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Der Torwächter Bd. 2 - Die verlorene Stadt

Der Torwächter Bd. 2 - Die verlorene Stadt

Titel: Der Torwächter Bd. 2 - Die verlorene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Stromiedel
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ersten Schläfer. Eine Gestalt schälte sich aus dem Nebel, sie kam direkt auf sie zu. Im ersten Moment war Simon erschrocken, doch als Philja ruhig weiterging, tat er es ihm gleich. Die Gestalt kam näher, jetzt erkannten sie mehr als nur den Umriss: Es war ein Mann, er sah auf den ersten Blick ganz normal aus. Doch dann bemerkten sie seine Augen. Sie waren glasig und schienen in die Ferne zu blicken, obwohl es hier keine Ferne gab. Auch der Gesichtsausdruck des Mannes war eigenartig, kein Muskel in seinem Antlitz rührte sich. Nun verstand Simon, warum die Kinder in der Unterwelt der Stadt die Menschen an der Oberfläche Schläfer nannten. Dieser Mann sah so aus, als würde er mit offenen Augen schlafen.
    Langsam gingen sie weiter aufeinander zu, die Schritte des Mannes klackten auf dem Pflaster. Simon spürte Iras Angst und auch er war nervös. Jetzt war der Schläfer direkt vor ihnen. Ohne nur irgendeine Reaktion zu zeigen, ging er direkt an ihnen vorbei. Auch ein zweiter, der dicht hinter dem ersten kam, reagierte nicht auf sie. Erleichtert stieß Ira die Luft aus, die sie aufgeregt angehalten hatte.
    Doch die Begegnung mit den beiden Männern war nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was ihnen noch bevorstand. Ein leises Trappeln kündigte es an, ein Geräusch, als ob in weiter Ferne ein gewaltiger Tausendfüßler über die Straße ging. Ira sah besorgt zu Simon. Auch er hatte es gehört.
    Unbeirrt ging Philja weiter.
    Das Geräusch wurde lauter. Und dann sahen sie es: Die nächste Querstraße, die direkt vor ihnen lag, war eine der Hauptstraßen der Stadt, Hunderte Schläfer nutzten diesen Weg. In einem endlosen Strom gingen die Bewohner der Stadt den Fußweg entlang, dicht gedrängt, die Masse schien undurchdringlich zu sein. Simon und Ira erschraken. Auch Ashakida schien sich unter ihrer Decke kleiner zu machen.
    Ohne langsamer zu werden, ging Philja auf den Strom der Menschen zu. Simon sah Frauen und Männer jeden Alters, alle wirkten entrückt und blickten ins Nichts. Keiner der Schläfer bemerkte sie. Und dann geschah das Erstaunliche: Als Philja den stetigen Menschenstrom erreichte, teilte sich die Menge und ließ ihn durch. Auch Simon und die anderen konnten den Strom durchqueren, ohne auch nur einen der wie in Trance wandelnden Erwachsenen zu berühren.
    Plötzlich spürte Simon eine Welle von Angst, Philja strömte sie aus. Der Rothaarige wandte sich zur Seite und reihte sich in den Strom der Schläfer ein. Schnell drehten sich auch Ira und Simon nach links und gingen mit dem Strom, Ashakida hielt sich dicht bei ihnen. Angespannt versuchten sie zu verstehen, was der Grund für den plötzlichen Richtungswechsel war.
    Und dann sahen sie ihn. Ein offener Geländewagen schälte sich aus dem Nebel, darin vier Soldaten, sie fuhren langsam die Straße hinauf und blickten aufmerksam um sich. Simon hielt die Luft an. Am liebsten wäre er weggerannt. Doch er ging ruhig weiter, ohne das Tempo zu verändern, so wie Philja es ihnen eingeschärft hatte. Der Wagen näherte sich bis auf wenige Meter Entfernung. Simon wagte nicht, den Kopf zu heben und zu den uniformierten Männern zu sehen. Jeden Augenblick rechnete er damit, dass ein Schrei ertönte und dann ein Befehl, er erwartete, dass Schritte auf sie zukamen und Hände sie packten. Doch es blieb ruhig, der Wagen fuhr vorbei, und langsam wurde das Geräusch des Motors leiser.
    Als es still geworden war, sah sich Philja vorsichtig um. Er nickte ihnen zu und änderte erneut seine Gehrichtung, um den Strom der Schläfer wieder zu verlassen.
    Simon wollte ihm gerade folgen, als er stutzte. Eine Schläferin kam auf sie zu, sie war noch jung, jünger als alle anderen Erwachsenen, die ihnen begegnet waren. Er schätzte das Mädchen auf fünfzehn. Sie hatte lange dunkle Haare. Und dann erkannte er sie. »Maria!« Simon blieb stehen. »Maria, ich bin’s!« Es war das Mädchen aus dem Dorf, sie hatte ihm geholfen, als er die bewusstlose Ashakida zu Iras Großmutter gebracht hatte. Jetzt waren ihre Augen glasig, und sie reagierte nicht auf ihn, selbst als er sich ihr in den Weg stellte und sie packte. »Maria, wach auf!« Er schüttelte sie.
    In der gleichen Sekunde wurde er herumgerissen, es war Philja, er sah Simon wütend an. Simon verstand, was der Rothaarige ihm mit seinem Blick sagen wollte. Dennoch zögerte er, Maria gehen zu lassen. Erst als Ashakida mit ihrer Schnauze an sein Bein stupste und leise knurrte, ließ er das Mädchen los. Bedrückt sah er zu, wie sich

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