Der Tote im Eiskeller
schlugen. Knebusch war keiner, der sich auf dieser Art ruppige Geschäfte verstand, selbst die energischere Magda fand sich nicht schnell genug in die neuen Geschäftssitten. Sie versuchte ihr Glück als Weißstickerin, auch davon gab es schon viele, und ihre Finger und ihr Naturell waren für die feine Arbeit zu ungeduldig.
Dann kam der letzte Schlag. Zuerst malten zwei Männer mit breitem Pinsel einen Strich roter Farbe an die Tür der Knebuschs in dem Mietshaus in der Marienstraße. Am nächsten Morgen kamen zwei andere Männer, ein bewaffneter Soldat stand mit dem Gewehr im Anschlag Wache, bis sie alles, was Friedrich und Magda Knebusch noch gehörte, auf die Straße geworfen hatten und die beiden ohne Obdach waren.
«So», sagte Wagner, «so! Und jetzt sagst du mir, warum Monsieur Müllerjohann ein Mal aus roter Farbe auf der Stirn hatte. Und wem das Haus gehört, in dem euer Laden war, Magda Knebusch. Und wem das Haus gehört, in dem ihr gewohnt habt. Na?»
Magda hatte die Hände tief in die Taschen ihrer Joppe geschoben, ihre Blässe reichte nun bis in die Lippen.
«Müllerjohann», sagte sie mit kaum unterdrücktem Zorn in der Stimme, «dieser miese Kerl. Aus seinen Wohnhäusern macht er Speicher, die bringen mehr Miete als Läden und die schäbigen Wohnungen, obwohl er für die viel zu viel verlangt, ohne jemals daran zu denken, dass Dächer und Fenster ab und zu repariert werden müssen. Müllerjohann», wiederholte sie mit festerer Stimme. «Na und? Ich hab mich gut amüsiert, als ich von seiner Nacht auf dem Armenfriedhof hörte. Warum erzählt Ihr uns diese Geschichte? Ich kenne sie besser, als mir lieb ist. Ah, jetzt verstehe ich. Er denkt», sie wandte sich ihrer Freundin zu und legte ihr fest die Hand auf den Arm, «der verehrte Weddemeister denkt, weil Monsieur Müllerjohann uns so übel mitgespielt hat, hätte ich ihm aufgelauert. Ich bitte Euch, Weddemeister, eine schwache Frau wie ich? Gegen so einen starken und bedeutenden Mann? Und seht Neele an. Sieht sie aus, als habe sie Freude an solchen Dingen? Oder die Kraft dazu?»
«Deine flinke Zunge nützt dir gar nichts. Deine Kumpanin da», er zeigte mit ausgestrecktem Finger auf Neele, «zittert ja schon. Sei schlau», sagte er und stupste sie hart gegen die Schulter, «gib zu, was ihr getan habt, und ich will sehen, was ich für dich tun kann. Die Richter hören auf mich.» Das war eine dicke Lüge, die er immer wieder gerne benutzte. Wenn er sie sagte, glaubte er sie fast und fühlte sich gut dabei.
«Neele ist ein liebes Schaf», sagte Magda hart, «sie hat sich von mir zu diesem Spaziergang überreden lassen. Ja, es stimmt, ich bin auf Müllerjohann nicht gut zu sprechen, weiß Gott nicht, ich wünsche ihm alles Schlechte. Das heißt aber nicht, dass ich so dumm bin, ihm nachts nachzuschleichen. Und warum sollte Neele das tun? Warum?»
«Ganz einfach», Wagner grinste, es sah fast freundlichaus. «Weil du ihr bei dem Überfall auf Monsieur Hecker geholfen hast.»
«Ihr seid verrückt, Weddemeister.» Magdas blasses Gesicht wechselte zu hektischer Röte. «Ihr habt gründlich herumgefragt, das mag sein, aber Ihr seid auf falsche Reden hereingefallen. Neele ist nicht von Madame Hecker vor die Tür gesetzt worden, das ist einfach nicht wahr. Fragt die richtigen Leute, und Ihr werdet hören, dass es Neele dort nicht gefallen hat und sie selbst gegangen ist. Ihre Herrin hat sie vor dem Ablauf des Jahreskontrakts gehen lassen, was weiß ich, warum. Fragt doch die vornehme Madame Hecker selbst», ihr Lächeln wurde maliziös, «wo die Richter auf Euch hören, wird auch sie dem Weddemeister gerne Auskunft geben. Wenn sie mal in der Stadt ist und die Tür aufmacht. Wie man hört, ist beides selten.»
Wagner fühlte ein Zucken in seiner rechten Hand und schlug auf den Tisch. «Ich frage immer die richtigen Leute, und die haben gerne berichtet, warum dieses Fräulein hier lieber fortgelaufen ist, als in einem so guten Haus zu leben. Ich werde es euch sagen.»
Er sah Neeles Augen sich mit Tränen füllen, sah die dünnen Rinnsale helle Linien in ihre schmutzigen Wangen zeichnen, und für einem Augenblick gewann der Mann Wagner die Oberhand über den Weddemeister. Er nahm einen Schluck aus seinem Wasserkrug, setzte sich hinter den Tisch und verschränkte die Arme vor der Brust.
«Was er gemacht hat, mag nicht richtig sein, aber es kommt nun mal vor. Er hat dir angetan, was Männer Mädchen nicht antun sollten. Manche von euch haben nichts dagegen,
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