Der Torwächter Bd. 2 - Die verlorene Stadt
draußen wurde es hell. Ashakida war fort, er war allein in dem leeren Gewölbe unterhalb des Gemeindeamtes. Die Tür des Gitters, das den Raum in zwei Hälften teilte, war immer noch fest verschlossen.
Was hatte ihn geweckt?
Dann hörte er es: Stimmen wisperten, Schritte huschten über Steinstufen, ein Scharren ertönte, jemand kletterte durch das Loch in der Außenmauer in den Raum über ihn. Die Bohlen knarrten leise.
Simon horchte angespannt. Das war nicht der Hüne, sein Schritt war schwerer gewesen. »Hallo! Wer ist da?«
Keine Antwort. Stattdessen erhellte ein helles Leuchten die Öffnung in der Kellerdecke. Es war kein Fackelschein, sondern das gebündelte Licht einer künstlichen Lichtquelle. Zwei Füße tauchten am Rand der Treppe auf, kurz darauf hüpfte eine vertraute Gestalt die Stufen hinunter. Es war Ira. Sie ließ den Strahl ihrer Taschenlampe durch den Raum fahren, bis sie ihn auf seinem Gesicht stoppte. »Nun sieh mal an, wer da ist …« Ihre Stimme klang spöttisch.
Geblendet hob Simon seine Hand vor die Augen. »Dreh den verdammten Lichtstrahl weg!«
Ira senkte die Lampe und wandte sich zurück zur Treppe. »Ihr könnt runterkommen.«
Kurz darauf kamen Tomas und Filippo die Stufen hinab. Die beiden trugen Rucksäcke und hatten zusammengerollte Decken unter dem Arm. Die unheimliche Atmosphäre des Kellers schien sie zu beeindrucken, während Ira gelassen an das Gitter schlenderte. »Na, du bist ja ein Held. Kommst durch ein Weltentor, aber lässt dich von den Erwachsenen abgreifen.« Sie kicherte.
Simon gab sich keine Blöße. »Ist doch ein guter Schlafplatz. Nicht so kalt wie draußen.«
»Na klar. Und so saugemütlich … Hast du Hunger?« Ira wartete seine Antwort nicht ab. Sie bedeutete den anderen, die Rucksäcke abzusetzen und zu öffnen. Die drei taten es, dann breiteten sie die Decken auf dem Boden aus. Auch ihm schoben sie eine Decke durch die Gitterstäbe. Simon nahm sie verblüfft. »Ich dachte, ihr holt mich hier raus!«
»Würd ich ja gerne. Aber ich hab keinen Schlüssel.« Ira griff in den Rucksack und holte Brot und einen streng riechenden Laib Käse hervor.
»Und deshalb essen wir?«
Sie grinste. »Willst du lieber hungern?« Sie nahm ihm die Decke ab, die er immer noch festhielt, und breitete sie, so gut es ging, auf seiner Seite der Gitterstäbe auf dem Boden aus.
»Was ist mit meinem Skizzenbuch?«, fragte Simon.
»Das ist sicher bei mir zu Hause. Du kriegt es, wenn du hier raus bist. Ich rede mit Sophia.«
»Sophia?«
»Unsere Anführerin. Die mit den schwarzen Haaren. Sie wird dich freilassen, da bin ich mir sicher. Das hätte sie gestern schon gemacht, wenn Victor nicht gewesen wäre. So, und jetzt setz dich.«
Tomas hatte inzwischen Kerzen aufgestellt und angezündet, das Licht der Flammen tauchte ihre Gesichter in warmes Licht. Filippo saß schon auf einer der Decken, er griff nach dem Käse und säbelte sich mit seinem Taschenmesser ein dickes Stück ab. »Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich hab einen gigantischen Hunger.« Voller Vorfreude angelte er sich das Brot, ein schwerer grauer Teigklumpen, und hieb mit dem Messerschaft einen Brocken heraus. Filippos unbeschwerte Art steckte an, und bald saßen sie alle auf den Decken und aßen und redeten, Simon auf der einen Seite des Gitters, die drei Besucher auf der anderen.
»Und jetzt erzähl uns, wie es in deiner Welt aussieht!« Filippo war kaum zu verstehen, sein Mund war vollgestopft mit Brot und Käse.
Simon begann zu berichten: von dem Dorf seines Großvaters, in das sie gezogen waren, von den alten sandbraunen Häusern und den Gärten voller blühender Oleanderbüsche, von dem heißen Wind, der über das Meer gekommen war, und von den Menschen, die in der Mittagshitze in ihren Häusern Schutz gesucht und am Abend die Straßen des Dorfes bevölkert hatten. Er schwärmte vom leckeren Kuchen in der Bäckerei am Hafen, beschrieb das Haus des Großvaters und die alte Scheune unter den Olivenbäumen, erzählte von seiner Familie und von den anderen Menschen, denen er begegnet war, zuletzt von Filippos Tante in ihrem kleinen Supermarkt, die in einem fort redete und ihm immer das Haar zerwuschelt hatte.
Filippo riss seine Augen auf: »Echt? Durch die Haare wühlen? Das macht meine Tante auch immer. Ist voll peinlich!«
Die anderen lachten und auch Simon musste grinsen.
»Aber«, fuhr Filippo fort, »was ist ein Supermarkt?«
Simon erzählte es ihm. Filippo und die anderen lauschten
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