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Der Tote am Lido

Der Tote am Lido

Titel: Der Tote am Lido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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glaube ich, nicht weit von hier.«
    »Die Via Modena ist lang. Wo genau?«
    Die Beifahrertür wurde aufgerissen, und dann traf Lunau ein glühender Schwall ins Gesicht. Das Brennenfuhr in seine Augen, fuhr die Kehle hinab und ergoss sich wie Spiritus in die Verästelungen der Bronchien. Lunau wurde von einem Hustenkrampf geschüttelt, während ihm schwarz vor Augen wurde. Einen Moment lang meinte er, man habe einen Knallkörper ins Führerhaus geworfen. Aber er hatte keinen Knall gehört. Die Türen wurden aufgerissen, gellende Mädchenschreie, auch Amanda hustete und keuchte.
    Es dauerte Minuten, bis die Wirkung des Pfeffersprays ein wenig nachließ. Lunaus Augenlider waren verklebt, er sah nichts, aber er konnte reden.
    »Was will der Typ von dir?«, fragte Cecilia.
    »Ist schon in Ordnung. Ich kenne ihn.«
    »Ein Perverser?«
    »Nein. Ein Bekannter.«
    »Er muss hier weg«, sagte Cecilia.
    »Wo ist Joy? Wo ist Michael, ihr Zuhälter? Kennen Sie seine Adresse?«, fragte Lunau.
    »Was ist er? Ein Bulle?«
    »Nein«, antwortete Amanda.
    »Fahrt mich an die Stelle, an der Joy normalerweise arbeitet.«
    »Das ist kein Taxi. Männer dürfen nicht an Bord.«
    »Sie ist nicht da«, sagte Amanda.
    »Wer sagt das?«, fragte Lunau. »Ich kann nichts sehen. Ihr müsst mich mitnehmen.«
    »Okay. Es ist gleich um die Ecke«, sagte Amanda.
    »Spinnst du? Das ist nicht unsere Tour. Wir sind doch kein Fuhrbetrieb.«
    »Es ist wichtig«, sagte Amanda.
    »Was wollen Sie von Joy?«, fragte das Mädchen.
    Lunau gab keine Antwort. Der Lieferwagen rollte langsam über die Ausfallstraße. Lunau hörte die Autos, die überholten, einen LKW, der mit schnaubender Hydraulik bremste und dann an seinem Nebelhorn zog.
    »Hast du das Mädchen gesprochen?«, fragte Amanda, um die eisige Atmosphäre ein wenig anzutauen.
    »Nein. Sie hat sich irgendwo an der Böschung des Kanals versteckt.«
    Lunau wischte sich mit dem Ärmel über die Augen, aber jede Berührung machte das Brennen noch schlimmer.
    Amanda stoppte den Lieferwagen. »Nichts. Der Standplatz ist leer.«
    »Dann bringt mich zu Michaels Wohnung«, sagte Lunau.
    »Wir wissen nicht, wo Michael wohnt.«
    »Aber er wird doch sicher jetzt arbeiten. Hier ist sein Revier.«
    »Er hat kein Revier. Er hat nur ein Mädchen. Joy. Und Joy ist nicht da.«
    Lunau versuchte nachzudenken, aber es gelang ihm nicht. Wie sollte er Michael finden? Über das Handysignal, aber dazu brauchte man die Handynummer.
    »Irgendeinen Kumpel aus Michaels Clique werden wir auftreiben können. Ihr kennt doch die Organisation«, sagte Lunau, wobei seine Stimme sich überschlug.
    »Welche Organisation?«, fragte Cecilia.
    Einen Augenblick herrschte Stille. Lunau war vollkommen hilflos. Es kam ihm vor, als suchte er in einem finsteren Bassin nach einer Kontaktlinse. Er konnte spüren, wie Cecilia und Amanda einander anstarrten und allmählich Mitleid empfanden.
    »Es gibt nur einen, der uns helfen kann«, sagte Amanda. »Cecilia, wir müssen die Tour abbrechen.«
    »Ich fahre sie alleine zu Ende.«
    »Nein, das geht nicht«, sagte Amanda ebenso entschieden wie kalt.
18
    Das Haus Gennaro Tarantellas lag in einer stillen Neubausiedlung an der Via Comacchio. Verklinkerte Doppelhäuser in kleinen Gärten, dazwischen alte Kiefern, Parks und Fußballplätze. Sie fanden den Vicolo Sandolo, eine Sackgasse, an deren Wendehammer ein Bungalow in einem weitläufigen Garten stand. Das Anwesen war mit Alarmanlage und einem hohen Zaun gesichert. Ein Polizeiwagen mit zwei Beamten parkte davor. Amanda schaute auf die Uhr am Armaturenbrett.
    »Es ist fast elf. Können wir …?«, fragte Amanda.
    »Ich denke, er ist ein Freund deiner Familie.«
    Lunau konnte die Augen wieder öffnen, sah die Welt aber durch einen milchigen Schleier. Die Straßenlaternen zogen als große Lichtblasen durch sein Sichtfeld, darunter waren Büsche und Zäune als schwarze Flecken zu sehen.
    Sie stiegen aus dem Auto, Amanda klingelte an der Pforte, ein Hund schlug an, bis eine männliche Stimme ihn beruhigte. In dem Streifenwagen ging die Beleuchtung an, die Beamten notierten sich Amandas Kennzeichen.
    »Du bist das?«, rief die Stimme. »Warum hast du nicht angerufen?«
    Tarantella hatte jetzt auch Lunau entdeckt. Er hielt einen Moment inne, schaute sich schnell in alle Richtungen um, gab den Polizisten einen Wink und bat die beiden dann ins Haus.
    Dort herrschte eine angenehme Stille, die nur von leiser Barockmusik untermalt wurde. Ein leichter Duft von Olivenöl

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