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Der Tote im Eiskeller

Der Tote im Eiskeller

Titel: Der Tote im Eiskeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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wenn du zu stolz dazu bist   …»
    «Zu stolz?», schrie Magda. «Zu stolz!? Ihr sagt doch selbst, dass das nicht richtig ist. Wieso darf er das tun? Wieso? Weil er reich ist?»
    «Das darf er nicht!», brüllte Wagner plötzlich, stemmte sich hoch, stützte die Fäuste auf den Tisch und starrte Magda wütend an. «Stell dich doch nicht so dumm. Manche Dinge sind, wie sie sind, und werden auch immer so bleiben. Herr und Knecht, Herr und Magd, so ist die Welt eingerichtet. Bringt mir einen, der es gesehen hat und vor den Richtern beschwört. Bringt mir einen. Am besten einen, dem man mehr glaubt als einem Monsieur Hecker. Wenn ihr das nicht könnt, fügt euch in euer Schicksal und geht nicht los und spielt den lieben Gott. Mein ist die Rache, sagt der Herr. Damit meint er sich und die von ihm eingesetzten Richter. Er meint keine Ladenmamsell und keine Magd. Und jetzt ist Schluss. Jetzt will ich verdammt nochmal wissen, wer die Dritte ist und warum ihr Oberleutnant Malthus im Keller habt erfrieren lassen.»
    «Aber
damit
haben wir doch nichts zu tun», schrie Neele wie ein gequältes kleines Tier und sprang von ihrem Hocker auf, «das waren wir nicht, wir würden doch nie   … und überhaupt waren wir in der Nacht doch gar nicht in der Stadt. Wir   …»
    Ein wütender Knuff in ihre Hüfte ließ sie erschreckt auf den Hocker zurückfallen. Schluchzend sank ihr der Kopf auf die Knie, und Magda schlang die Arme um Neeles bebende Schultern. Ihre Augen glühten in schwarzer Wut.
    «Mit überhaupt nichts haben wir zu tun», zischte sie, «wir sind spazieren gegangen. Nur Neele und ich. Niemand sonst. Wie ich’s gesagt habe. Ich kann es hundertmal wiederholen, bis Ihr es endlich glaubt. Tausendmal.»
    Grabbe, der während des ganzen Verhörs still in einer dunklen Ecke gesessen hatte, stieß scharf die Luft aus.
     
    Elsbeths Pasteten hinterließen in Rosina ein wohliges Gefühl, auch in ihrer Seele. Wenn man verloren zwischen geschäftigenMenschen auf einem weiten Platz stand, war es tröstlich, ein vertrautes Gesicht zu treffen und auch noch mit einer würzigen Leckerei beschenkt zu werden. Selbst das bedauernde Schulterzucken des Posthalters konnte sie mit einem Lächeln beantworten, sie hatte nicht wirklich mit noch einem Brief von Magnus gerechnet.
    Von dummen Weibsbildern hatte Elsbeth gesprochen, von Eselei. War ein Mord eine Eselei? Es schien, als vermute auch Elsbeth nicht, dass diese Frauen Viktor getötet hatten. Sie hätte sie danach fragen wollen. Dass Frauen töteten, war nichts Neues. Das geschah seit biblischen Zeiten. Auch zu den Banden von Räubern und Dieben, die sich auf den Straßen und in den Städten ihre Opfer suchten, gehörten Frauen, und nicht nur, um in den Töpfen zu rühren, Schmiere zu stehen und die Betten zu wärmen. Einer der Männer, der Spinnhausaufseher, war, an die geflochtene Wand des Fleets gefesselt, beinahe ertrunken, die anderen beiden waren an hübsch trockene Orte gebracht worden, wo sie von vielen Menschen gesehen werden mussten. Sie waren einer Lächerlichkeit preisgegeben worden, die sie und die ganze Stadt so schnell nicht vergessen würden. Und Viktor Malthus? Seinem Tod fehlten Lächerlichkeit und böser Spott. Und doch war der Eiskeller ein so seltsamer, schwer zugänglicher Ort. Sie hätte gerne gewusst, was Wagner nun dachte, ob er glaubte, mit diesen Frauen auch Viktors Mörderinnen gefunden zu haben. Eine leise, nur allzu vertraute Stimme in ihrem Kopf gebot ihr, das nicht zu glauben.
    Erst als sie am Herrengrabenfleet entlangging, nahm sie den monotonen Klang des Totenglöckchens wahr, dachte wieder an Viktor Malthus’ Begräbnis und beschleunigte ihre Schritte. Die Hamburger Leichenbegängnisse standen im Ruf besonderer, geradezu fürstlicher Pracht. Jedenfallswenn jemand zu Grabe getragen wurde, dessen Familie sich solchen Aufwand leisten konnte. Schon vor Jahren hatte der Rat (mehr oder weniger vergeblich) geboten, die Zahl der dem Sargwagen folgenden Kutschen auf vier zu beschränken. Der Rest der Trauergäste musste die eigenen Füße bemühen. Auch die, die dafür bezahlt wurden, um dem ganzen Unternehmen zur rechten Bedeutung zu verhelfen. Das war gewöhnlich die Mehrzahl, vom kompletten Knabenchor der Lateinschule oder der Kirchenschulen bis zu Ratsherren und Bürgermeistern, die in ihren kostbaren langen Mantelumhängen, üppigen weißen Halskrausen und schulterlang gelockten Perücken dem traurigen Tag die rechte Würde verliehen. Ihre Amtstracht

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