Der Torwächter Bd. 2 - Die verlorene Stadt
»Das ist meine Entscheidung. Mit dir hat das überhaupt nichts zu tun. Ich kann gut auf mich selbst aufpassen.« Und wie um ihre Aussage zu beweisen, drehte sie sich um und ging weiter.
Simon sah ihr nach. Sie schien es tatsächlich ernst zu meinen, denn sie reagierte nicht auf seine Rufe. Eilig rannte er ihr nach.
Ashakida seufzte, ihr Seufzer kam aus tiefstem Herzen. Dann lief auch sie den beiden hinterher.
Schweigend gingen sie durch den Gleistunnel. Das Licht der Taschenlampe erhellte nur schwach ihren Weg. Simon hoffte, keinen Fehler gemacht zu haben: Sie hatten wertvolle Zeit verloren, und jetzt blieben ihnen nur noch zwanzig Minuten, bis das Wasser in den Tunnel drängte. Doch sie entdeckten weder einen Bahnhof noch ein Seitengang oder gar einen Ausstieg.
Unruhig schritten sie voran. Je länger sie unterwegs waren, desto größer wurde ihre Anspannung. Ashakida knurrte leise und Ira ließ ihren Lichtstrahl ruhelos durch den Tunnel wandern. Immer wieder blickte Simon auf seine Uhr. Ira begann, nervös zu reden, bis es Simon zu viel wurde und er sie anfuhr, endlich still zu sein. Sie verstummte gekränkt.
Da sah Simon etwas, der Lichtstrahl der Taschenlampe war kurz darübergehuscht, als Ira sich beleidigt umgedreht hatte. Es war ein Schild, es ragte halb aus der Wand. Das Blech war verbogen, der Druck des Wassers hatte es umgeknickt.
»Gib mir die Lampe!« Aufgeregt winkte Simon Ira zurück. Sie reagierte erst nicht auf ihn, sie war immer noch sauer. Doch als sie sah, dass er etwas entdeckt hatte, rannte sie eilig zu ihm.
Simon nahm die Lampe und richtete sie auf das Schild. Es steckte auf der einen Seite in der Wand, als hätten es die Bauarbeiter dort einbetoniert. Die andere Seite stand etwas von der Wand ab, die Schrauben hatten sich gelöst und das Wasser hatte das Schild verbogen. Die Farbe auf dem Blech war verblasst, deshalb war es ihnen zunächst nicht aufgefallen.
»Was ist das?« Ira runzelte die Stirn.
Simon ging näher. Er bog das Schild glatt. Schemenhaft konnte er einen Pfeil erkennen. Darüber stand ein Wort, Simon brauchte etwas, bis er die Buchstaben entziffert hatte: NOTAUSGANG .
Aufgeregt drehte er sich um. »Seht ihr das? Es gibt hier einen Ausstieg! Wir müssen nur dem Pfeil folgen.«
Sie liefen in die Richtung, die der Pfeil angab. Doch sosehr sie auch suchten, sie entdeckten keine Tür.
Ashakida knurrte nervös. »Und wenn wir zu weit gelaufen sind?« Ihnen blieben nur wenige Minuten, bis das Wasser kam.
Simon sah sie stumm an. Dann rannte er zurück zum Hinweisschild. Noch einmal suchte er die Wand ab und diesmal entdeckte er den Türgriff. Er ragte dicht neben dem Schild direkt aus der Wand. Erst glaubte Simon sich zu irren, denn da war keine Tür, zu der die Klinke passte. Doch als er an dem Türgriff rüttelte, bildeten sich plötzlich ringsherum feine Risse. Aufgeregt klopfte Simon die Wand ab. Dort, wo der Griff angebracht war, klang die Mauer hohl. Feine weiße Brocken platzten ab und fielen zu Boden. Simon zerrieb eines der Bröckchen zwischen seinen Fingern. Der Tunnel war mit einer Schicht aus Schlamm und Kalk überzogen, der verhärtete Belag bedeckte die Tür. Deshalb hatten sie den Ausgang nicht entdeckt! Wer weiß, dachte Simon, an wie vielen Notausgängen sie schon vorbeigegangen waren.
Ira warf ihre Tasche ab und holte ein Klappmesser hervor. Verbissen begann sie, die Kalkschicht aus den Türritzen zu kratzen. Auch Simon nahm eilig ein Messer aus seinem Gepäck und machte sich an die Arbeit. Ashakida, die ihre Pfoten verfluchte, musste tatenlos zusehen. Bald waren die Konturen des Ausgangs zu sehen. Doch als Simon an der Klinke rüttelte, bewegte sich die Tür nicht.
»Los, fass mit an!«
Ira sprang Simon zu Hilfe. Der Türgriff ließ sich herabdrücken, Simon spürte den Widerstand der Mechanik. Doch sosehr sie sich auch bemühten, die Tür öffnete sich nicht einen Millimeter.
Erschöpft ließen sie die Klinke los.
Der Boden begann zu vibrieren, erst ganz leicht, dann wurde das Zittern stärker. In der Ferne war ein leises Rauschen zu hören. Alle wussten, was das bedeutete: Das Wasser kam.
Panisch rüttelte Ira an der Klinke. »Verdammt, geh auf!« Sie ließ den Türgriff los und schlug voller Wut mit ihren Fäusten gegen die kalkverkrustete Fläche, die ihren Fluchtweg versperrte. Dann begann sie zu weinen.
Das Rauschen wurde immer lauter.
Simon sah zu Ashakida, die zu ihm gesprungen war und ihn flehend anblickte. Die Leopardin presste ihren Kopf
Weitere Kostenlose Bücher