Der Torwächter Bd. 2 - Die verlorene Stadt
Blechen zusammengeschweißt und schien stabil zu sein. Bis auf die beiden Hecktüren und das vergitterte Fenster gab es keine Öffnung – solange die Tür fest verschlossen war, hatte er keine Chance, aus dem Wagen zu entkommen. Was sollte er nur tun?
Der Dorfälteste hatte derweil den Streit für sich entschieden. Der Blick der schwarzhaarigen Frau war traurig und voller Mitleid, als sie die Tür der Box noch einmal öffnete und Simon ansah. Sie seufzte. »Es tut mir leid, mein Junge. Leb wohl.« Dann nickte sie dem Hünen zu, der inzwischen zurückgekommen war.
Ohne die Miene zu verziehen, drehte sich der Mann zu Simon um. »Finger weg, sonst sind sie ab.«
Simon wich zurück. Irgendetwas musste er tun! Der Hüne versetzte dem Türflügel einen Stoß. Da ertasteten Simons Finger die Decke, die auf dem Boden lag. Ohne nachzudenken, packte er den Stofffetzen und schob ihn in den Türspalt, kurz bevor die Tür krachend zufiel. Mit einem schabenden Geräusch verhakte sich die Decke im Schloss und klemmte zwischen den Türflügeln fest.
Simon hielt die Luft an. Hatte jemand etwas gemerkt? Doch die Stimmen draußen vor dem Wagen blieben ruhig, niemand entriegelte die Tür, um die eingeklemmte Decke zu entfernen. Dann hörte er Schritte, die Fahrertür öffnete und schloss sich wieder, offenbar war der Hüne eingestiegen.
Der Motor erwachte zum Leben, die Karosserie des Geländefahrzeugs schüttelte sich, die Ladebox vibrierte dröhnend. Simon spürte, wie sie anfuhren. Er hatte Mühe, sich festzuhalten, der Wagen schlingerte heftig, während sie durch die kurvenreichen Gassen des Dorfes fuhren. Schließlich wurde die Fahrt ruhiger. Sie hatten das Dorf verlassen, die Räder rollten über eine glatt asphaltierte Straße.
Im Halbdunkel seines Gefängnisses tastete sich Simon zur Tür. Er rüttelte an ihr, er drückte und er zog, doch es gelang ihm nicht, sie zu öffnen, trotz der im Schloss eingeklemmten Decke.
Der Motor wurde lauter, der Wagen beschleunigte. Durch das vergitterte Fenster sah Simon, wie sie sich in rasender Fahrt der Stadt näherten. Er war verzweifelt. Was sollte er nur tun?
Da entdeckte er etwas, das sein Herz klopfen ließ, er hätte es im Dämmerlicht fast nicht bemerkt. Jemand hatte etwas an der Innenwand der Transportbox in das Blech geritzt, ein Zeichen. Es war das Bild eines blühenden Rosenbusches. Zwar war es hastig und mit groben Strichen in das Blech gekerbt, doch Simon erkannte das Symbol, das die Tore zwischen den Welten markierte. Aufgeregt strich er über die Gravur. Kurz vermutete er, ein Weltentor entdeckt zu haben, aber es gab nirgendwo einen jener Dorne aus Metall, die die Tore kennzeichneten und mit denen sich die Übergänge zwischen den Welten öffnen ließen.
Warum war der Rosenbusch hier in die Wand geritzt? Wer immer das Bild hier hinterlassen hatte, wusste von den Weltentoren.
Plötzlich stutzte Simon. Direkt neben dem Bild gab es weitere Kerben im Blech, er spürte sie unter den Kuppen seiner Finger. Kleine Brocken aus Staub und Schmutz rieselten herab, als er mit dem Daumennagel die Vertiefungen entlangfuhr. Die Kerben waren mit Dreck aufgefüllt, so als sollten sie getarnt werden. Eilig kratzte Simon den Schmutz aus den Ritzen. Ein Buchstabe tauchte auf, dann ein zweiter, ein dritter. Als das erste Wort an der Wand zu lesen war, ließ Simon die Hand sinken. Er starrte auf die Inschrift. So wie das Bild des Rosenbusches waren die Buchstaben hastig in das Metall geritzt worden und deshalb sehr kantig, doch Simon konnte das Wort, das sie bildeten, gut erkennen: Es war sein Name.
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Überrascht starrte Simon die Inschrift neben dem Rosenbusch an: SIMON . Sein Name. Wer hatte ihn dort eingeritzt? Niemand hier wusste, wie er hieß, außer Ira und ihren Freunden. Und niemand außer ihm und Ashakida kannte das Zeichen des blühenden Rosenbusches.
Es gab nur einen Menschen, der das getan haben konnte: sein Großvater. Er war hier gewesen, in dieser Box, und er hatte ihm eine Nachricht hinterlassen.
Eilig machte Simon weiter, Buchstabe für Buchstabe löste er den Dreck. Von ihrer Tarnung befreit, blitzten die Kerben metallisch. Lange konnte die Schrift dort noch nicht stehen, sonst wären die eingeritzten Buchstaben rostig gewesen, so wie die gesamte Wand im Inneren der Box. Sein Großvater musste erst vor Kurzem hier gewesen sein. War auch er von den Dorfbewohnern hier hineingesteckt worden? Wohin hatten sie ihn gebracht? Hatten sie ihn auch an Drhan
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