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Der Tote im Eiskeller

Der Tote im Eiskeller

Titel: Der Tote im Eiskeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Reiter, der in den engen Straßen um die erste Durchfahrt konkurrierenden Fuhrwerke und Kutschen es erlaubten, lief sie die Deichstraße hinunter, an St.   Nikolai und dem Johanniskloster vorbei, ein wenig gemächlicher über den Jungfernstieg mit seiner schönen Aussicht auf den inneren Alstersee und war am Ziel.
    Das Tor zum Malthus’schen Garten am Gänsemarkt stand weit offen. Sie sah an ihrem ärmlichen Kleid hinunter, und während sie sich noch fragte, ob man ihr die Kundin glauben könne, die sich für die Herbstpflanzungen ihres Gartens beraten lassen wollte, oder ob sie besser vorgab, eine Magd zu sein, hörte sie einen schrillen Pfiff. Auf dem breiten Mittelweg bei dem mit Buchsbaum gesäumten Rosenrondell stand ein Mann im schwarzen Rock.Auch seine Kniehosen und Strümpfe waren dunkel, nur die wenig dazu passenden Holzschuhe waren so neu, dass sie noch hell leuchteten.
    Er pfiff noch einmal, winkte mit ausholendem Arm, und als sie neugierig näher ging, rief er: «He! Du! Du bist doch die neue Tagelöhnerin? Warum kommst du erst jetzt?»
    «Eigentlich   …», begann sie.
    Er ließ sie nicht zu Wort kommen. «Jetzt ist keine Zeit für eigentlich und aber, du bist eine Stunde zu spät. Was denkst du, was du hier tun sollst, Frau? Arbeiten! Wer so lange schläft, hat bei Malthus keinen Platz. Wenn das nicht dein einziger Tag bei uns bleiben soll, mach’s morgen besser. Sei froh, jeder andere hätte dich gleich wieder weggeschickt. Und nun los. Bei den Glashäusern findest du Hanne, die sagt dir, was du tun sollst und wie.» Plötzlich musterte er sie misstrauisch. «Du kennst dich doch aus mit Gartenarbeit?»
    Rosina wusste eine Chance zu nutzen, wenn ihr eine begegnete.
    «Aber ja», sagte sie beflissen, «natürlich, ich arbeite immer in Gärten. Ja, und auf Äckern. Das auch.» Sie hoffte, er werde nicht bemerken, wie sie ihre Hände hinter dem Rücken verbarg. Das Schleppen der Kisten und Körbe voller Theaterutensilien und das Lenken der Wagenpferde hatten sie kräftig und schwielig werden lassen, aber sie waren sauber. Viel sauberer als die einer Frau sein konnten, die während des Sommers in Gärten gearbeitet hatte.
    «Gut.» Immer noch musterte er sie mit gerunzelten Brauen, was, so hoffte sie, nur an dem zu kurzen Rock lag. «Was sind das bloß für Schuhe? Hast du keine vernünftigen? Na, die sind dir wohl auch weggeschwommen», brummte er um eine Nuance milder. «Wenn du nicht barfuß arbeiten willst, frag Hanne. Im Geräteschuppen stehtnoch ein altes Paar, das müsste dir passen. Und nun los. Die Glashäuser sind am Ende des Gartens. Lass dir nicht einfallen, von den Brombeeren zu stehlen, die sind für Kundinnen zum Probieren.
Nur
für Kundinnen, jede einzelne. Verstehst du? Nicht für euch Frauen. Es sind sowieso die letzten in diesem Jahr. Das gilt auch für die Holunderbeeren. Überhaupt für alles, was an Büschen, Hecken und Bäumen hängt. Wie heißt du überhaupt?»
    «Rosa», sagte Rosina. Die Gefahr des Verplapperns und der Entdeckung war erheblich geringer, wenn der falsche Name dem richtigen ähnelte. Sie schlug die Augen nieder, murmelte brav knicksend Entschuldigung und Dank und lief, so rasch es ohne Übertreibung möglich war, den Weg hinab in die Richtung, die er ihr gewiesen hatte.
    Vielleicht hatte doch alles seinen Sinn – selbst eine verschüttete Schüssel Buchweizengrütze, der man die geflickten Kleider einer Magd verdankte.
    Einige der Frauen und Kinder   – Männer konnte sie nicht entdecken   –, die zumeist auf Knien oder in tiefer Hocke im Garten arbeiteten, sahen ihr nach. Als sie sich an der Brombeerhecke noch einmal umdrehte, waren alle wieder über ihre Arbeit gebeugt. Wer immer die erwartete und ausgebliebene Tagelöhnerin war, diese Frauen kannten sie nicht. Wenigstens nicht gut genug, um eine, die frech ihren Platz einnahm, zu beachten oder zu verraten.
    Rosina blieb keine Zeit, den Garten genauer anzusehen, obwohl sie das sehr gerne getan hätte. Nicht dass sie wie Anne Herrmanns eine besondere Vorliebe für die Gärtnerei hätte, das ganz gewiss nicht, aber dieser schien ihr ungewöhnlich: einerseits Areal einer Handelsgärtnerei, andererseits fast so schön und gut gepflegt wie die großen Gärten bei den Sommerhäusern der wohlhabenden Bürger vor der Stadt. Wie auch der Herrmanns’sche. Der allerdingszeigte auf seinen Blumenbeeten, in seiner ganzen Anlage weniger die übliche Gleichförmigkeit und Akkuratesse als vielmehr die dem Natürlichen

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