Der Tote am Lido
reisen schon ab?«
»Ja, ich wollte gerade die Endreinigung erledigen.«
»Davon hatten Sie uns nicht informiert.«
»Es hat sich eben erst ergeben. Ich wäre bei Ihnen vorbeigekommen.«
Die Frau holte eine Klarsichthülle, in der Lunaus Mietvertrag und die Zahlungsbelege steckten. »Es gibt da noch etwas, worüber wir reden müssen.«
»Ja?«, fragte Lunau ungeduldig.
»Die Personen, die das Apartment genutzt haben. Ich habe hier vier Namen. Ihren, dann eine gewisse Silvia Di Natale, Mirko Di Natale und Sara Di Natale. Das sind zwei Erwachsene und zwei Kinder.«
»Korrekt.«
»Entsprechend hatten wir die Nebenkosten für Strom, Wasser und Gas berechnet: achtzig Euro für die beiden Erwachsenen und sechzig für die beiden Kinder.«
»Ja, die habe ich schon beim Einzug beglichen.« Lunau spürte, wie sich in seinem Hirn wieder die Geräusche aufbauschten. Das Knittern des Papiers, der knirschende Sand unter den Absätzen der Dame. »Ich habe es ausgesprochen eilig. Es spielt für mich keine Rolle, dass ich früher abreise. Ich erwarte keine Rückerstattung.«
Die Dame lächelte nun doch wieder, aber der rechte Mundwinkel hatte Mühe, aus der Horizontalen zu kommen.
»Wissen Sie, es ist nicht unsere Art, uns ins Privatleben unserer Gäste einzumischen. Aber es gibt gewisse gesetzliche Vorschriften. Bewohner unserer Immobilien müssen registriert werden, mit genauer Identität, Passnummer usw.«
»Das hatte ich bereits vor dem Einzug getan.«
»Für die vier genannten Personen. Wir mussten aber leider feststellen, dass die Mietsache auch von anderen Personen genutzt wurde.«
Lunau kaute langsam und hörte seinen Kiefer im Innenohr knacken. »Falls Sie die Freunde meinen, die ein oder zwei Mal bei mir übernachtet haben, ich denke, das ist Teil meiner Privatsphäre.«
»Nicht in einer Ferienwohnung, tut mir leid. Und nicht bei Personen, deren Identität suspekt ist.« Sie lugte über Lunaus Schulter und suchte Wohnungstür und Fenster nach Anzeichen weiterer Bewohner ab.
»Was meinen Sie mit ›suspekter Identität‹? Dass eine Person schwarze Hautfarbe hat? Wenn ich gegen ein Gesetz verstoßen habe, dann ist das mein Problem, nicht Ihres.«
»Die Sache ist nicht so einfach. Wir als Vermieter haben die Pflicht, die Belegung unserer Mietsachen zu überwachen.«
»Sie haben eine Nacht bei mir verbracht, weil es für sie zu spät war, nach Hause zu fahren.«
»Als unser Hausmeister den Rasen sprengte, wurdeer auf eine ganze Reihe unbekannter Farbiger aufmerksam.«
Sie waren nur zum Haareschneiden gekommen, aber durch diese Erläuterung hätte Lunau die Situation wohl nicht entschärft.
»Gut, ich mache Ihnen einen Vorschlag: Ich kontrolliere schnell, ob in dem Apartment alles in Ordnung ist, und danach bekommen Sie Ihre Kaution, abzüglich der Nebenkosten, zurück«, sagte die Dame.
»Welche Nebenkosten?«
»Für zwei weitere Personen.«
»Es waren zwei Nächte.«
»Sagen wir: pauschal vierzig Euro?«
»Aber ich räume die Wohnung doch früher, und Silvia Di Natale ist mit den Kindern schon vor Tagen ausgezogen. Sie haben insgesamt viel geringere Nebenkosten.«
Sie zog eine Augenbraue hoch und lächelte schelmisch. »Ich verstehe. Sie meinen, mit uns Italienern kann man immer handeln, oder?«
»Es geht mir nicht ums Feilschen, es geht mir um Gerechtigkeit.«
»Natürlich.« Sie lachte kurz auf. »Sie erlauben?«
»Nein, ich erlaube nicht.« Lunau hatte die Stimme erhoben. »Wenn ich die Wohnung gereinigt habe, können Sie sie in Augenschein nehmen.«
Da kam Amanda aus der Tür, ging durch den begrünten Innenhof, setzte sich in ihren Mini und schoss davon. Die Frau kniff die Lippen zusammen und sah Lunau an.
Dieser winkte ab und kehrte in die Wohnung zurück. Er suchte nach Putzutensilien, fing an, den Boden zu wischen und knallte dann wütend den Lappen in den Eimer. Wer bin ich denn?, dachte er, lud sein Gepäck ins Auto, schloss die Wohnung ab und rief Oba an. Nach fünfmaligem Klingeln ging dieser ran.
»Was ist los? Ich arbeite«, sagte er.
»Wo?«
»Na, wo schon? Am Strand.«
»Ich habe deine Sachen im Auto. Ich bringe sie dir.«
»Welche Sachen?«
»Deine Klamotten. Das Gepäck, das bei mir in der Ferienwohnung war.«
»Was?«
»Ich musste die Wohnung räumen. Das hatte ich gesagt. Wieso hast du die Sachen nicht selbst weggeschafft?«
»Sie hätten mir doch bis Samstag Zeit geben können.«
»Sag mal, willst du mich auf den Arm nehmen? Ich hatte dir die Situation erklärt.
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