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Der Tote im Eiskeller

Der Tote im Eiskeller

Titel: Der Tote im Eiskeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Westmeyer angeklopft, dem Mann im rosenholzfarbenen Damastrock, der in Jensens Kaffeehaus vorgegeben hatte, mit den Verhältnissen der Familie Malthusbestens vertraut zu sein. Westmeyer, das erfuhr Anne nun, wusste alles, was Madame Polter wusste, offensichtlich war er genauso begierig wie die Nachbarin der Malthus’ gewesen, davon zu erzählen.
    Dass Viktor enterbt worden war, dass sein Vater kurz vor seinem Tod das Testament hatte ändern wollen, dass Madame Malthus, nachdem diese Änderung nicht mehr vollzogen werden konnte, beschlossen hatte, ihr Erbe auf Viktor, ihren vergötterten ältesten Sohn, zu übertragen und dass Elias, ja, dass Elias dann nicht mehr alleiniger Herr im Hause Malthus gewesen wäre. Das müsse ihn zutiefst gekränkt und verletzt haben, woraus leicht Hass erwachse. Tödlicher Hass.
    «Kain und Abel», sagte Wagner und schob endlich das Stück Pastete in den Mund, das er schon geraume Zeit auf der Gabel balancierte.
    «Unsinn, Wagner», protestierte Anne, «sie waren doch Brüder. Das waren Kain und Abel natürlich auch, trotzdem heißt das gar nichts. Ihr habt mit Monsieur Malthus gesprochen, erschien er Euch als leidenschaftlicher, unbeherrschter Mensch, der um des Besitzes willen tötet? Gar seinen Bruder?»
    «Wer kann so etwas genau wissen?», fragte Rosina. «Erinnere dich, Anne: Er war nicht mein Bruder, aber mein Vetter – für ein bisschen Wohlstand war er bereit, alles zu tun. Elias Malthus wusste immerhin von dem Eiskeller, für ihn wäre es ein Leichtes gewesen, seinen Bruder dorthin zu locken.»
    «Sehr richtig», sagte Wagner. «Außerdem, ich muss gestehen, es ist mir erst jetzt wieder eingefallen, ja, erst jetzt. Monsieur Malthus wusste, dass sein Bruder mit dem Kopf auf das Eis aufgeschlagen war. Er hat es erwähnt, bevor ich es ihm gesagt habe.»
    «Er wusste es?», fragte Rosina. «Und das fällt Euch erst jetzt ein?»
    «Nun ja, genau genommen
scheint
es, als ob er es wusste. Er sagte, gewiss sei sein Bruder gefallen und benommen oder ohnmächtig gewesen und dann erfroren. Er wollte zuerst nicht zugestehen, dass sein Tod ein Mord war. Tatsächlich sagte er ‹womöglich›. Wenn ich mich nicht irre. Ich muss auf meine Notizzettel sehen.»
    «Womöglich, aha. Natürlich sagte er das», rief Anne. «Elias hat das angenommen, und das ist nur folgerichtig. Das hätte ich auch getan. Nein», sagte sie nachdrücklich, «nicht Elias. Das hätte er seiner Mutter niemals angetan.»
    Rosina schwieg, Wagner kaute, endlich gab Anne nach: «Nun gut, ich habe auch daran gedacht. Obwohl ich mich dafür schäme. Ich kenne ihn seit einigen Jahren und habe ihn immer als ehrlichen Mann und guten Christen erlebt. Doch nur weil ich ein sorgenfreies, behütetes Leben habe, bin ich nicht dumm genug, blind einer Fassade zu trauen. Wer weiß, welche Leidenschaften ein beherrschter Mensch verbergen mag. Wenn man wenigstens wüsste, ob er in dieser Nacht zu Hause war   …»
    «Das weiß man, sozusagen», nuschelte Wagner. Er hatte zu hastig gegessen, es gelang ihm nur halb, einen Rülpser zu unterdrücken.
    «Das wisst Ihr? Und da lasst Ihr mich so zappeln?»
    Wagner drückte das Mundtuch auf die Lippen und musterte bedauernd den Fettfleck auf dem makellosen Leinen. «Pardon, Madame, ich wollte nicht   … Nun ja, es ist so: Monsieur Malthus hat es mir gesagt, was nicht viel bedeutet. Aber Madame Malthus’ Mädchen sagt das Gleiche, ich war nämlich auch nicht untätig. Sie hat in jener Nacht in der Küche gesessen, im Souterrain, weil sie gedacht hat, dort könne ihr der Sturm am wenigsten anhaben, selbstwenn er das Haus umweht. Sie war die ganze Nacht dort und sagt, in der Küche sei gut zu hören, wenn die Treppe knarrt und jemand das Haus verlässt. Es stimmt, ich habe es selbst geprüft. Sie hat aber nichts gehört.»
    Erst unter Rosinas zweifelndem Blick bemerkte Wagner, wie wenig verlässlich das Wort einer vom nächtlichen Sturm geängstigten, müden Magd war.
    «Ja», sagte Rosina zögernd, «Mägden entgeht wenig. Dass jemand in einer solchen Sturmnacht sein Haus verlässt, um seinen Bruder in einen Eiskeller zu locken, klingt auch unwahrscheinlich. Andererseits begann der Sturm erst geraume Zeit nach Mitternacht   …»
    «Sehr unwahrscheinlich», rief Anne mit neuer Zuversicht. «Dieser Eiskeller ist einfach ein zu seltsamer Ort. Wenn er wirklich vorgehabt hätte, Viktor etwas anzutun, wäre ihm Klügeres eingefallen. Und jetzt will ich hören, was Rosina zu berichten hat. Wie

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