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Der Tote am Hindenburgdamm: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Der Tote am Hindenburgdamm: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Titel: Der Tote am Hindenburgdamm: Ein Sylt-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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dann?«
    »Er fragte sehr höflich, ob ich ihm einige Minuten widmen könnte. Er erkundigte sich nach den Arbeitsbedingungen der Eltern. Ob sie alle Bauern seien, zum Beispiel. Ob es Landarbeiter gäbe. Wer am Hungertuch nage.«
    »Interessant«, bemerkte Asmus.
    »Eigentlich weniger«, widersprach Paulsen. »Keitum war seit der Walfangzeit recht wohlhabend, und die Kapitäne und Seefahrer sorgten für ihre Nachkommen vor. Außerdem haben wir zwei Mühlen, ein Kolonialwarengeschäft, zwei Pastoren, einen Arzt, einen Lehrer. Im Allgemeinen gut situierte Menschen. Und nur wenige Landarbeiter.«
    »Was für Sie bedeutet?«
    »Keitum ist kein Ort, in dem die KPD Wahlen gewinnen könnte, denn darauf wollte Herr Schröder doch wohl hinaus. Aber hier wählen wir anders. Wir haben besonders viele Bürger, die der Deutschen Demokratischen Partei zuneigen. Nach Rathenaus Ermordung haben wir uns hier in der Schule zu einem kurzen Gedenken an ihn versammelt. Den Sozialdemokraten hängen auch etliche an. Wir sind durch und durch liberale Anhänger der Weimarer Republik.«
    Richtig bürgerlich, dachte Asmus überrascht.
    »Bemerkenswert, dass Schröder auch weniger ruppig sein konnte«, stellte Ose spitz fest. »So wie er sich mir gegenüber verhielt, könnte ich mir durchaus vorstellen, dass er Feinde hatte.«
    »Mehr ist über Schröders Besuch von meiner Seite nicht zu sagen«, meinte Paulsen abschließend und deutete mit gespreizten Fingern auf sein Klavier. »Ich würde gerne weiterspielen. Martha ist in dem neuen Lied noch nicht firm. Wir wollen es morgen mit den Kindern einüben …«
    Ose wandte sich schon zur Tür. Asmus aber war noch nicht zufriedengestellt. »Ist Schröder noch einmal wiedergekommen?«
    »Nein«, sagte Paulsen nachdrücklich mit allen Anzeichen von Ungeduld.
    »Fällt Ihnen im Zusammenhang mit seinem Besuch vielleicht noch etwas ein?«
    »Nein! Oder …, ja doch. Wenn Sie Herrn Böhrnsen meinen …«
    Asmus wandte sich an Ose. »Ist das nicht der mit der Nazibinde?«
    Ose nickte.
    »Der wollte dasselbe wie Sie, Wachtmeister Asmus. Fragen, warum Schröder hier war, der doch gar keine Verwandten auf Sylt hat. Im Gegensatz zu ihm. Ich habe in meiner Schule zwei Böhrnsen-Enkel.«
    »Was haben Sie ihm geantwortet?«
    »Dasselbe wie Ihnen. Und ihm außerdem erklärt, dass die KPD auch für mich nie in Frage kommen würde. Er wusste es natürlich vorher schon. Deswegen hatte er einen Beutel mit kleinen Nazifähnchen mitgebracht, ausreichend für die ganze Schule, und packte sie mir auf mein Pult.«
    »Die Partei ist doch verboten.«
    »Er weiß es, aber er meinte, das Verbot würde nicht lange bestehen bleiben. Hitler sei ein rühriger Mann. Wollen Sie die Fahnen mal sehen?«
    »Gerne. Und warum haben Sie sie angenommen?«, erkundigte sich Asmus, während sie dem Lehrer durch den Flur zu einer weiteren Tür folgten.
    Paulsen schloss die Tür zu einer Abstellkammer auf.Über seine Schulter hinweg fragte er: »Haben Sie wie alle aufmerksamen Beobachter festgestellt, dass die gegenwärtigen Unruhen in ganz Deutschland stets durch Kommunisten hervorgerufen werden, die sich mit anderen anlegen: in unserem eigenen Parlament in Kiel mit SPD-Abgeordneten, mit Feuerwehrleuten, mit dem Selbstschutz von Gewerkschaften, mit den Vertretern der öffentlichen Ordnung und so weiter? Sind Sie dafür, dass es so weitergeht? Ich nicht.«
    Die Abstellkammer war vollgepackt mit Exponaten und Lehrmitteln für den Schulunterricht. Neugierig musterte Asmus Vogeleier in Nestern, ein ausgestopftes marderartiges Tier auf einem Holzbrett, einen Fuchs, dem das Alter große Löcher im Fell verpasst hatte. Paulsen ergriff ein Bündel Papierfahnen mit Hakenkreuz, für das er beide Hände benötigte. Wahrscheinlich konnten sich die Eltern der Kinder davon auch noch bedienen.
    »Sie hoffen also darauf, dass die NSDAP den Kommunisten Einhalt gebieten kann?«, fragte Asmus, um Paulsens Meinung für sich zu klären.
    »Wenn überhaupt jemand, dann die NSDAP, ja«, bestätigte Paulsen unerschrocken. »Alle anderen Parteien sind zu schwach. Mir wäre lieber, sie wären’s nicht, aber dieses Chaos muss schließlich beendet werden.«
    »Ja, die Zukunft sieht düster aus«, stimmte Asmus zu und reichte Paulsen die Hand. »Vielen Dank für Ihre offenen Worte.«
    Als sie draußen und außer Hörweite waren, fasste Asmus zusammen: »Schröder hat offenbar die Leute einzeln bearbeitet, um sie als Wähler der KPD zu rekrutieren. Wer ist eigentlich

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