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Der Tote im Eiskeller

Der Tote im Eiskeller

Titel: Der Tote im Eiskeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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mochte die Blumen und er kannte die Sterne. Ich habe ihn gleich geliebt. Eigentlich dürfen die einfachen Soldaten in dieser Stadt nicht heiraten, aber sie tun es trotzdem, und uns war das alte Verbot egal. Als ich guter Hoffnung war, da war es uns erst recht egal.»
    Sie hatte gefürchtet, er werde sie nun verlassen, so wie es vielen Frauen erging, wenn sie schwanger wurden. Aber Wille war glücklich. So waren beide glücklich, und zum ersten Mal, seit Hanne von Maline getrennt worden war, glaubte sie wieder an ihren Traum von einem besseren Leben. Dann wurde der kleine Husten, der sie schon lange hin und wieder geärgert hatte, heftiger, und manchmal schmerzte ihr Kopf, dass sie glaubte, er müsse zerspringen. An manchen Tagen fühlte sie sich schwach und atemlos wie eine alte Frau. Nichts half, und die besseren Mittel, die es in der Apotheke gab, waren viel zu teuer. Wie das bessere Essen. Der Sold der Soldaten war Hungerlohn, viele suchten sich neben ihrem Dienst andere Arbeit. Doch nur wer sich auf ein Handwerk verstand undGlück hatte, fand eine. Die Stadt war voller Menschen, die Arbeit suchten.
    Da tat Wille etwas, das er trotz allem nicht hätte tun sollen. Aber der Mann, dem er die acht Schillinge stahl, hatte mehr als er brauchte, er gab ein Vielfaches aus, nur um sich zu amüsieren, auch in Madame Reginas Haus. Viktor Malthus, der Oberleutnant, kam just in dem Moment in die Wachstube, als Wille das Geld einsteckte, sein Geld, seine Münzen, die er auf den Tisch liegen gelassen hatte.
    «Ja», knurrte Ermkendorf aus seiner Ecke, «er hat ihn aber gefragt, wozu er die Schillinge haben wollte, und dann hat er ihn nicht dem Kriegsgericht übergeben. Er hat selbst für die Strafe gesorgt, das war für Wille das kleinere Übel. Das weißt du.»
    «Trotzdem hat er ihn getötet», begehrte Hanne auf. Ihre Stimme klang klar und entschieden. «Er hat ihn auspeitschen lassen, Rosina, im Hof der Wache, bis sein Rücken blutig war und die Haut nur noch Fetzen. Aber das war ihm nicht genug. Er ließ Wille in den Kerker der Garnison sperren, ein dreckiges Loch mit fauligem Stroh. Sie haben mich nicht zu ihm gelassen. Ich konnte ihm keine Decke bringen, dabei war es bitterkalt. Auch keine reinen Tücher, nicht einmal Brot. Tagelang. Und dann», sie wischte die ihre Wangen hinabrinnenden Tränen ab, nachlässig, als habe sie das schon oft und ebenso vergeblich versucht wie jetzt, «als ich Wille endlich besuchen durfte, war es – da war es zu spät. Sein Rücken war voller Eiter und das Fieber so hoch, so schrecklich hoch. Er hat nach mir gerufen und nicht gemerkt, dass ich bei ihm war.»
    Hanne schwieg. Sie sah an Rosina vorbei in ihre Erinnerung. Sie weinte nun nicht mehr. Ihr Gesicht, ein heller unbewegter Fleck im Dämmer des Schuppens, glich einer steinernen Maske.
    «Und dann?», fragte Rosina endlich leise. «Hat Malthus nicht den Wundarzt rufen lassen?»
    «O doch, das hat er. Ich bin durch die Wachstube gerannt, einfach an den Wachen vorbei bis in das Zimmer, in dem er saß und irgendwelche nichtsnutzigen Papiere mit Tinte bekleckste. Du hättest mich sehen sollen, Rosina. Und hören. Ich war laut. Und zornig.»
    Zuerst hatte Viktor Malthus über die aufgeregte dünne Frau gelacht, die seine Wachen einfach beiseite geschoben hatte. So ein bisschen Kerker, hatte er gesagt, könne nicht schaden und sei allemal milder als das Kriegsgericht. Und wenn der Soldat im Kerker fiebere – er sei ein starker junger Kerl, da gehe das bald vorbei. Er könne sich nicht selbst um jede Kleinigkeit kümmern. Sie solle besser still sein, er gerate für seine Milde sonst in Teufels Küche, und der Soldat müsse doch noch vors Gericht.
    Endlich kam er mit, und als er Wille sah, schickte er nach dem Wundarzt. Es war zu spät. Wille starb in der folgenden Nacht.
    «Er hat ihn getötet», schloss Hanne.
    «Und dann hast du Maline geschrieben. Weil du Hilfe brauchtest.»
    «Ja, aber nicht gleich. Zuerst war Rutger da, bis er auf sein Schiff musste. Aber dann, als alles so schwer wurde   …»
    «Sie hat mir erst im Sommer geschrieben, im Juli», sagte Maline, die unbemerkt eingetreten war und die letzten Worte gehört hatte. Sie brachte einen brennenden Kerzenstummel mit und entzündete die Kerze neben dem Bett. «Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte. Was in den letzten Monaten geschehen war, wusste ich schon, aber jetzt – warum hast du nur nicht eher geschrieben, dass du so krank bist, Hanne?»
    «Das habe ich dir schon

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