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Der Tote am Steinkreuz

Der Tote am Steinkreuz

Titel: Der Tote am Steinkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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waren ihre Gedanken noch bei den Pferden, da ließ ein Schrei sie erstarren. Eine Gestalt tauchte aus dem Höhleneingang auf. Sie lief auf die Pferde zu.
    Es war der rothaarige Menma. Der Pferdewärter hatte es fast bis zu den Pferden geschafft, als eine zweite Gestalt im Höhleneingang erschien. Sie trat gemächlich heraus, einen gespannten Bogen mit aufgelegtem Pfeil in der Hand.
    »Menma!«
    Die Stimme war nicht laut, aber so durchdringend, daß sie über die ganze Lichtung schallte.
    Der Pferdewärter fuhr herum. Selbst aus der Entfernung sah Fidelma das Entsetzen in seinem Gesicht.
    »Um der Liebe Gottes willen!« stammelte er. »Ich kann dich bezahlen! Ich kann …«
    Dann riß er das Schwert an sich, das am Sattel seines Pferdes hing, und stürmte, die Waffe schwingend, auf seinen Verfolger zu.
    Die zweite Gestalt hob lässig den Bogen. Menma war jetzt in vollem Lauf und verzweifelt bemüht, den Abstand zu überwinden. Es gab einen dumpfen Laut. Menma wurde rückwärts zu Boden geschleudert, das Schwert flog ihm aus der Hand. Ein Pfeilschaft ragte aus seiner Brust. Er zuckte noch kurz, dann lag er still.
    Die zweite Gestalt schritt langsam zu ihm hin und betrachtete gelassen seinen reglosen Körper. Sie stieß ihn mit der Zehenspitze an, wie um sicherzugehen, daß er tot war. Dann beugte sie sich über ihn und zog den Pfeil aus seiner Brust. Fidelma konnte erkennen, wie dabei ein kleiner Blutstrom herausschoß. Ruhig steckte die zweite Gestalt den Pfeil wieder in den Köcher, löste die Bogensehne, ging zu ihrem Pferd, band es los und schwang sich in den Sattel. Sie beugte sich zu Menmas Pferd, band es ebenfalls los und ritt von der Lichtung, das zweite Pferd mitführend.
    Erst als der Reiter auf dem Waldweg verschwunden war, atmete Fidelma tief durch. Sie war wie erstarrt vor Entsetzen.
    Die zweite Gestalt war Dubán.
    Es dauerte einige Zeit, bis Fidelma ihr Versteck verließ und langsam zur Leiche Menmas ging. Sie sah, daß jede irdische Hilfe zu spät kam, also bekreuzigte sie sich und sprach ein leises Gebet für den Frieden seiner Seele. Sie hatte den übelriechenden Stallwärter nicht besonders gemocht, doch sie fragte sich, ob er einen solchen Tod verdient hatte. Welchen Grund hatte Dubán, den Rothaarigen so kaltblütig niederzuschießen?
    Ihr Blick fiel auf einen Gegenstand im Hosenbund des Stallwärters, der ihr an ihm merkwürdig vorkam. Sie beugte sich nieder und zog ihn heraus. Es war ein Stück beschriebenes Pergament, aus dem noch etwas anderes herausfiel, ein kleines, einfach gearbeitetes goldenes römisches Kruzifix. Sie hob es auf. Das Gold glänzte rötlich von dem Anteil des Kupfers darin. Sie besah sich das Pergament. Etwas Lateinisches stand darauf, das sich leicht übersetzen ließ: »Wenn du Antwort auf die Morde in Araglin haben willst, dann sieh unter dem Bauernhof des Landräubers Archú nach.«
    Sie runzelte die Stirn. Das Latein war einfach, aber klar formuliert und grammatisch korrekt. Sie blickte auf Menmas Leiche hinunter. Er hatte das Pergament in seinen Hosenbund gesteckt, und Dubán hatte es offensichtlich nicht bemerkt. Es hatte keinen Zweck, sich an dieser Stelle zu fragen, was es zu bedeuten habe. Sie faltete es sorgfältig zusammen und tat es samt dem Kruzifix in ihren Beutel.
    » Terra es, terram ibis «,murmelte sie, den Blick auf die Leiche gerichtet. Das war nur zu wahr. In einer Welt voller Ungewißheiten war es die einzige verläßliche Aussicht. Wir sind alle von Staub gemacht und werden eines Tages wieder zu Staub.
    Sie wandte sich zum Höhleneingang. Sie war sich sicher, daß nach Dubáns Fortgang dort niemand mehr sei. Die Höhle lag dunkel und still da. Sie sah die Werkzeuge am Eingang und daneben eine Öllampe mit Feuerstein und Zunder. Im Nu hatte sie sie angezündet und ging ins Dunkle hinein. Anscheinend war in der Höhle noch vor kurzem gearbeitet worden.
    Sie brauchte nicht weit zu gehen, um ihre Vermutung bestätigt zu finden. Sie erblickte eine glitzernde Gesteinsader etwa in Schulterhöhe. Sie betastete sie, im Lampenlicht blitzte es rötlichgolden auf.
    Ein Goldbergwerk.
    War dies der wahre Grund für alle Geheimnisse?
    Sie untersuchte die Goldader sorgfältig. Sie kannte sich ein wenig damit aus, denn an mehreren Stellen in den fünf Königreichen wurde Gold gewonnen, sogar in Kildare, dem großen Kloster, das die heilige Brigitta gegründet und in dem Fidelma den größten Teil ihres Lebens als Nonne verbracht hatte. Es hieß, daß Tigernmas, der

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