Der Tote am Hindenburgdamm: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
»Wem?«
»Keine Ahnung«, beteuerte Frees aufrichtig. »Einem Strandkorb. Ich ziehe das rechte Fußbänkchen heraus undstopfe die Post in einen kleinen Briefkasten, der unter dem Sitz angebracht ist.«
»Es handelt sich also um einen bestimmten Strandkorb?«
»Natürlich«, sagte Frees vorwurfsvoll, »wie sollte ich denn sonst zu meiner Bezahlung kommen?«
»Ach so, da haben Sie natürlich recht. Und wem gehört er?«
»Den Boysens in Westerland. Die vermieten Strandkörbe. Es ist Strandkorb Nr. 175.«
Asmus musste an sich halten, um nicht laut zu lachen. Den Auftraggeber konnte man fast schon als Spaßvogel bezeichnen, wenn es nicht so ernst gewesen wäre.
»Haben Sie Herrn Böhrnsen freigelassen?«
»Herr Asmus, Ihnen muss man aber alles genau erklären, damit Sie es begreifen: Anders kam ich doch nicht ungesehen an den Postsack. Außerdem hatte Herr Böhrnsen nicht verdient, dort eingesperrt zu sein. Er ist ein netter Mann, wir schwatzen häufig miteinander, wenn er seine Enkelkinder besucht. Als er aus dem Hafen gepullt war, bin ich sofort in den Schuppen rein und habe die Briefe durchgesehen. Ich kann gut lesen!«
»Ja, das glaube ich«, stimmte Asmus mit abwesenden Gedanken zu und entließ Jörn Frees. Einige Minuten später erst fiel ihm ein, wie naheliegend es war, dass Frees auch der Attentäter in der Werft gewesen war.
KAPITEL 21
Asmus nahm Matthiesen zum größten Strandkorbvermieter Westerlands, Christian Boysen, mit, da die beiden sich natürlich kannten. Der ganze Strand unterhalb des Konzertplatzes war mit Strandkörben belegt, und diese setzten sich bis zum Burgenstrand im Süden und jenseits der Kurpromenade im Norden fort.
Lorns machte Asmus mit Boysen bekannt, einem blonden Hünen von Mann, geeignet, die Strandkörbe im Frühjahr auf dem Buckel zum Strand zu schleppen und im Herbst wieder zurück ins Winterquartier.
»Wir suchen nach dem Mieter eines bestimmten Strandkorbs«, sagte Matthiesen. »Es könnte einer von deinen sein, und es muss ein Dauermieter sein.«
Boysen nickte bereitwillig. »Könnt ihr haben, wird nicht lange dauern, ihn in der Liste zu suchen. Kommt mit.« Er lotste sie zu einer hölzernen Bude, fast nur ein Unterstand, der ein wenig Wind- und Regenschutz bot. Während er mehrere Bögen mit Namen aus einem Eimer kramte und sich auf einen Klappstuhl setzte, nahmen die Polizisten im Sand Platz.
Asmus nannte Boysen die Strandkorbnummer. »Haben Sie wirklich so viele Strandkörbe, dass Sie schon bei 175 angekommen sind?«, erkundigte er sich.
Boysen grinste. »Nein, bei weitem nicht. Aber wenn ein alter Korb ausgemustert wird, verwenden wir seine Nummer nicht mehr, sondern geben dem Ersatz die nächste laufende. So behalten wir den Überblick über das Alter der Körbe. Deswegen kann ich Ihnen auch sagen, dass Nummer 175 ein moderner mit ausziehbarem Fußbänkchen ist.«
»Ein praktisches Verfahren.«
Danach schwiegen sie alle. Der Strand war an diesem Septembertag fast leer. Niemand badete. Ein Mann lief mit aufgekrempelten Hosenbeinen an der Wasserlinie entlang, begleitet von einem langhaarigen nassen Hund. Aus einigen Strandkörben waren die Fußbänke herausgezogen, und Hosenbeine sowie lange Röcke bewiesen, dass sie besetzt waren.
»Hier hab ich den Mieter schon«, verkündete Boysen.
»Und wer ist es?«
»Jörn Frees, Keitum.«
Mist, dachte Asmus, während Matthiesen grinste und sich auf die Schenkel schlug.
»Hat er ihn denn benutzt?«
»Er selber natürlich nicht. Aber er schickt oft Gäste – wahrscheinlich hat er ein Abkommen mit einem Gästehaus –, und da sie den Schlüssel zum Gatter haben, habe ich in der Saison mit ihnen gar nichts zu tun.«
»Wo steht der Strandkorb eigentlich?«, erkundigte sich Asmus.
»In der letzten Reihe nach Norden.«
»Ja, gut, danke, das war dann alles«, meinte Asmus, sprang auf und mahnte Matthiesen mit einem Schulterklopfen mitzukommen. Die nördlichsten Strandkörbe des Vermieters Boysen, wo der Leichnam des angeblichen Landstreichers gelegen hatte. Zweifellos weckte diese Beschreibung den Verdacht eines Zusammenhangs.
»Gehen wir Nr. 175 besichtigen?«
»Nein, das machen wir nicht. Auch wenn Jörn Frees seinem Auftraggeber mitgeteilt hätte, dass Briefe der Sibbersens nicht mehr zu erwarten sind, könnten weitere Botschaften gewechselt werden. Wer weiß, was da läuft? Lass uns einfach die Promenade entlangschlendern, dann sehen wir 175 von oben.«
»Schlaues Kerlchen, dieser Auftraggeber.«
»Ja,
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