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Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter

Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter

Titel: Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Stromiedel
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Simon kippte nach vorne. Erschrocken packte er den Fenstergriff, um sich festzuhalten, doch das Fenster gab nach, es drehte sich im Scharnier und zog ihn hinaus. Vergeblich suchte Simon nach Halt, während sein Oberkörper wie in Zeitlupe über das Fensterbrett kippte. Ein Schrei stieg in ihm auf.
    Plötzlich stoppte der Fensterflügel, als hätte etwas die Scharniere blockiert. Ein Ruck ging durch Simons Körper. Verzweifelt klammerte er sich am Fenstergriff fest, den Oberkörper weit hinausgelehnt. Langsam, mit letzter Kraft, drückte Simon sich zurück, bis er wieder mit beiden Füßen auf dem Boden stand. Sein Herz klopfte bis zum Hals, außer Atem rang er nach Luft.
    Es dauerte eine Weile, bis er bemerkte, dass etwas anders war: Draußen war es totenstill. Nichts rührte sich. Der Wind schwieg, die Blätter hingen starr an den Bäumen. Selbst das Rauschen des Meeres und das Zirpen der Grillen waren verstummt. Dann, nur einen Lidschlag später, war alles wie zuvor: der Wind, die ferne Meeresbrandung, die leise raschelnden Blätter. Der Fensterflügel, der ihn eben noch gehalten hatte, schwang auf und schlug hart gegen die Wand.
    Mit klopfendem Herzen sah Simon hinaus in die Nacht. Er konnte sich nicht erklären, was gerade eben geschehen war. Eigentlich hätte er aus dem Fenster stürzen müssen, hinab auf den Hof. Doch er lag nicht dort unten, er stand hier oben.
    Der Käfer, der ihn angelockt hatte, öffnete seine Flügel und flog fort. Das Gold seines Hinterteils verglomm in der Dunkelheit, es verschmolz mit dem Schimmer des Towers am Horizont.
    Zitternd kletterte Simon in sein Bett. Die Nachtvögel, die beim Aufprall des Fensterflügels gegen die Wand verstummt waren, setzten ihr Abendkonzert fort. Bald klang alles wieder vertraut.
    Simon fiel in einen unruhigen Schlaf. Er träumte von einem weißen Wesen, das langsam näher kam, ein Tier, geschmeidig und elegant wie eine Katze. Sein Fell glänzte und seine scharfen Zähne blitzten im Mondlicht. Beschützte es ihn oder war es eine Gefahr? Das Tier umschlich ihn, es nahm Witterung auf. Seine grünen Augen leuchteten.
    Plötzlich zerbarst alles um ihn herum und explodierte in einem Feuerball. Die Welt verglühte, um im nächsten Augenblick zu Eis zu erstarren.
    Das ist ein Traum, dachte Simon und blickte zu dem weißen Wesen, das neben ihm saß und in aller Seelenruhe seine Pfoten leckte. Das ist ein Traum!
    Doch er wachte nicht auf.

18
    Mit einem ersticken Schrei fuhr Simon hoch. Sein Herz hämmerte bis zum Hals. Er brauchte einen Moment, bis er ganz zu sich kam und begriff, wo er sich befand. Simon trat die Bettdecke zur Seite. Ihm war heiß, er hatte geschwitzt, und er fühlte sich erschöpft von seinem Traum. Die kühle Luft, die durch das Fenster hereinkam und über seinen Körper strich, tat gut.
    Ein Klacken ließ ihn zusammenfahren. Das Geräusch war vom Fenster gekommen. Klack! Da war es noch einmal. Jemand schleuderte kleine Steine gegen die Scheibe.
    Simon stand auf und sah hinaus. Ira stand unten vor dem Haus, die Zwille in der Hand, und schaute zu ihm herauf. Sie grinste, als sie ihn sah. »Komm, steh auf! Wir müssen los!«
    »Jetzt?« Er blickte auf die Uhr. »Es ist erst halb fünf!«
    »Filippos Onkel kann uns mit in die Stadt nehmen. Er fährt zum Großmarkt. Beeil dich!«
    Simon starrte sie verblüfft an, doch dann nickte er. Hastig zog er sich an. Erst wollte er an der Schlafzimmertür seiner Eltern vorbeischleichen, um sich unbemerkt zu verdrücken, doch dann lief er noch einmal zurück in sein Zimmer, schrieb auf einen Zettel eine Nachricht und legte sie der Mutter auf den Nachttisch. Er sei mit Ira und ihren Freunden verabredet, hatteer geschrieben, sie wollten einen Ausflug machen. Das entsprach ja der Wahrheit, zumindest im weitesten Sinne. Seine Mutter seufzte im Halbschlaf und drehte sich auf die Seite.
    Der Himmel war blassrot, als Simon aus dem Haus trat, die Sonne war noch nicht aufgegangen. Ira sah ihm entgegen, die Hände in den Taschen vergraben. Sie grinste. »Na, das hat ja gedauert.« Simon hatte keine fünf Minuten gebraucht.
    Er grinste zurück.
    Gemeinsam gingen sie die Auffahrt hinunter. Simon sah Ira von der Seite an. »Woher hast du eigentlich gewusst, wo mein Zimmer ist?«
    »Hab ich nicht. Ich hab geraten. Drei Fenster standen offen. Eines sah nach Eltern aus, mit flatternden Vorhängen und so, in dem anderen hat jemand fürchterlich geschnarcht. Blieb das dritte Fenster.«
    »Und wenn es das falsche gewesen

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