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Der Torwächter Bd. 2 - Die verlorene Stadt

Der Torwächter Bd. 2 - Die verlorene Stadt

Titel: Der Torwächter Bd. 2 - Die verlorene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Stromiedel
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ersten Ausflug über die Mauerkronen des Dorfes. Er wusste, dass die Soldaten unten auf der Straße jederzeit hinaufblicken und ihn entdecken konnten, und dieses Wissen behinderte ihn. Nervös kletterte er vom Schornstein herab und balancierte über den schmalen Grat. Der Weg über das Mauerstück war nur kurz, doch für Simon dehnten sich die Sekunden. Endlich erreichte er die Außenmauer. Simon war erleichtert. Die Männer unten auf der Straße hatten ihn nicht bemerkt.
    Doch dann, gerade als er auf den Vorsprung hinabrutschen und weiterlaufen wollte, geschah es: Ein Stein löste sich unter seinem Fuß. Entsetzt sah Simon, wie der Brocken aus seinem Mörtelbett brach, über die Kante rollte und hinabfiel, direkt auf die Soldaten zu. Jetzt, dachte er, war alles vorbei. Ihm wurde kalt.
    Im gleichen Moment glitt Ashakida heran, Simon konnte sie kaum sehen, so schnell war sie. Lautlos, den Körper wie die Sehne eines Bogens gespannt, sprang sie an ihm vorbei in die Tiefe und fing im Sprung den fallenden Stein mit ihrem Maul auf. Simon unterdrückte einen Schrei, während er zusah, wie Ashakida auf einem Sims dicht über den Soldaten landete. Die Muskeln angespannt, fing die Leopardin den Schwung ab, bis sie ruhig auf dem schmalen Vorsprung stand. Behutsam legte sie den Stein ab. Dann schob sie sich lautlos weiter bis zur nächsten Fensteröffnung und verschwand in dem zerstörten Haus.
    Simons Knie zitterten. Es dauerte etwas, bis er seine Beine so weit wieder unter Kontrolle hatte, dass er auf die Zeichen von Ira reagieren konnte und weiterkletterte.
    Ira beobachtete ihn besorgt.
    Diesmal ging alles glatt. Ohne weitere Zwischenfälle und unbemerkt von den Soldaten erreichte Simon das Nachbargebäude. Ira umarmte ihn, erleichtert, dass er außer Gefahr war. Als sie bemerkte, was sie tat, löste sie sich eilig aus seinen Armen.
    Sie kletterten weiter, Ira führte ihn durch das Labyrinth der Ruinen. Ihr Weg war ein anderer als zuvor in der Nacht, denn Ira vermied hohe Mauern, auf denen sie schon von Weitem zu sehen gewesen wären. Nach einiger Zeit stieß Ashakida zu ihnen, sie war Simons Witterung gefolgt und hatte sie so gefunden.
    Endlich erreichten sie das Versteck. Simon kletterte in das Innere der Hütte, Ashakida kroch hinterher und ließ sich auf das Lager fallen. Sie war immer noch nicht ganz bei Kräften, die Flucht hatte sie erneut geschwächt. Ira krabbelte als Letzte in das Krähennest und schloss sorgfältig die Tür hinter sich. Hastig warf sie ihr Gepäck ab und griff zur Zwille, um ihre Freunde zu warnen. Doch das war nicht nötig. Gerade als Ira den ersten Stein eingelegt hatte und das Gummi der Schleuder spannen wollte, kletterte Filippo durch den Eingang in das Versteck. Er hatte den Aufmarsch der Soldaten bemerkt und war sofort hierher aufgebrochen. Er war blass. »Was passiert da draußen?«
    Sie erzählten ihm, was sie beobachtet hatten.
    Kurze Zeit später krochen auch Tomas und der kleine Luc durch den Eingang der Hütte. Alle waren geschockt von dem, was unten im Dorf geschah.
    Die Soldaten waren inzwischen überall, Straße für Straße durchkämmten sie den Ort, sie brachen die Türen zu den Gewölben auf und zerrten die Bewohner hinaus auf die Straße. Mit ihren Waffen im Anschlag trieben sie die Menschen zum Hafen. Die vier Jugendlichen in ihrem Versteck sahen entsetzt zu. Sie entdeckten die Familie von Tomas, Filippo sah seinen Vater und die Familie seiner Tante. Auch Iras Oma wurde die Straße hinuntergetrieben. Einer der Soldaten stieß ihr seinen Gewehrkolben in den Rücken, sodass sie strauchelte und auf das Pflaster stürzte. Ihr Gesicht blutete, als der Soldat sie weiterzerrte.
    Ira beobachtete die Szene mit versteinerter Miene.
    »Da sind meine Eltern!« Aufgeregt wies Luc in eine andere Gasse, in der gerade Soldaten eine Gruppe von Männern und Frauen aus einem Haus holten. Bevor er rufen konnte, hielt Ira ihm den Mund zu. Luc wehrte sich, doch sie hielt ihn so lange fest, bis sein Körper in ihren Armen erschlaffte.
    Er begann zu weinen. »Aber wir müssen doch was tun!«
    »Und was sollen wir machen?« Tomas’ Stimme klang bitter. Die Übermacht der Soldaten war offensichtlich.
    Simon starrte hinab in das Dorf, die Lippen zu einem Strich zusammengepresst. Er haderte. Wo er auftauchte, zerstörten Drhan und seine Männer die Welt, und jeder, der ihn, den Torwächter, unterstützte, wurde bestraft. Wer war er, dass sie das taten? Wieso musste gerade er den Menschen, die ihm halfen,

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