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Der Tote im Eiskeller

Der Tote im Eiskeller

Titel: Der Tote im Eiskeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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silbernes Medaillon aus der Rocktasche, klappte es auf und strich mit zarten Fingerspitzen über das darin verborgene, winzige Porträt ihres Sohnes.
    Das habe Viktor für sie malen lassen und es ihr erst vordrei Wochen geschenkt, nun denke sie daran, es Mademoiselle Fenna zu schenken, sicher sei das in Viktors Sinn. Ihre kleine Hand schloss sich fest um das Medaillon, und sie sah Augusta ängstlich an.
    ‹Nein›, sagte Augusta fest, ‹das wäre es überhaupt nicht. Er hat es
Euch
geschenkt, und bei Euch soll es bleiben.› Fenna trage sein Bild in ihrem Herzen. Das müsse reichen. Punktum.
    Madame Malthus’ Schultern sanken erleichtert herab, sie schob das Medaillon tief in die Tasche zurück.
    Dieser kleine Episode behielt Anne allerdings für sich, sie fand, sie gehe Fenna nichts an. Sie berichtete nur, was Madame Malthus von Viktors Kindheit erzählt hatte, kleine Schnurren, wie es sie von jedem Jungen gibt und die nur liebenden Eltern bedeutsam sind. Noch lieber hatte sie jedoch davon erzählt, wie erfolgreich und geschätzt Viktor in der Garnison gewesen war, vom Kommandanten bis zu den Gemeinen.
    Ja, hatte Madame Polter sich eifrig eingemischt, auch bei den Gemeinen, was nicht bei allen Offizieren so sei, tatsächlich nur bei wenigen. Der liebe Viktor habe auch die einfachen Soldaten nicht gering geschätzt. So habe er bei kleinen Vergehen seiner Untergebenen sein Herz sprechen lassen und sie nicht, wie es das Reglement verlange, dem Kriegsrat gemeldet, dessen übermäßig harte Strafen bekannt seien, sondern selbst für eine angemessene Sühne gesorgt.
    Madame Malthus war dieses Thema sichtlich unangenehm. Sie rutschte auf ihrem Stuhl herum und warf ihrer redseligen Freundin einen eindringlichen Blick zu, aber Madame Polter war nicht aufzuhalten: Natürlich müsse Unrecht bestraft werden und Diebstahl im Besonderen. Aber gleich mit dem Galgen oder sechsmaligem Laufen durch eine Gasse von 300 mit Knüppeln bewehrten Männern?Das führe gewöhnlich zum gleichen Ergebnis, es dauere nur länger.
    Anne hätte gerne gewusst, was dagegen Viktor für angemessen gehalten hatte, aber Augusta fand, es sei höchste Zeit, Madame Malthus’ Nerven zu schonen und rigoros das Thema zu wechseln.
    «Habt Ihr von diesen Dingen gehört, Fenna?», fragte Anne. «Hat er von solchen Bestrafungen erzählt?»
    «Aber nein, das hätte er nie getan. Er war so zartfühlend, wirklich unangenehme Angelegenheiten hat er in Gegenwart einer Dame nicht einmal am Rande erwähnt. Manchmal ist es recht langweilig, eine Dame zu sein, findet Ihr nicht auch?»
    «Manchmal, ja. Irgendjemand muss doch davon wissen. Wenn Viktor sich gegen die Regeln gestellt und eigenmächtig geurteilt hat, kann er sich damit nicht nur Freunde gemacht haben. Tatsächlich müsste es einen Skandal gegeben haben. Ihr seid sicher, dass er es nie erwähnt hat? Oder jemand anderes?»
    «Ganz sicher.» Das klang zögernd genug, um Anne fragend die Brauen heben zu lassen.
    «Thea hat etwas gehört», gab Fenna nach. «Ihr dürft ihr nicht verraten, dass ich darüber gesprochen habe. Und sie auch nicht danach fragen. Also: Viktor hat einen der Männer in seiner Kompanie selbst bestraft, anstatt ihn dem Kriegsgericht zu melden. Wirklich nur einen. Ich glaube, er war ein Gemeiner, genau wie Ihr es gesagt habt, sonst hätte er es kaum getan. Der Kapitän, der seine Kompanie befehligt, war mit dem Stadtkommandanten auf Reisen und Viktor für diese kurze Zeit an seiner Stelle. Es war nur ein kleiner Diebstahl, der Kriegsrat bestraft jeden Diebstahl schwer, zumindest mit endlosen Jahren Gefangenschaft, und ganz sicher wäre der Mann danach der Stadt verwiesenworden. Viktor hat ihn an den Pfahl stellen und auspeitschen lassen. Nicht zu hart, Madame, bestimmt nicht, er war doch ein zartfühlender Mensch.»
    «Und zuerst ein Soldat, Fenna. Er war zum Gehorsam verpflichtet, auf seinen Eid. Von einer solchen Eigenmächtigkeit in der Garnison habe ich nie gehört. Es kann doch nicht verborgen geblieben sein. Wieso weiß ich davon nichts?»
    Fenna wollte die Sache mit der lästigen Rücksicht der Männer auf Damen nicht wiederholen. Sie hätte es getrost tun sollen, um zu hören, dass die Damen der Stadt auf ihre eigene Weise alles erfuhren. Oft mehr als die Männer, häufig vor ihnen.
    «Vielleicht», überlegte Fenna, «weil der Stadtkommandant ihn sehr geschätzt hat. Es heißt nämlich, er habe die Hand über Viktor gehalten und ihn nur schwören lassen, so etwas nie wieder zu tun.

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