Der Tote am Hindenburgdamm: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
Dimension bekommen. Abgesehen davon, ist es in diesem Gemäuer schrecklich langweilig.«
»Und wie? Als Schupo?«
»Nein, natürlich nicht!«
Am Abend knatterte Asmus auf dem Motorrad nach Keitum. Ose öffnete die Tür. Ihr Blick wanderte verwundert zu seinem Arm, über den er seine einzige sehr helle Hose gehängt hatte, die stadttauglich war.
»Soll sie geplättet werden?«, fragte sie, und Asmus war erleichtert, dass sie ihn nicht hinauswarf.
»Das mache ich schon«, warf Oses Mutter ein, die in diesem Moment in der Diele erschien, und nahm Asmus die Hose ab. »Geht ihr nur in den Garten und betrachtet die wachsenden Bohnen. Das haben dein Vater und ich früher auch gemacht, Ose.«
Asmus brach in Lachen aus und reichte der etwas genierten Ose den Arm. »An dezenten Hinweisen fehlt es hier ja nicht.«
»Nein, nein, wir sind alle immer sehr direkt«, meinte Ose und kicherte leise. »Wofür brauchst du die Hose?«
Asmus erklärte es ihr.
»Aber, Niklas, da wäre es doch schlauer, wenn ich mitkäme! Als Paar wären wir unschlagbar unauffällig.«
»Das ist wahr«, sagte Asmus nach einem Augenblick verblüfften Nachdenkens. »Wir könnten uns dem Gast nähern, und du wirfst ihm feurige Blicke zu. Also mustere ich ihn aufgebracht, fordere ihn zum Duell, und hinterher können wir ihn besser beschreiben als Matthiesen, der immer nur döst, während er dort angeblich Wache hält.«
»Aber erstechen darfst du ihn nicht. Wir legen Wert auf sauberen Sand«, warnte Ose. »Wenn du das versprichst, suche ich mir jetzt ein Kleid heraus, das zur Promenade passt. Ich glaube, du musst die Bohnen allein besichtigen.«
Asmus runzelte argwöhnisch die Stirn. »Hat dein Vater das auch gemacht?«
»Was auch immer er gemacht hat, genützt hat es ihm nichts«, sagte Ose und schritt beschwingt davon.
Am nächsten Tag schien die Sonne, es war ein warmer Septembertag, geeignet für den Strand und für Sonnenbäder in den Strandkörben.
Matthiesen lümmelte lang ausgestreckt mit den Füßen auf dem Holzschemelchen, las in einem dicken Buch und warf Asmus und Ose einen uninteressierten Blick zu, als sie im Sand an ihm vorbeistapften.
»Hundertsiebenundachtzig?«, fragte Ose.
»Nein, hundertsiebenundsiebzig.« Asmus sah sich um und fand dann den Strandkorb südlich von Nr. 175. Der war unbesetzt.
Sie hatten stundenlang zu warten, aber plötzlich wurde die Warterei belohnt. Jörn Frees sprang die Treppe herunter und ging auf Nr. 175 zu, ohne sich viel um die Nachbarstrandkörbe zu scheren. Offensichtlich hatte er es sehr eilig.
Wie Asmus vorhergesagt hatte, war Frees in Arbeitskleidung und mit einem Handwerkerkasten erschienen. Offensichtlich kontrollierte er den Mechanismus, mit dem die Fußbänkchen herauszuziehen waren. Es dauerte nicht lange, bis er fertig war.
Als er die Treppe nach oben hochgestapft und außer Sicht war, war Asmus für einen Augenblick versucht, im Postkasten nachzusehen, was er hinterlegt hatte. Er unterließ es jedoch, obwohl es ihn juckte.
Gleich darauf war er dankbar dafür. Matthiesen gab ihm einen schläfrigen Wink mit der Pfeife, dass der Kontaktmann kam. Der junge Mann schlenderte herab, sah sich nach allen Seiten um, beobachtete einige Sekunden das ruhige Meer mit einigen Badenden, wahrscheinlich aber vor allem die Strandkörbe, von denen nur wenige belegt waren,und setzte sich dann auf die unterste Stufe, um sich die Schuhe auszuziehen. Modisch zweifarbige Strandschuhe, die er an den Schnürsenkeln neben dem Bein schlenkern ließ, während er mit gelangweiltem Gesicht barfuß zu Nr. 175 pflügte.
Asmus hatte ihn noch nie gesehen. Allerdings kam er aus dienstlichen Gründen auch nur wenig mit den Westerländer Gästen in Kontakt.
Ose lag in Asmus’ Armen und schien es zu genießen. Er auch. Irgendwann stemmte sie sich hoch, um einen neugierigen Blick in die Runde zu werfen. In Nr. 175 begann der Mieter wie viele Urlauber, die Morgenzeitung zu entfalten.
»Der nimmt sich ja viel Zeit«, flüsterte Asmus, als er fühlte, wie Ose geradezu versteinerte und sich hinter ihn kauerte.
»Der ist doch kein Gast«, hauchte sie aufgeregt in sein Ohr. »Das ist Gerrit, der Concierge der Dünenhalle!«
Die Eröffnung machte Asmus erst einmal sprachlos. Es taten sich allmählich so viele Verbindungen zwischen den eingeborenen Syltern auf, dass er Papier und Bleistift benötigte, um diese graphisch darzustellen. Eines war jedenfalls nicht anzunehmen: dass ein pickeliger Jüngling dieses Komplott
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