Der Torwächter Bd. 2 - Die verlorene Stadt
nichts. Dann gehen wir eben alleine weiter.«
Langsam schüttelte Simon den Kopf. Er hatte auf dem Weg lange darüber nachgedacht. Ernst sah er sie an. »Ich gehe mit Ashakida. Du bleibst hier. Es ist zu gefährlich.« Er warf der Leopardin einen Blick zu. Sie signalisierte ihm, dass sie seiner Meinung war.
Ira war überrascht. »Was soll das? Natürlich komme ich mit euch.«
»Nein, Ira.« Simon war sich seiner Sache sicher. »Das ist meine Aufgabe, nicht deine. Ich will dich nicht in Gefahr bringen.«
»Kann ich vielleicht selbst bestimmen, was ich tue und was nicht?« Ihre Augen funkelten ärgerlich.
Simon betrachtete sie fasziniert. Wenn sie wütend war, gefiel sie ihm am besten. Doch er blieb bei seiner Entscheidung. »Du bist hier, weil du wissen wolltest, was mit den Menschen aus deinem Dorf passiert ist. Aber nicht, weil du meinen Großvater retten willst.«
»Was weißt du denn, warum ich hier bin …« Ira verstummte.
Forschend sah Simon sie an. Er hatte sich tatsächlich gefragt, warum sie mit ihm ihr Leben riskierte, und er hatte diese Frage mit der Sorge um ihre Großmutter beantwortet. Doch jetzt spürte er, da war noch mehr. »Warum bist du hier?«
Ira warf ihm einen unsicheren Blick zu. Eine Welle ihrer Gefühle schwappte zu ihm herüber: Angst, Zuneigung, die Sehnsucht nach Nähe. Doch über allem lag: Scham.
Sie zögerte, bevor sie antwortete. »Weil ich weiß, dass meine Leute deinen Großvater an Drhans Soldaten ausgeliefert haben.«
Simon verstand nicht, was sie ihm sagen wollte. »Ja, natürlich, ich habe es dir erzählt.«
»Nein.« Ira schüttelte den Kopf. »Ich weiß es, weil ich es gesehen habe.«
Überrascht starrte Simon sie an.
Sie wich seinem Blick nicht aus. »Ich habe beobachtet, wie sie deinen Großvater in den Wagen gesperrt haben. Und gesehen, wie der Wagen weggefahren ist.« Sie stockte kurz und schlug die Augen nieder. Dann holte sie ihre Lampe aus ihrer Hosentasche, klappte die Kurbel aus und lud den Akku. Sie reichte ihm die Leuchte. »Die hier gehört deinem Großvater. Ich habe sie auf dem Platz gefunden, nachdem der Wagen mit ihm weggefahren war.«
Simon nahm mechanisch die Lampe, dann setzte er sich auf eine alte Kiste. Er brauchte etwas Zeit, um zu erfassen, was sie ihm gebeichtet hatte.
Ira schien erleichtert zu sein, endlich ausgesprochen zu haben, was sie so lange vor ihm verborgen hatte.
Bestürzt sah er sie an. »Aber warum hast du mir nichts gesagt?«
Ira hob hilflos die Schultern. »Ich weiß es selber nicht. Erst, weil ich dich nicht kannte. Ich wusste ja nicht, ob ich dir trauen kann. Danach ist so viel passiert. Vielleicht hatte ich auch Angst, dieses tolle Ding weggeben zu müssen …« Wieder traf Simon eine Welle aus Scham. Ira schluckte. »Und außerdem … ich hatte ein schlechtes Gewissen. Ich hätte es verhindern können. Wenn ich eingegriffen hätte, dann wäre dein Opa jetzt vielleicht nicht hier. Darum will ich mitkommen.«
Simon schwieg. Er war enttäuscht und hatte das Gefühl, dass sie sein Vertrauen missbraucht hatte.
»So ein Quatsch!« Ashakida knurrte. Sie hatte dem Gespräch zunehmend ungeduldig zugehört, auch spürte sie Simons und Iras Gefühle. Jetzt mischte sie sich ein. Gereizt blickte sie Ira an: »Du hättest nichts tun können. Oder hast du etwa verhindern können, dass sie Simon weggebracht haben?« Ihr Schwanz peitschte hin und her.
Ira zog die Augenbrauen zusammen. »Das ist doch was ganz anderes.«
»Tatsächlich? Du glaubst, sie hätten Simons Großvater wieder freigelassen, wenn du sie dazu aufgefordert hättest?« Die Leopardin fauchte. »Dein schlechtes Gewissen in allen Ehren, aber es ist überflüssig.«
Simon sah auf. »Sie hätte es trotzdem sagen müssen.«
Bevor Ira antworten konnte, redete Ashakida für sie: »Ja, natürlich. Aber so dramatisch ist die Sache auch wieder nicht. Kein Grund, hier eine Szene zu machen.« Sie fauchte und blickte Philja an. »Stimmt doch, oder?«
Philja hatte kein Wort begriffen. Doch als ihn die Leopardin mit entblößten Zähnen ansah, nickte er lieber.
Einen Weile war es still in der Hütte.
Simon erhob sich von der Kiste. »Lass uns aufbrechen.« Er zog seinen Mantel aus und legte ihn über den Verkaufstresen. Ashakida hatte ihre Decke schon abgeworfen. Als Simon sah, dass sich auch Ira fertig machen wollte, schüttelte er den Kopf. »Du bleibst hier.« In seinem Ärger war sein Ton etwas schärfer, als er es gewollt hatte.
Sie zuckte zusammen. Betreten sah sie
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