Der Tote im Eiskeller
wandten sich Anne zu. «Ja, Madame Hecker, es hat sich schnell herumgesprochen. Sie heißt Magda Knebusch. Ich glaube nicht, dass Ihr sie kennt. Sie hatte mit ihrem Vater einen kleinen Laden nahe dem Hafen, in dem Haus, das gerade zum Speicher umgebaut wird.»
Madame Hecker hob das Kinn, ließ den Blick zum Fenster hinausgleiten, unter dem der Hafen begann, und nickte. «Ja, ich kenne das Haus. Ich glaube mich zu erinnern, dass es Esbert Müllerjohann gehört? Oder irre ich mich?»
«Nein, Madame», antwortete Claes, «Ihr irrt Euch nicht. Und auch das Haus, in dem die Knebusch und ihr Vater gewohnt haben, bis sie die Miete schuldig blieben, gehört Müllerjohann. Was sie zusammen als Grund angesehen haben mag, sich an ihm zu rächen. Eine so abwegige wie verwerfliche Idee.»
«Gewiss, sehr verwerflich.» Madame Hecker nippte an ihrem Glas, nur ihre direkte Nachbarin glaubte zu erkennen, wie sich ihre Lippen verzogen. Voller Ekel vor der Untat, warum sonst?
«Und Viktor Malthus? Gibt es da eine Verbindung?», fragte sie, ohne den Blick von ihrem Wein zu heben.
«Das wird sich noch zeigen», sagte Claes, «es ist anzunehmen. Ich bin sicher, der Weddemeister wird es bald herausbekommen.»
«Oder auch nicht», widersprach Anne, ihre Hand berührte entschuldigend seinen Arm. «Niemand weiß, ob alldiese Verbrechen auf ein Konto gehen. Der Weddemeister – nun, ich habe gehört, er sei da nicht so sicher. Er halte es sogar für wahrscheinlicher, dass es nicht so ist.»
Claes sah seine Frau irritiert an. Was hatte sie ihm da nicht anvertraut?
«Ihr seid gut informiert, Madame», Monsieur Bach drohte vergnügt mit dem Finger, «über Dinge, die Damen doch gar nicht bedenken sollten. Aber wir wissen ja, Ihr kennt unseren guten Wagner besser als die meisten von uns. Was ich für sehr löblich halte», betonte er mit einem kampflustigen Blick den Tisch hinunter, «wirklich sehr löblich. Doch nun sollten wir uns erhabeneren Dingen zuwenden. Die Musica hilft, alle Wunden der Seele zu heilen. Wenn es genehm ist …»
Bevor jemand protestierte, was als äußerst unhöflicher Akt jedoch nicht zu erwarten war, eilte er zurück ans Cembalo und griff hurtig in die Tasten. Bald war der Raum mit dezent, aber eindeutig heiter schwatzenden und hier und da sogar den Takt mitklopfenden Menschen gefüllt.
Madame Hecker verließ die Gesellschaft schon nach dem ersten Stück. Anne hätte einiges darum gegeben, es ihr gleichtun zu können.
«Wenn du klug genug bist, nicht zu schreien, nehme ich meine Hand von deinem Mund», zischte Rutger Ermkendorfs Stimme an Rosinas Ohr. «Er wird nicht gut auf dich zu sprechen sein, und ich werde mich bestimmt nicht für dich schlagen, wenn er dich erwischt.»
Selbst wenn Rosina gewollt hätte, wäre ihr Schreien kaum mehr als ein Krächzen gewesen. Nach wem sollte sie auch schreien? Nach den elenden Gestalten, die ihr auf ihrem Irrweg durch die Gänge begegnet oder aus dem Weg gegangen waren? Nach dem Mann, der sie im Hoffür eine günstige Gelegenheit ohne eigenen Willen gehalten hatte?
Ermkendorf beugte sich vor und sah durch den Gang zum Hof. «Er ist weg», sagte er. «So wie du ihn behandelt hast, wird er kaum hinter der Hausecke warten, sondern nach einer Schüssel Eiswasser suchen. Nun komm schon, oder gefällt es dir in diesem stinkenden Loch?»
Als sie sich nicht bewegte, griff er nach ihrem Arm und zog sie grob mit sich in den Gang hinaus. «Ich bringe dich jetzt an den Rand dieser Hölle», sagte er, «und dann will ich wissen, warum du mir nachschleichst.»
Es klang alles andere als freundlich, Rosina beeilte sich trotzdem, ihm zu folgen. Der Hof lag nun wieder verlassen da. Aus dem Haus klang plötzlich aufgrölendes Gelächter, und er schritt rascher an dem Schuppen links des Hauses vorbei. Penetranter Geruch und ein nörgeliges Meckern wiesen ihn als Ziegenstall aus. Dann duckte er sich hinter einem Holzstoß entlang – und stand am Rand einer Gasse, die fast einer Straße glich. Rosina hatte sich im Irrgarten der Gänge verloren geglaubt, und der Weg in die Freiheit war nur zwanzig Schritte entfernt gewesen.
«Warum, zum Teufel, bist du durch diese Düsternis gegangen, wenn es so eine Straße gibt?», fauchte sie.
«An deiner Stelle würde ich leiser sprechen.» Er warf einen Blick zu den Fenstern im ersten Stock. «Kann gut sein, dass er sich erholt hat und mit ein paar Kumpanen auf die Jagd nach dir macht. Also: Warum bist du mir nachgegangen?»
«Rosina!? Was
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