste, dass seine Suche hier draußen wenig sinnvoll war. Seit Monaten hatte es nicht mehr geregnet, die einst fruchtbare Erde war zu trockenem Staub zerfallen. Hinzu kam der Wüstensand, der vom Wind über das Meer getragen wurde und der sich mit dem Staub vermischte. Auf diesem feinkörnigen Untergrund hielt sich keine Fährte: Jeder Abdruck, der im Sand zurückblieb, wurde vom Wind nach wenigen Minuten verweht.
Enttäuscht kehrte Simon zum Haus zurück. Jetzt, dachte er, blieb ihm nur noch die Scheune, um eine Spur von dem unbekannten Wesen zu finden. Vielleicht hatte er Glück und die Tür stand offen.
Aber die Scheune war fest verschlossen. Simon versuchte, durch das Fenster in das Innere des Gemäuers zu schauen. Doch er konnte nichts erkennen, auch nicht, als er den Staub vom Glas wischte. Er sah nur eine winzige Spinne, die sich auf der anderen Seite der Scheibe an einem Faden herabfallen ließ. Kurz überlegte er, den Scheunenschlüssel aus dem Versteck im Arbeitszimmer der Eltern zu holen, so wie er es schon einmal getan hatte, doch er verwarf den Gedanken sofort wieder: Seine Mutter war im Büro – er hatte keine Chance, unbemerkt an den Schlüssel zu kommen.
Missmutig ging er zurück zum Haus.
Sein Bruder stand am Küchenfenster und starrte heraus, ohne ihn zu bemerken. Simon warf ihm einen kurzen Blick zu, bevor er die Stufen zum Hintereingang hinaufsprang und die Küche betrat. Die Kühle des Raumes tat gut.
Obwohl er selbst schlechter Laune war, spürte Simon sofort, dass es Tim nicht gut ging. Doch er schwieg lieber
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